"Das Archiv und die Stütze des Neuen" – FAZ Community – Viel feuilletonistische Stil-Onanie, aber auch manch Wahres zum #Netz

Also, ich habe lange überlegt, ob ich auf diesen Artikel Bezug nehme. Er ist in einem Stil geschrieben, der mir sehr fremd und gekünstelt wirkt, in einem Stil, der oft gerade in Feuilletons angesagt und in dem sich die Autoren nur zu oft der stilistisch selbst befriedigen. Ich bin da eher ein Freund von Wolf Schneider und Ludwig Reiners, die für die klaren journalistische und vor allem verständliche Sprache plädiert haben. Aber der Artikel aus der FAZ-Community greift auch einige aus meiner Sicht interessante Aspekte auf.
Der Artikel von Michael Seemann skizziert, wie Wissen in den verschiedenen Phasen der Menschheitsgeschichte aufbewahrt, „archiviert“ wird:

Anhand der frühen Ägypter zeigt er, wie der Wissenstransfer sich in der Vorgeschichte ganz anderer Zeichen bediente, als die Schrift. Dort hatten nämlich Gräber und rituelle Orte diese Aufgabe. An ihnen knüpfte sich das überindividuelle Gedächtnis; die Koordinaten der Erinnerung, in der die Menschen ihre kulturellen Errungenschaften: ihre Geschichten, Genealogien und ihre Kunstfertigkeiten kodierten und abspeicherten, um sie von Generation zu Generation weiter zu geben.

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Die Schrift hat dann eine neue Epoche eingeläutet. Und das Internet ist nun der nächste Schub:

Der Übergang zur Schrift als zentralem Erinnerungsmedium hat also die Menschen befreit. Die ewige Wiederholung des Immergleichen und die enge Bindung an bestimmte Orte, waren zu einem gutteil aufgelöst. Man kann diesen Einschnitt nicht hoch genug bewerten. Es war eine Emanzipation, die nur mit jener vergleichbar ist, die der Buchdruck im Gewande der Aufklärung mit sich brachte. Oder heute das Internet.

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Natürlich muß – dazu ist es ja das Feuilletion der FAZ – kritisch mit dem Web umgehen und die Banalitäten (und ja, es kursieren auch Perversitäten) betonen. Aber immerhin wird doch anerkannt, daß das Internet dramatisch zur Emanzipation und zur freien Verfügbarmachung von Informationen und Wissen jeglicher Art – banalen Wissens und relevanter Information – beiträgt:

Die Zyklen der Entwertung werden dabei immer kürzer und das Internet frisst wie ein Mähdrescher alle Errinnerungen auf und macht das Bauchnabelpiercingfoto gleich neben Goethes Faust für alle zugänglich. Ich verstehe, dass das Manche melancholisch macht. Man darf sich darüber aber nicht täuschen: das ist eine Emanzipation. Niemand hat gesagt, dass sie gut riecht, die Freiheit.

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Und genau wegen dieses Absatzes hab ich das Posting geschrieben!

Ein kleiner Exkurs und ein weiteres Zitat erlaube ich mir in Erinnerung an mein Studium zur Entwicklung der modernen Öffentichkeit durch die im 19. Jahrhundert sich befreiende Presse und ein leider nur teilweise liberales Bürgertum:

Das Bürgertum war selber solch ein Archiv des kulturellen Gedächtnisses und genau als solches eben eine Stütze der Gesellschaft. Eine Erinnerungs- und eine Vorbildstütze, die, bevor die Medien immer globaler wurden, die lokalen Rollenmodelle der Gesellschaft bildeten. Den Niedergang dieser institutionellen Position, die archiv’sche Entwertung – auch durch das Internet – beschreibt Don Alphonso so treffend wie wehmütig. Das Bürgertum stirbt in seiner Rolle als Identitätsressource und regionales Kulturarchiv.

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