Von Automatisierung, Gefahr für Arbeitsplätze und Mittelmaß

Die Tage habe ich dank Markus Hohmeier, den ich auf der next in Berlin kennengelernt habe, die Printausgabe des „The European“ bekommen. Ein interessantes Heft, auch wenn mir bei einigen Beiträgen (DDR & BRD) der Hut hochgegangen ist angesichts der doch sehr einseitig ausgewählten Autoren. Interessant, bedenkenswert und diskussionswürdig sind dagegen die Schwerpunkte zu Big Data (dazu später mehr) und Zukunft der Arbeitswelt.

Das Thema Arbeitswelt beschäftigt mich nun seit einiger Zeit nicht nur beruflich. Mein Arbeitgeber – die IBM – hat vor einigen Monaten den HR-Experten Kenexa gekauft, der sich darauf spezialisiert hat, Unternehmen dabei zu helfen, die richtigen Mitarbeiter zu finden, als Arbeitggeber für diese attraktiv zu sein, sie effizient und schnell an Bord zu holen, produktiv zu „schalten“, sie laufend auszubilden und motiviert zu halten. Befragungen zur Mitarbeiterzufriedenheit gehören ebenfalls zum Portfolio. Angesichts der latenten Stellenstreichungen der vergangenen Jahrzehnte gerade auch in Europa war und ist dies für mich eine hochinteressante und motivierende Akquisition: endlich mal der Mitarbeiter im Fokus und nicht nur Kostensenkungen und Personalabbau.

Ein bisserl sehr blauäugig, denn die Controlettis, Produktivitätsverhinderer durch Tabellenwüsten und endlose Genehmigungsprozesse und Stellenstreicher sind weiter am Werk, wie wir latent auch in der Presse bei vielen gerade börsendotierten Unternehmen verfolgen können. Der normale Leser und Arbeitgeber ist sich dabei nie sicher, inwiefern Stellenkürzungen und Kosteneinsparungen wirklich notwendig sind oder ob einmal wieder Quartalsergebnisse und Shareholder Value durch das Dorf getrieben werden und wahres Motiv sind …

Bei solchen Gedanken kamen die Beiträge im „The European“ gerade recht. Beispielsweise wird der Autor von „Automate this“, Christoph Steiner, interviewt und sagt zum Thema Computer und Automatisierung:

Das bedeutet, dass Experten an der Spitze der wirtschaftlichen Nahrungskette weiter an Einfluss gewinnen werden. Ich mache mir Sorgen um alle Menschen, die durchschnittlich gut sind. Ihr Arbeitsplätze sind überall in Gefahr.

Darin liegt eine Krux. Gerade in vielen grossen, gewachsenen Unternehmen sammelt sich meiner Meinung nach Mittelmaß an, Mitarbeiter, die sich gegen Change bewusst oder unbewusst wehren, Veränderung bewusst oder unbewusst in Verteidigung ihrer Jobrolle verteidigen. Ich rede hier primär nicht vom mittleren Management, das meist auch eine Herausforderung darstellt, sondern vom durchschnittlichen, oft ersetzbar erscheinenden, normalen Mitarbeiter. Das klingt sehr arrogant und despektierlich, soll es aber nicht sein. Im Gegenteil: Jeder Jobverlust ist ein persönliches Drama, dass man erst nehmen und zu verhindern versuchen muss. Gerade deshalb haben wir eine soziale Verpflichtung, diese Mitarbeiter weiter zu bilden und zu Change zu ermutigen.

Steiner prophezeit, dass es denen, die mit Algorithmen umgehen können, gut gehen wird. Allen anderen werde es schwer fallen, sich zu behaupten. Als Geisteswissenschaftler läuft mir natürlich da auch ein Schauer den Rücken herunter, doch selbstverständlich glaube ich noch an menschliche Kreativität und Entscheidungskompetenz jenseits reiner Zahlenwerke … Rudy Karzan, der CEO von Kenexa, sagte einmal, dass immer noch das menschliche Hirn der beste Computer sei. Hoffen wir es …

Offen und eine der wichtigsten Aufgabe bleibt es, dem durchschnittlichen Mitarbeiter zu Veränderung und ständiger Weiterbildung zur Joberhaltung zu motivieren. Niemand – auch ich – mag Veränderungen erst einmal, doch glaube ich, dass dies eine, wenn nicht DIE wichtigste, latente Führungs- und Coachingaufgabe ist, das Beste ist, was man tun kann, um Arbeitsplätze zu erhalten. Ich bin nicht blauäugig genug, um zu glauben, dass dies vor allen Stellenkürzungen schützen wird, aber es kann helfen. Wenigstens etwas …
Sowohl „The European“ wie auch „Brand eins“ warnen in ihren aktullen Heften davor, Automatisierung zu verhindern zu suchen. Dies ist immer gescheitert. In der Ankündigung des neuen Heftes schreibt „brand eins“:

Es scheint, so zitiert er den Automationsexperten Kurt Pentzlin, „als ob jede Generation von neuem ihre Angst vor den Maschinen überwinden muss, als ob jede Generation ohne die Erfahrung der früheren sich mühsam die Erkenntnis erarbeiten muss, dass technischer Fortschritt niemals der Feind des Menschen ist, sondern ein guter Freund“.

Na ja, guter Freund vielleicht nicht, aber jemand, mit dem man sich arrangieren sollte. Besser isses …

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