A triptych in the style of Otto Dix. The left panel depicts a traditional German carnival celebration with people wearing costumes and masks. The middle panel is a political speech in the German Reichstag. The speaker is standing at a podium while the audience listens. The right panel is a demonstration for democracy with the text "Demokratie" and "Freiheit". The panels are connected by recurring symbols and characteristic Dix'sche coloration with golden highlights. The colors match the German flag.

Wider den tierischen Ernst: Wenn Kaiser Karl und Politiker:innen Demokratie verteidigen

Meine Zeiten als Karnevalist und Protokoller in der Bütt meines Heimatdorfs sind lange vorbei, und in der Regel mache ich seitdem einen großen Bogen um die Karnevalssitzungen im deutschen Fernsehen (und auch im realen Leben). Zu viel Geschunkele, nicht meine Musik und viele Büttenreden sind so na ja. Eine Ausnahme ist spätestens seit der Zwergen-Rede von Marie-Agnes Strack-Zimmermann die Aachener Sitzung mit der Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst. Ritter Fritze Merz und viele CDU’ler sind noch immer sauer, hört man. Humor ist …

Nun sind wir am Mittwoch im WDR über die Aufzeichnung gestolpert und hängen geblieben. Und ja, es waren einige Highlights dabei. Highlights, weil Politikerinnen und Politiker mit scharfer Zunge, Toleranz für Andersdenkende und Humor in die Bütt gegangen sind, darunter Gregor Gysi, eh ein brillanter Rhetoriker, und besagte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (ab Minute 28:33). CDU-Ministerpräsident Daniel Günther (ab 2:16:30) hielt die Laudatio auf den neuen Ordensträger, den SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil.

Dessen meiner Meinung nach gute und humorvolle Rede beginnt bei 2:39:11 und ich möchte eine Passage daraus zitieren, weil es mir wie ihm ergangen ist. Leider geht es dabei um nicht so Humorvolles:

Ich finde, wir haben in Deutschland genug Erfahrung mit rechtsextremen Verirrungen gemacht. Da müssen keine neuen dazukommen. Zumindest hätte ich auf die Erfahrung letzte Woche im Bundestag verzichten können. Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, aber als ich die johlenden Gesichter und Stimmen der AfD im Parlament gesehen und gehört habe, da lief mir das schon eiskalt den Rücken runter.

Lars Klingbeil in seiner Rede anäßlich der Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst 2025

Sorry, das Thema ist ernst, aber genau so etwas muss auf einer Karnevalssitzung auch ausgesprochen werden.

Nein, man kann nicht über jede Pointe oder parteipolitische Spitze lachen. Auch mag man den gemeinsam von allen Politikerinnen und Politikern gesungenen Abschiedssong Atemlos nicht gut finden, aber die unsäglichen Kommentare auf YouTube sind unter aller Kanone – wie so oft auf YouTube.

All diese Reden sind hörenswert, humorvoll und spiegeln ein gemeinsames demokratisches Grundverständnis wider. So sollte es bei allen verschiedenen Positionen und Meinungen sein. Respekt für den politisch Andersdenkenden und über sich selbst lachen können – und gemeinsam gegen die Bedrohung von Rechtsradikalen und Oligarchen eintreten.

Neben den genannten Politikerinnen und Politikern möchte ich den neuen Kaiser Karl Wolfgang Trepper erwähnen, der aus meiner Sicht eine sehr gute Rede gehalten hat, mit einem flammenden Schlusswort an uns, an uns alle, gemeinsam für die Demokratie.

Es ist ja gut und schön, wenn es ein paar Politikerinnen und Politiker gibt, die noch richtig Mumm haben, die Klartext reden und trotzdem menschlich bleiben. … Man kann sich nicht vor dem Fernseher zurücklehnen und denken, sie machen das schon.

Nein, sie schaffen es nicht alleine. Ihr müsst alle Eier haben. Ihr Bürgerinnen und Bürger, ihr Wählerinnen und Wähler. Ihr müsst im Alltag und am Wahltag an jedem Tag des Jahres für mehr Menschlichkeit und mehr Gerechtigkeit eintreten.

Ihr dürft das Wesentliche nicht vergessen und darüber nicht streiten. Ihr dürft die Menschlichkeit nicht verlieren. Ohne Menschlichkeit kein Zusammenhalt. Und ohne Zusammenhalt ist der Mensch allein. Und allein ist er nichts. Und irgendwann ist jeder von euch dann einmal dieses Nichts. Haltet zusammen, alle Bewohner Ahrens, alle Bewohner Deutschlands, Europas und der Welt.

Die gesamte Rede ist ab 2:02:12 zu hören, das von mir gelobte Schluss-Appell für Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Zusammenhalt beginnt bei 2:13:10.

Noch eine Schlussbemerkung: Selbst sprechend, wenn die ARD nicht – in Anlehnung an Kaiser Karl – den Mut hatte, die Sitzung im Hauptprogramm zu übertragen. Noch sprechender, wie viele Politiker die Hosen voll hatten und sich nicht nach Aachen in den Saal trauten, darunter viele Ordensträger, die diesen Orden aus meiner Sicht eigentlich nicht verdient haben.


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