#9vor9 an 16.2.2021: Wie Sportereignisse digital „angereichert“ werden & Digitalisierung und Schule

Es ging heute um Fußball und Schule, bei den Digitalthemen der Woche bei mit Lars und mir. Werder-Fan Lars, Sky-Abonnent, sprach darüber, wie alte Männer wie vor 30Jahren linear fernsehen, maximal den Second Screen bedienen, um beispielsweise zu zwitschern. Und er zitierte die Vision von Mark Cuban (Eigentümer des Profibasketball-Teams der Dallas Mavericks aus einem Gespräch mit der New York Times), wie „die Jungen“ auf TikTok sind und dort dynamisch hier und da plötzlich Liveszenen zugespielt bekommen. Ob ich letzteres brauche? Ich glaube es nicht.

Aber ganz sicher hält die Digitalisierung auch in der Sportberichterstattung Einzug. Ich musste an die vielen mehr oder weniger klugen Analysen denken, die meist nach einem Spiel dann beispielsweise in einer Sportschau oder einem Sportstudio durchgeführt werden, mit entsprechender Interaktion und Visualisierung. Live passiert dagegen in puncto Datenauswertung und -visualisierung noch nicht so sehr viel, meinte Lars und verwies auf eine Folge des Rasenfunk-Podcasts, in dem erläutert wird, welche „Qualitätsstandards“ die DFL an die produzierten Bewegtbilder anlegt und warum eben nicht so viel mit eingeblendeten Grafiken gearbeitet werden darf. Vielleicht holen wir uns ja mal Maurice Gundt von Live Directors ins Studio, der bei der TSG Hoffenheim die Stadionregie macht und die dortige Leinwand bespielt. Der weiß sicher sehr gut, was technisch alles möglich wäre.

Ich musste unwillkürlich an Wimbledon denken, wo mein Arbeitgeber IBM zusammen mit den Organisatoren ja nun Jahr für Jahr das ultimative Fanerlebnis schaffen will. Datenanalyse, künstliche Intelligenz, mobile Apps, all das kommt zum Einsatz. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz werden beispielsweise die Highlights der Matches herausgesucht. Die Spieler und Trainer bekommen in einem personalisierten Portal Daten über ihre Performance zur Verfügung gestellt. Es geht ganz offensichtlich noch eine Menge.

Mein Digitalthema der Woche ist die Digitalisierung in den Schulen. Hier empfehle ich den Beitrag von Jakob von Lindern auf Zeit Online, der die derzeitige Situation analysiert und entsprechende Experten zu Wort kommen lässt. Die derzeitigen Systeme – meist in Zeiten vor der Pandemie entwickelt, vor allem aber aufgesetzt – sind ganz offensichtlich derzeit nicht in der Lage, die schiere Masse an Schülerinnen und Schülern, die gleichzeitig online gehen wollen, zu bewältigen. Ein großer Teil der IT müsste grundlegend anders ( z.B. mir mehr Instanzen) aufgesetzt werden, um skalieren zu können. Hinzu kommt einmal mehr Kleinstaaterei. Jedes Bundesland muss mal wieder sein eigenes Süppchen kochen. Statt also gemeinsam eine auf Open Source basierende Plattform aufzusetzen, die skalierbar ist, wird scheinbar vor sich hin gewurschtelt.

Kein Wunder, wenn dann einige Eltern und auch Lehrer:innen dann einfach mal dazu übergehen, Microsoft Teams oder auch Zoom zu benutzen, denn diese Systeme – trotz gelegentlicher Ausfälle – sind skalierbar. Sie sind für Massen an Anwendern:innen gebaut. Also wieder einmal ein Lock-In bei US-Monopolisten, weil die es ja so gut können und wir es nicht gebacken bekommen. Entsprechende Aussagen findet man allzu oft und mir geht dabei der Hut hoch. Oder wie es Jakob von Lindern schreibt:

Statt jetzt hektisch teure (und datenhungrige) Software zu kaufen, die man später nicht mehr braucht, könnte die Energie darauf verwendet werden, das Klein-Klein der verschiedenen Lösungen in Deutschland zusammenzuführen und sie fit für die Zukunft nach der Pandemie zu machen.

Digitalisierung an Schulen: 404 – Arbeitsblatt not found | ZEIT ONLINE

Braucht es vielleicht doch das Digitalministerium? Aber hätte das die Macht, die ja ach so unabhängigen Bundesländer, die für Bildung zuständig sind, zu „vereinigen“ und zu „befrieden“? Oder soll man einfach mal wieder kapitulieren? Das Thema deutsche oder europäische Schulcloud kann man durchaus in breiterem Kontext sehen. Gaia-X und andere Initiativen sind ja im Schwange. Statt Microsoft und Konsorten Millionenbeträge in der Rachen zu schmeissen, wäre jetzt halt entschlossenes Handeln statt besagter Kleinstaaterei gefragt. Gerade jetzt. Doch wer nimmt das Zepter in die Hand und ergreift die Initiative?

Auch zu diesem Thema wollen wir gerne Experten einladen: In „meiner“ digitalen Heimatstadt Darmstadt scheint es ein erfolgreiches Projekt zu geben. Dort stellt man das Videokonferenzsystem Big Blue Button (Open Source) zur Verfügung und laut Bericht greifen 6.000 Anwender:innen zeitgleich zu. Es scheint also doch zu gehen. Wir werden mal bei der Digitalstadt nachhaken.

Nachtrag 16.2.2021: (Auch) Chaos macht Schule fordert, nachhaltig umgesetzte, nicht von kommerziellen Anbietern abhängige Lösungen

Nach der Sendung bin ich auf diesen Beitrag auf der Seite des Chaos Computer Clubs gestoßen, der inhaltlich in das gleiche Horn stößt. Wundert nicht wirklich, dass das CCC-Bildungsprojekt Chaos macht Schule (CMS) ebenfalls fordert, nachhaltig umgesetzte, nicht von kommerziellen Anbietern abhängige Lösungen zu implementieren. Auch hier die Forderung danach, mehr zentral zu steuern und dann dezentral zu gestalten.

Über viele Jahre wurde freie Software von der öffentlichen Hand vernachlässigt. Millionen an Steuergeldern wurden für Lizenzkosten für intransparente Software verwendet, statt bestehende Gemeinschaftslösungen besser zu integrieren und in der Bedienbarkeit zu vereinheitlichen.

CCC | Lockdown ohne Lock-in: CMS fordert nachhaltige Lernplattformen

Nachtrag 2, 18.2.2021 : „Schul-Clouds aller Art sind Rohrkrepierer“ & Microsoft Teams in Schulen

Dr. Dietmar Müller hat das Thema auch nochmals auf Cloud Computing-Insider aufgegriffen. Lesenswert. Mir fällt natürlich eine Zwischenüberschrift besonders auf: „Schul-Clouds aller Art sind Rohrkrepierer“. Ein Armutszeugnis. Von der u.a. von Bitkom-Chef Berg geforderten nationalen Bildungsplattform sind wir auf jeden Fall weit entfernt, gar nicht zu reden davon, dass vom Bund initiierte Projekte eher selten erfolgreich seien, fragt Dietmar Müller und dankt den Leher:innen und Schüler:innen, die trotz aller Widrigkeiten das Beste versuchen. Hier befindet sich sein Beitrag.

Hinweisen möchte ich auch einen weiteren Beitrag von Jakob von Lindern, in dem er sich dem Thema Microsoft Teams in Schulen widmet. Man könnte den Beitrag unter die Überschrift laufende, stabile Lösung versus Datenschutz- und Abhängigkeitsbedenken. Eine typische Aussage in diesem Zusammenhang: „Viele Beobachter nervt die Datenschutzdiskussion, weil jetzt in Schulen besonders richtig gemacht werden soll, was privat überall genutzt wird.“

Klar ist für mich, dass möglichst eine unabhängige, skalierbare Schulcloud nur dann funktionieren kann, wenn mit der Herumstümperei und Kleinstaaterei bald Schluss ist. Sonst wird man eben bei Microsoft und Konsorten landen. Und da teile ich sowohl Datenschutz- wie auch Abhängigkeitsbedenken. Von Product Placement und Gewöhnung an gewisse Werkzeuge gar nicht zu reden. Mut macht die derzeitige Situation mir jedenfalls nicht.

P.S. Ich kopiere den Teil zu Digitalisierung und Schulen nochmals in einen separaten Blogbeitrag, da mir scheint, dass dieses Thema fortgeschrieben wird und es weitere Nachträge geben könnte.

(Stefan Pfeiffer)

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