Informationen und Wissen teilen in den letzten 20 Jahren – Ein persönlicher Rück- und Ausblick

Bill Ives hat dieser Tage ein Posting über Ablenkung am Arbeitsplatz geschrieben veröffentlicht, in dem einmal mehr dargestellt und zitiert wird, wie unsinnig das Verteilen von Dokumenten per E-Mail ist.

The average user emails two or more documents per day to an average of five people for review, increasing email-based document volume by up to 50 documents per week. The fact that these attachments are stored on multiple local computers complicates the challenge of finding the latest document versions as well as merging feedback from multiple reviewers.

via fastforwardblog.com

Die Argumentation ist logisch, die Verschwendung an Speicher evident, der Verlust an Produktivität und Wissen offensichtlich. Doch das Problem ist nicht neu, ganz und gar nicht neu.

Immer und immer wieder wurde es in den vergangenen Jahren adressiert und es hat mich in meiner Laufbahn in der Softwareindustrie begleitet. Vor rund 20 Jahren hat meine damalige Firma einen sogenanntem Personal Information Manager (PIM) namens PackRat in Deutschland vertrieben. das Produkt von Polaris Software war ein geniales Produkt, das integrierte Module zur Adressverwaltung, zur Aufgaben- und Kalenderverwaltung, zum Datei- und Projektmanagement für Arbeitsgruppen besaß. Von daher ist die Bezeichnung PIM irreführend. Doch leider beruhte das Produkt auf einer proprietären Datenbank, die ab einem gewissen Speichervolumen – damals sprachen wir von einigen Megabyte – schlapp machte. Die dann notwendige Wiederherstellung der Datenbank konnte durchaus 24 Stunden dauern und irgendwann zerlegte es unsere interne Datenbank komplett. Der Hersteller versprach von Beginn an eine Portierung auf eine SQL Datenbank, zu der es aber nie erfolgreich kam.

Schade, es war ein geniales Produkt, um im der Gruppe zusammenzuarbeiten, Dokumente und Aufgaben zu managen. PC World hat es 2009 korrekt unter dem Titel When Bad Things Happen to Good Products beschrieben. Und PackRat gab es in einer Zeit, in der E-Mail noch nicht Allgemeingut war. Firmenintern kamen (jenseits vom Host) E-Mail-Programme wie cc:mail, MS-Mail oder MHS-kompatible Produkte zum Einsatz. Die großen Anbieter experimentierten (erfolglos) mit X400. Es benötigte meist diverser Gateways, wenn man mit anderen Firmen über die Unternehmens-E-Mail kommunizieren wollte. Es war das Zeitalter von CompuServe und Novell Netware, das Zeitalter, wo ich extern meist Fax verschickte und wo man mit netzwerkbasierten Faxsystemen gutes Geld verdienen konnte: Direkt aus der Windows-Textverarbeitung ein Fax „drucken“ war damals Hightech und extrem fortschrittlich.

Danach beschäftigte ich mich mit Dokumentenmanagement Systemen (DMS) und mein Arbeitgeber übernahm nach einem kurzen Intermezzo mit den Programm SoftSolutions die Distribution von DOCS Open des Herstellers PC Docs. Im Gegensatz zu den in Deutschland damals schon üblichen Archivsystemen, die in der Neue Markt-Blase in Masse an die Börse gingen und vom weltweiten Erfolg träumten, war DOCS Open auf Dokumentenverwaltung im Office-Umfeld spezialisiert. Das amerikanische Produkt war bei den dortigen Rechtsanwaltskanzleien, die in Masse WordPerfect-Dokumente erstellten, extrem erfolgreich. Die Dokumentenverwaltung war direkt in Office integriert, so dass man aus Word oder Excel direkt Dokumente speichern, verschlagworten, versionieren und per Query-bx-example suchen konnte. Man konnte Links auf in DOCS Open abgelegte Dateien per E-Mail verschicken, so dass zumindest firmenintern keine Anhänge versandt werden mussten. DOCS war im Bereich  Dokumentenverwaltung eine Art Sharepoint oder Quickr lange bevor es diese Produkte gab.

Wir führten es mit bescheidenem Erfolg im deutschen Markt ein. Vielen deutschen Kunden fehlten vor allem zwei wesentliche Funktionen: Integration mit SAP zur Verwaltung von in SAP generierten Dokumenten und vor allem eine den deutschen Gesetzen entsprechende Langzeitarchivierung. Beide Aspekte waren im deutschen Markt Killerkriterien für einen durchschlagenderen Erfolg, aber dem amerikanischen Hersteller trotz Intervention großer deutscher Schlüsselkunden leider nicht zu vermitteln. Noch heute scheinen mir viele Amerikaner nicht zu verstehen, dass eine SAP Unterstützung oft Voraussetzung ist, um überhaupt in Deutschland erfolgreich sein zu können. Das Thema compliance-gerechte Archivierung ist dagegen unterdessen durch Sarbanes-Oxley und andere Regularien wenn auch in anderer Ausprägung in den USA angekommen.

Schließlich landete ich Mitte 2000 bei der FileNet Corporation, einem der weltweit führenden Anbieter von Enterprise Content Management-Systemen. FileNet bot ein breites, integriertes Lösungsportfolio für Archivierung, Dokumentenmanagement und Workflow/Business Process Management an, das gerade auch in Deutschland sehr erfolgreich war (und ist). Auch hier stand im Vordergrund, Dokumente effektiv zu verwalten, einfach wieder zur Verfügung zu stellen und in Prozesse einzubinden (Stichwort Sach- und Fallbearbeitung).

Prägend in Erinnerung geblieben ist mir dabei eine Diskussion mit dem damaligen VP für Product Marketing über die Notwendigkeit, Funktionen zum E-Mail Management zur Verfügung zu stellen. FileNet selbst hatte diese damals nur eingeschränkt und wir mussten auf Lösungen von Business Partnern zurückgreifen. Damit könne man kein Geld verdienen, eine Lizenz zum E-Mail Management koste fast nichts, so besagter VP. Und ich argumentierte, wie wichtig E-Mail unterdessen als Kommunikationsplattform sei und dass E-Mails unterdessen als Dokumente für Geschäftsprozesse wichtig und auch aus Compliance-Gesichtspunkten aufzubewahren seien. Langer Rede, kurzer Sinn: FileNet kaufte dann die Lösung eines Partners und ich bin durchaus ein wenig stolz, dass ich ein klein wenig dazu beigetragen habe.

FileNet wurde dann einige Jahre später von der IBM übernommen und die Produkte sind unterdessen Teil des ECM Lösungsportfolios der IBM. Ich selbst bin in den Bereich Lotus bzw. Collaboration Solutions gewechselt. Und hier hatte ich ein Déja-vu. Ich kam wieder mit Lotus Notes in Kontakt. Vor langen, langen Jahren hatte ich einen Klammeraffen-Kurs auf eine der ersten Notes-Versionen gemacht. Bei der MIS in Darmstadt nutzten wir nach einer Weile Notes als CRM-System, Groupware und E-Mail. Und auch Notes war und ist dafür gedacht, Informationen und Dokumente besser zu verwalten und zur Verfügung zu stellen. Die Replikationsmechanismen sind heute noch unerreicht und erlauben noch immer in vorbildlicher Weise dezentrales Arbeiten, auch wenn man nicht online ist. Der Dokumentenbegriff in Notes ist aus meiner Sicht eher Notes-zentrisch denn auf Dateien aus Textverarbeitung, Tabellenkalkulation oder Präsentationsprogramm fokussiert, obwohl natürlich auch solche Dateien in Notes verwaltet werden können. Produkte wie die Domino-basierte Version von Lotus Quickr sind eine logische Ergänzung von Notes im Bereich dateiorientierte Kollaboration.

Zu Beginn meiner Zeit bei IBM Collaboration Solutions bin ich dann verstärkt in die neue Welt von Social Media und Social Software eingetaucht. Ich habe IBM Connections als soziale Kollaborationsplattform im Einsatz in der IBM oder mit unseren Kunden und Partnern (z.B. auf der EULUC-Plattform) kennengelernt und nutze die Funktionen in jeder Beziehung intensiv, um mich zu vernetzen, Informationen zu teilen und Projekte besser abzuwickeln. Microblogging, Communities, Wikis und Blogs gehören zum täglichen Werkzeug ebenso wie Instant Messaging, integrierte Telefonie und auch weiter noch E-Mail. Neben der internen und kundenbezogenen Nutzung von Connections bin ich unterdessen auch in den allgemein verfügbaren Social Media-Plattformen wie Twitter, Facebook, Slideshare oder Google+ sehr aktiv, um mich sowohl privat mit Freunden und ehemaligen Kollegen wie auch beruflich mit Kunden, Partnern, Influencern zu vernetzen, zu kommunizieren und Informationen zu sharen.

Und ich glaube unterdessen, dass die sozialen Medien mit dem damit einhergehenden Mentalitätswandel einschneidende Wirkung haben könnten. Denn wenn ich ehrlich bin, sind wir bei dem, was Bill Ives oben beschreibt noch immer weitgehend gescheitert. Trotz eines PackRats, trotz DMS und E-Mail Managements, trotz Replikation von Lotus Notes, leben noch immer viele in ihrem Posteingang, in lokal gespeicherten Dateien oder gar in Papierstapeln und Aktenordnern. Natürlich haben wir viele tolle Projekte mit Kunden und auch intern realisiert, die ich gar nicht klein reden will. Doch noch immer kommt auch bei mir Mr. Scott Amber, der mir meldet, dass mein Notes-E-Mailkorb auf dem Server voll sei und ich dringend archivieren solle. Noch immer verschicken Kollegen dicke Dateianhänge, genau so, wie es Bill beschreibt.

Gott sei Dank kommen nun mehr und mehr Mitarbeiter der Facebook-Generation im die Unternehmen, die mit Social Media aufwachsen und diese nutzen. Und Gott sei Dank gibt es auch mehr und mehr „Ältere“, die die Vorteile und den Spaß in und mit Blogs, Wikis und Netzwerken erkennen. Dieser Bewusstseinswandel in Kombination mit dem Erfolg von Facebook, Twitter oder Google+ im öffentlich-privaten Umfeld und der Verfügbarkeit von Social Software wie IBM Connections kann und wird aus meiner Sicht dabei helfen, endlich mehr als einen Schritt weiter zu kommen. Erfolgreiche Leuchtturmprojekte wie connect.BASF oder bei Bayer tragen das ihrige dazu bei. Und wenn ich Connections als Facebook oder Google+ für das Unternehmen vermitteln muss, tue ich das, wohl wissentlich, dass es mehr ist und um mehr geht. Aber die Vorteile von Social Software und Social Business müssen auf einprägsame Weise vermittelt werden. Es wird spannend sein, in wenigen Jahren einmal wieder zurückzublicken und ein Zwischenresumé zu ziehen, ob wir es schaffen, den Weg aus der E-Mail-Inbox zu mehr Zusammenarbeit, Transparenz und Teilen von Wissen zu gehen,

Das Thema ist auch ein zentraler Aspekt des IBM Social Business JamCamps, das ich zwischen dem 19. und 21. Oktober in Frankfurt mit organisiere und zu dem ich nochmals herzlich einladen will. Informationen und Anmeldungen sind hier verfügbar.

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