#9vor9: Was passiert nach dem Rausschmiss von Trump?

Heute hatten wir eigentlich keine Wahl bezüglich des Digitalthemas der Woche: Es konnte nur der Rausschmiss von Donald Trump von Twitter, Facebook und Instagram sowie – eigentlich genauso relevant – die Entscheidung von Amazon sein, das sogenannte „Free Speech Social Network“ Parler aus seiner Cloud zu werfen und so zumindest zeitweise komplett stumm zu schalten. Twitter hat vergangenen Freitag mit Verweis auf die Gewalttaten nochmals nachlegt und wohl rund 70.000 Accounts stillgelegt, die überwiegend QAnon-Verschwörungstheorien verbreitet hätten. Hier unser Gespräch:

Zumindest herrschte allenthalben bei der Mehrheit der Beobachter (glaube ich) Erleichterung, dass man Trump gesperrt hatte. Die Kollegen:innen vom geschätzten Social Media Watchblog schreiben in ihrem Briefing #694 (hinter Paywall), dass die Entscheidung richtig gewesen sei, wenn auch zu spät. Das ist genau auch meine/unsere Ansicht. Der Aufruf zum Marsch auf den Capitol Hill hat das Fass einfach zum Überlaufen gebracht, doch hätte man schon lange vorher viel rigider eingreifen müssen. Wer traut sich das gegenüber einem der mächtigsten Männer der Welt? Und wer ist eben „man“? Twitter, Facebook. „die EU“?

Angela Merkel äußert sich kritisch, dass die Chefs der Plattformen quasi über Meinungsfreiheit entscheiden:

In dieses Grundrecht kann eingegriffen werden, aber entlang der Gesetze und innerhalb des Rahmens, den der Gesetzgeber definiert – nicht nach dem Beschluss der Unternehmensführung von Social-Media-Plattformen.

Merkel findet Sperrung von Trumps Twitter-Konten problematisch

Wer entscheidet also, ob und wann jemand in einem sozialen Netzwerk gesperrt oder Nachrichten als falsch oder fragwürdig markiert, gar gelöscht werden? Ist es eben der Betreiber – also Facebook und Twitter – oder der Chef des jeweiligen Unternehmens,z.B. Mark Zuckerberg?

Wenige Menschen kontrollieren die wichtigsten Kommunikationsplattformen der Welt. Eine Handvoll weißer Männer bestimmt, was im Netz gesagt werden darf.

Plattformen sind mächtiger als viele Regierungen, Konzerne kontrollieren den Zugang zu Informationen und ziehen die Grenzen der Redefreiheit.

Twitter sperrt Trump, Facebooks Hardware-Ambitionen, Twitter kauft Breaker, Umbau von Facebook Pages

Muss es nicht eine übergeordnete Kontrollinstanz geben, die ermächtigt und anerkannt ist, in bestimmten zu definierenden Fällen zu handeln. Diese Fragen werden uns sicher in 2021 ganz besonders beschäftigen. Julia Reda ermutigt auf netzpolitik.org dazu, den Digital Services Act und den Digotal Marketing Act der EU als Chance zu begreifen, die Plattformen zu regulieren. Uncd korrekterweise schreibt sie auch, dass der Teufel im Detail steckt. Wohl wahr, aber wir werden nicht darum herum kommen, uns als Zivilgesellschaft und auch diejenigen, die das Web eigentlich lieben, mit diesen Details auseinander zu setzen. Bei aller Befriedigung, dass Donald Trump gerade einmal die Schnauze halten muss (sorry für diese Formulierung), muss die oben angerissene Debatte geführt werden. Das wird nicht einfach, ist aber unumgänglich.

Machen wir uns nichts vor. Donald Trump – hier einmal verwendet als Synyom für Verschwörungstheoretiker, Hassprediger und Polarisierer – wird nicht die Schnauze halten, wie auch wir im Talk behandelt haben:

Trump und sein Publikum werden sich auf alternative Plattformen zurückziehen und eine sozialmediale Parallelwelt erschaffen, die noch weiter von der Realität abgekoppelt ist als die Echokammer, in der sie bislang auf Twitter und Facebook kommunizierten.

Twitter sperrt Trump, Facebooks Hardware-Ambitionen, Twitter kauft Breaker, Umbau von Facebook Pages

Das besonders Schlimme und Bedrückende daran ist, dass es Trump und Konsorten gelingen mag, eine alternative Plattform mit einer kritischer Masse an Anwendern:innen zu schaffen. Das haben die Verfechter eines freien Netzes bisher vergeblich versucht. Der Versuch, freie alternative Plattformen zu schaffen, war leider immer wieder ein Rohrkrepierer oder hat nie genug Nutzer:innen angezogen. Fragt sich, ob es noch Sinn macht, diese Debatte um alternative freie Plattformen zu führen oder sich besser auf oben diskutierte Regulierung der vorhandenen Social Media-Universen konzentriert und bei potentiell neue entstehenden Plattformen gleich rigide Regeln, die eben für alle gelten, anwendet.

Zum Abschluss der heutigen Sendung habe ich dann noch einen virtuellen Schneeball nach Siegburg geworfen, da der Lars leider kein positives Schlusswort sprechen wollte. Nochmals: Aufgeben zählt nicht.

Schneetreibenin Ewerschtt während am 12.1.2021. Kirchturm und Frankenstein sind leider nicht zu sehen.

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Bild von LoggaWiggler auf Pixabay

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