Ist Tablet-PC gleich dem iPad? Und endet Gutenbergs Zeitalter? Keine Kunstkataloge mehr auf Papier?

Für mich ist es unterdessen keine Frage, daß auch ich in absehbarer Zeit einen Tablet PC ausprobieren werde. Ich bin unterdessen auch einer von jenen, der im Bereich Fachliteratur fast nur noch online liest. Derzeit tue ich das auf meinem Macbook, auch mal beim Frühstück (wo ich „früher“ die Zeitung las) oder bei einem Glas Rotwein auf dem sonnenbeschienen Balkon. Und ich wünsche mir dann desöfteren einen Tablet-PC, der auf Lesen, Sehen, Präsentiert-bekommen, Hören und Verfassen kurzer Texte optimiert ist, ein Gerät, das ich in den Urlaub oder an den Baggersee mitnehmen kann, das lange „Saft“ hat und auch bei hellem Sonnenschein noch gut lesbar ist (natürlich im Schatten). Kurz gesagt, ich bin einer derjenigen, die typische iPad-Opfer sind und ich hätte ihn mir sicher als Spielzeug (trotz Gelästere meiner Frau) gekauft, wenn ich dieser Tage in den USA wäre. (Das Riskante ist, dass mir Christian Holsing nun angeboten hat, einen iPad bei seiner nächsten Reise mitzubringen … Schauen wir mal, ob ich schwach werde, wahrscheinlich ja.)

Tablets markieren – wie Gundolf Freyermuth korrekt schreibt – einen Meilenstein:

Touch-Tafel-PCs leiten einen technologischen Paradigmenwechsel ein, der in seiner kulturellen Wirkung durchaus dem vom Kommandozeilen-Interface (Command Line Interface, CLI) zur graphischen Benutzeroberfläche (Grapical User Interface, GUI) vergleichbar ist.

via carta.info

Angesichts der mehr als regen Diskussion in Blogs und Presse stellen sich mir derzeit vor allem zwei Fragen:

Muss es unbedingt der iPad sein? Die offensichtlich geschlossene Architektur und die vermehrt wahrnehmbaren Versuche von Apple, Anwender von der Apfelwelt abhängig zu machen, machen mich wiederum misstrauisch. Ich esse nun einmal gerne Äpfel, Birnen, Pflaumen, also vielerlei Obst. Ich habe einfach gerne die Wahl. Wenn man aber derzeit die Mehrzahl der Artikel liest, so scheint es nur den Apple zu geben. Tablet-PC wird oft synchron mit iPad verwendet, durchaus auch von Autoren, die ich als kritische Geister schätze. Alles andere scheinen Ankündigungen zu sein, die entweder von Nischenplayern kommen oder wo die Produkte noch in weiterer Ferne liegen. Wird sich also Apple mit dem iPad einen solchen Vorsprung heraus verkaufen, dass die anderen Anbieter von Google über Dell, HP bis WeTab diesen nicht mehr aufholen werden. Wird Google den iPad-Killer herausbringen? Oder wird es – und das hoffe ich – eine gesunde Vielfalt an Geräten und Betriebssystemen geben?

Der zweite Aspekt ist das u.a. von Freyermuth postulierte Ende des Papierzeitalters:

Die Züge des Kulturkampfes, die amerikanische Kritiker rund um den digitalen Paradigmenwechsel von Desk- und Laptop zum Tafel-PC und den damit verbundenen Übergang vom GUI zum NUI beobachtet haben, zeigen sich um so mehr in der größeren, gesamtkulturellen Medienkrise: beim epochalen Übergang von einer analogen und Papier-zentrierten zu einer digitalen und Software-zentrierten Kommunikations- und Wissenskultur.

via carta.info

In seinem Posting beschreibt Freyermuth sehr plastisch, wie er seine Bücher eingelagert hat und nun in einer Bücher-freien (und deshalb aber nicht hirnfreien) Zone wohnt. Hier muß ich unwillkürlich in meinem Home Offce hinter mich schauen: schätzungsweise 6 Meter Bücherregale, vorwiegend „Kunstbücher“ meiner Frau, aber auch gute alter Erinnerungsstücke aus meinem Geschichtsstudium, von denen ich mich nicht trennen kann. Ich selbst bin weitgehend den Weg zum papierlosen Büro gegangen, digitalisiere meine Informationen oder tagge sie, um später gezielt auf sie zugreifen zu können. Papier ist in meinen beruflichen Umfeld eher zur Seltenheit geworden (obwohl in der elektronischen Organisation noch Optimierungsbedarf besteht und ich auf Tools wie die Web Clipping Services dringend warte).

Meine Frau dagegen arbeitet weiter sehr stark papierorientiert. Sie ist Kuratorin an der Schirn, „macht“ dort Ausstellungen und erstellt Kataloge. Richtig schön dicke Schwarten mit tollen Abbildungen und interessanten Texten. Sie arbeitet seit Jahren am Computer, hat dort ihre Doktorarbeit geschrieben und verfasst auch die genannten Katalogtexte natürlich am PC. Natürlich wird dort auch recherchiert und so weiter. Doch RSS Feeds sind ein Fremdwort und sei beobachtet mit Misstrauen und einem gewissen Unverständnis, wie ich ständig am Computer hänge und ihr erkläre, daß ich dort lese. Sie negiert auch, dass es Kunstkataloge nur noch Online geben könne und ist eine absolute Freundin des haptischen Erlebnisses Buch. Warum dieses Beispiel? Ich frage mich, wie weit große Teil der Bevölkerung wirklich in der Benutzung der neuen Technologien sind. Ich rede hier nicht einmal von Widerstand gegen neue Technologien, sondern vielmehr vom Stand der Einführung und der Kenntnis dieser Technologien.

Hier scheint es mir doch oft so zu sein, dass wir „Web2.0’ianer“ viel zu optimistisch sind und große Teile der Bevölkerung noch weit weg von den entsprechenden Technologien und vor allem auch von den zugehörigen Kulturtechniken sind. Nicht nur die Geräte, auch der Umgang mit ihnen (und ich rede hier nicht von technischer Bedienungsanleitung) muß gelehrt und gelernt werden. Es könnte also durchaus noch viele, viele Jahre dauern, bis wirklich das Ende des Gutenberg-Zeitalters kommt. Momentan wird ja eher mehr auf Papier gedruckt und publiziert denn weniger.

Hier einige interessante Links, über die ich im Laufe der vergangenen Wochen gestoßen bin. Ich werde diese Liste einfach erweitern:


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