Was soll ich als Überschrift wählen oder von Open Source, Kapitalismus, Github, Microsoft und überhaupt

Die Tage hatte ich im IBM Livestudio während der Think at IBM eine Diskussion zum Thema Freier Code für freie Bürger organisiert. Es ging darum, ob und warum in der öffentlichen Verwaltung nicht viel mehr auf Open Source-basierende Lösungen eingesetzt werden. Michael Seewald „pöbelte“ (eigener O-Ton) gegen Poltik und Anbieter proprietärer Software wie auch IBM herum.

Irgendwie fühl(t)e ich mich da als jemand, der bei IBM arbeitet, aber wie viele Kolleginnen und Kollegen durchaus den Sinn vom Open Source-Lösungen einsehen, ja promoten, schon ein wenig angegriffen und über einen Kamm geschert, gerade mit einer Microsoft, die ja erst seit vergleichsweise kurzer Zeit versucht, auf den Open Source-Zug aufzuspringen. Schon vor der angekündigten, geplanten Übernahme von Red Hat gab es eine lange Historie der IBM, in der man aktiv und mit Personal in der Open Source-Szene mitarbeitet und Code beisteuert.

Doch die Geschichte geht weiter: Auf heise online bin ich jetzt auf den Beitrag von Timo Daum gestoßen, der anhand der Übernahme von Github durch Microsoft darzulegen versucht, wie subversive Technologien wie Github von Unternehmen absorbiert und kommerzialisiert werden. Im Falle von Github verleibe sich ein Großkonzern das hehre „soziale Netzwerk für Entwickler“ ein. Und natürlich wird nach den Motiven geforscht. LautArtikel wolle man kein Geld mit Hosting verdienen. Den Image-Gewinn – („Opens Source Washing“ genannt) nehme man natürlich gerne mit. Vor allem aber wolle man seine Präsenz in der Cloud über Entwickler stärken und so weg vom klassischen Software-Geschäft und hin zur Plattform-Ökonomie. Und dann seien es natürlich die Daten, die Microsoft gewinne:

Die Millionen Coder und ihre Repositorien sind eine unerschöpfliche Quelle für Metadaten. Wer arbeitet mit welchen Tools an welchen Projekten in welchen Branchen? Solche und ähnliche Fragen kann GitHub mit einer weltweit konkurrenzlosen Datenbasis beantworten. … Und im Ergebnis ist ein Lieblingsprojekt partizipatorischer Code-Entwicklung zu einem Big-Data-Pool eines Digitalkonzerns geworden.

über Missing Link: Technologie-Rekuperation, oder: Wie subversive Technologien absorbiert werden | heise online

Der widerwärtige Kapitalismus verleibt sich – ich drücke es bewusst flapsig aus – Open Source (und immer wieder andere „gute Technologien“ ein), diese gehen den Bach runter und der Kapitalismus geht nur noch gestärkter hervor. So ganz kann ich der Argumentation von Timo Daum in seinen einzelnen Facetten nicht folgen (oder ich verstehe es nur nicht).

Sicher ist wahr, dass (gerade quartalsorientiertem börsennotierte) Unternehmen immer einen kommerziellen Zweck verfolgen, wenn sie eine solch signifikante Akquisition tätigen. Das gilt für Microsoft ebenso wie für meinen Arbeitgeber IBM, der ja die Übernahme des Open Source-Unternehmens Red Hat – Slogan We make open source technologies for the enterprise – anstrebt. Auch hier werden wie im Falle Github und Microsoft der IBM entsprechende Motive unterstellt, die ich als IBM-Mitarbeiter aus rechtlichen Gründen während des Prozesses des Transfer of Trade nicht kommentieren darf.

Nun bin ich auch jemand, der gerne gegen Microsoft argumentiert, „pöbelt“, gar polemisiert, weil ich deren Monopol(e) an verschiedenen Stellen – zentral Microsoft Office in all seinen Schattierungen mit Excel-zessen und Powerpoint-Mania* – für gefährlich und für uns alle für zu teuer halte, besonders, wenn man sich die entsprechenden Ausgaben der öffentlichen Hand ansieht. Ich möchte auch Microsoft beileibe nicht verteidigen, trotzdem oder gerade deshalb glaube ich, dass wir zu einer differenzierteren Betrachtung kommen müssen, beim Thema Open Source und darüber hinaus. Zum Beispiel könnte die öffentliche Kritik an Microsoft, die im Gegensatz zu Amazon, Facebook oder Google oft unter dem öffentlichen Anprangerungsradar fliegen, aus genannten Gründen – Monopolstellung mit Windows und vor allem Office, hohe öffentliche Ausgaben für diese Software –  sogar noch härter ausfallen.

Persönlich habe ich den Eindruck, dass leider oft in den Diskussionen Dinge durcheinander geworfen, und über einen Kamm geschert werden. Der von mir zitierte Michael Seemann hat gefordert, dass „der Staat“ Open Source als Plattform betreiben solle und müsse. Hört sich gut an und ich habe zustimmend gebloggt. Doch wer ist „der Staat“? Ist es der Bund? Sind es bestimmte Ministerien? Sind es Länder und Kommunen? Genau daran entzündete sich dann in unserem Talk im Livestudio eine durchaus kontroverse Diskussion.

Und man muss weiter differenzieren: Open Source – das Konzept unterstütze ich voll – heißt ja auch nicht automatisch kostenlos. Es heißt erst einmal, dass der Quelltext öffentlich und von Dritten eingesehen, geändert und genutzt werden kann. Meistens  – nicht immer – kann Open Source-Software „für umme“ genutzt werden. Ein klassisches Beispiel ist Libre Office, eine Alternative zu zentralen Komponenten von Microsoft Office. Jedoch kosten oft nicht nur Dienstleistungen rund um die Produkte meist durchaus Geld. Und das ist auch aus meiner Sicht generell absolut in Ordnung.

Man wird meiner Ansicht nach genau verfolgen müssen, was beispielsweise eine Microsoft mit Github macht, wie es kommerziellen Nutzen daraus zieht, welche Folgen sich daraus ableiten. Man wird ein Satya Nadella ebenso wie andere Unternehmensführer, die entsprechende Übernahmen tätigen, an ihren Worten und vor allem Taten messen müssen. Und nicht unterschätzen sollte man auch die Widerstandskräfte „im Netz“. Nur zu schnell entstehen auch alternative Bewegungen, die manchen noch so schönen Plan zunichte machen können. Vor allem müssen wir uns aber wohl die Mühe machen, auch solche Übernahmen wie auch das Thema Open Source differenziert zu betrachten. Anprangern und „rumpöbeln“ sind erlaubt und erwünscht, aber es braucht dann auch die nächsten Schritte.

(Stefan Pfeiffer)

* Der Fairness halber: Für die Excel-zesse und Powerpoint-Orgien ist Microsoft nicht verantwortlich zu machen. Da gibt es andere „Schuldige“.

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