The logo of the "Fediverse" decentralized social network is displayed prominently. gradient backdrop, reminiscent of a digital network. A blue, overlaid with a web of interconnected nodes and lines symbolizing digital connections. Below the flag, an envelope icon sits alongside other symbols including a stylized "i" and a "p", all rendered in a light blue hue, alongside the phrase "Digitale Souveränität. "

Mehr als Rentnersocial: Unis und Mediatheken sollen Fediverse bekannt machen #9vor9

Und wieder eine Folge von , die unter großem Leitthema mehr Unabhängigkeit von US-Tech-Konzernen und digitale Souveränität für Deutschland und Europa steht. Leonhard Dobusch ist zu Gast bei . In einer Zeit, in der die Dominanz großer Tech-Konzerne die demokratische Meinungsbildung zunehmend gefährdet, wirbt er vernehmbar für alternative digitale Infrastrukturen. Der Organisationsforscher und ehemalige ZDF-Gremienmitglied, der kürzlich zum ORF-Stiftungsrat gewechselt ist, sieht im Fediverse und in der Öffnung der öffentlich-rechtlichen Mediatheken zentrale Bausteine für eine demokratische Digitalzukunft.

“Wir haben nicht ewig Zeit”, warnt er eindringlich und verweist dabei auf drei miteinander verzahnte Krisenphänomene: die Zerstörung demokratischer Diskussionskultur durch kommerzielle Plattformen, die daraus resultierende Unfähigkeit, globale Herausforderungen wie die Klimakrise zu bewältigen, sowie den weltweiten Aufstieg rechtsradikaler Bewegungen, die öffentlich-rechtliche Medien als Feindbild definieren.

Dezentrales Netzwerk für Old Men und Freaks?

Doch natürlich stellt sich eine zentrale Frage: Wie viel Zeit haben wir, dass sich Alternativen entwickeln? Und wer kennt das Fediverse? Wenn Lars oder mich mit unserem Fediverse T-Shirt spazieren gehen, ernten wir nur verständnislose Blicke. Während sich 1,6 Millionen Menschen im Fediverse tummeln, vergnügen sich Milliarden auf Plattformen von Meta, X und anderen Tech-Giganten, die unsere Demokratie systematisch zerlegen. Drei ältere Männer schwärmen beim von dezentralen Netzwerken, während die Jungen auf YouTube und TikTok sind.

Dobusch warnt zurecht: “Wir müssen aufpassen, dass wir das nicht zu einer Generationen-Rentnersocial machen.” Es braucht vor allem attraktive Inhalte, die für jung und alt interessant sind. Dabei muss die Technik des Fediverse gar nicht für alle verständlich sein. Genau wie E-Mail. Wer weiß schon, wie E-Mail funktioniert? Niemand. Trotzdem nutzt es jeder. Dobusch verweist auf die historische Rolle der Hochschulen bei der Verbreitung von E-Mail und sieht darin ein Vorbild für das Fediverse. Wenn man die Fediverse-Instanzen der Unis noch den Studierenden öffnen, kämen auch mehr junge Leute in Kontakt mit Pixelfed, Peertube, Element. Friendica, Mastodon und all den Werkzeugen des Fediverse.

Unis und Forschung sollen Fediverse bekannt machen

Derzeit ist das Fediverse noch ein Nischenprojekt, doch Dobusch sieht darin bewusst keinen Nachteil. Er vergleicht die aktuelle Situation mit der Frühzeit des Internets: “Das Fediverse versprüht early Internet Vibes“. Das Internet kam von Unis, war nicht kommerziell, und sah hässlich aus. Diese Parallele ist bewusst gewählt, denn sie verdeutlicht das Potenzial dezentraler Strukturen, die sich organisch entwickeln können. Universitäten und Forschungseinrichtungen könnten als Katalysator erneut eine wichtige Rolle spielen.

An der Universität Innsbruck, wo Dobusch tätig ist, funktioniert dieses Konzept bereits: 5.000 Beschäftigte können sich mit ihrem regulären Uni-Account ins Fediverse einloggen. Diese Single Sign-On-Lösung eliminiert eine der größten Hürden für die Fediverse-Nutzung – die komplizierte Registrierung und Instanzwahl.

Kritische Masse heißt nicht 90 % aller Nutzenden erreichen

Dobusch sieht Universitäten und andere Bildungsinstitutionen als Schlüssel, um eine kritische Masse zu erreichen: Sie können nicht nur Instanzen betreiben, sondern auch „Menschen mitbringen“ und so das Netzwerk beleben. Erst durch die breite Nutzung an Unis wurde E-Mail zum Massenmedium. Die kritische Masse ist für Dobusch nicht nur eine Frage der Nutzerzahl, sondern auch der aktiven Beteiligung und der Qualität des Austauschs. Erst wenn genügend Menschen und Institutionen teilnehmen, entfaltet das Netzwerk seinen gesellschaftlichen Wert. Kritische Masse heißt dabei nicht, dass die Mehrheit der Bevölkerung im Fediverse sein muss, doch muss es eine erkleckliche Anzahl an Nutzerinnen und Nutzern geben.

Durch ARD/ZDF-Mediatheken Inhalte und Leute ins Fediverse bringen

Noch vielversprechender hinsichtlich einer möglichen kritischen Masse und vor allem attraktiver Inhalte, ist die Entwicklung rund um die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Medien. Dort vollziehe sich ein bemerkenswert schneller Wandel, der in der öffentlichen Wahrnehmung oft untergehe. Innerhalb weniger Jahre haben sich die Anstalten von zehn eigenständigen Mediatheken zu einer gemeinsamen Plattform entwickelt, Single Sign-On über Sendergrenzen hinweg eingeführt und mit dem Streaming OS eines der größten Open Source-Projekte Deutschlands initiiert.

Der Public Spaces Incubator, ein internationales Forschungsprojekt unter Beteiligung von ARD und ZDF, entwickelt derzeit drei innovative Prototypen für demokratische Online-Diskussionen. Der “Comments Slider” ermöglicht nuancierte Meinungsäußerungen jenseits binärer Ja/Nein-Entscheidungen, die “Public Square View” schafft gemeinsame Erlebnisse für junge Zielgruppen, und “Representing Perspectives” etabliert rollenbasierte Diskussionsformate. Das Revolutionäre an diesen Ansätzen ist ihre geplante Integration ins Fediverse über das ActivityPub-Protokoll.

Die Vision der offenen Mediatheken

Dobuschs zentrale Forderung zielt auf eine grundlegende Öffnung der Mediatheken ab. Millionen Menschen loggen sich täglich in die ARD- und ZDF-Mediatheken ein, werden aber für Diskussionen über Inhalte zu kommerziellen Plattformen wie YouTube weitergeleitet. Diese Logik kritisiert Dobusch als kontraproduktiv: Statt die Nutzer wegzuschicken, sollten die Mediatheken selbst zu lebendigen Diskussionsräumen werden.

Seine Vision geht weit über einfache Kommentarfunktionen hinaus. Er schlägt ein mehrstufiges Öffnungskonzept vor, das von der Einführung von Kommentarmöglichkeiten über nutzergenerierten Playlists bis hin zur Integration von Inhalten aus Kultureinrichtungen und Universitäten reicht. Diese Entwicklung würde die Mediatheken von Netflix-Kopien zu einem öffentlich-rechtlichen Pendant zu YouTube transformieren – allerdings ohne die toxische Kommentarkultur kommerzieller Plattformen.

Dobusch macht keine falschen Versprechungen über die Geschwindigkeit dieser Transformation. Er gesteht ein, dass “die Ungeduld berechtigt ist”, betont aber gleichzeitig die enormen Fortschritte der letzten Jahre. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten haben diese Entwicklungen “im laufenden Betrieb ohne zusätzliches Geld” gestemmt, während sie gleichzeitig mit Beitragsstagnation und politischem Druck umgehen mussten.

Was ist jetzt zu tun?

Aus Dobuschs Analyse ergeben sich klare Handlungsempfehlungen für verschiedene Akteure. Universitäten sollten eigene Mastodon-Instanzen aufbauen und ihren Mitgliedern den Zugang zu dezentralen Netzwerken ermöglichen. Die öffentlich-rechtlichen Medien müssen ihre Mediatheken für Fediverse-Kommentare öffnen und ihre Open Source-Initiativen vorantreiben. Bürger wiederum können ihre Communities zum Fediverse-Einstieg motivieren und konstruktive Forderungen an die öffentlich-rechtlichen Medien stellen.

Die Botschaft ist klar: Digitale Souveränität entsteht nicht von selbst, sondern erfordert bewusste Entscheidungen und gemeinsame Anstrengungen. Das Fediverse mag heute noch ein Nischenprojekt sein, aber es könnte der Grundstein für eine demokratische Digitalzukunft werden – wenn die relevanten Akteure jetzt handeln, bevor das Zeitfenster sich schließt. “Durchs Reden kommen die Leute zusammen”, sagt er zum Abschluss. Bei uns in Hessen heißt das, wir „babbeln“ mal zusammen – passt auch.

Mastodon statt Tech-Monopole: Wie öffentlich-rechtliche Medien das Fediverse für sich nutzen können #9vor9 – Die Digitalthemen der Woche

Wir freuen uns sehr, in dieser Episode den Organisationsforscher und digitalen Vordenker Leonhard Dobusch begrüßen zu dürfen. Wir sprechen mit ihm über das Fediverse – ein dezentrales soziales Netzwerk, das auf offenen Standards basiert. Dobusch, in Deutschland bekannt aus dem ZDF-Fernsehrat und durch seine Kolumne auf netzpolitik.org, erklärt, warum Universitäten, öffentlich-rechtliche Medienhäuser und andere Institutionen eine Schlüsselrolle bei der Demokratisierung digitaler Kommunikation spielen könnten. Themen der Episode sind: – Warum das Fediverse "Early-Internet-Vibes" versprüht – Welche Rolle ARD, ZDF und ORF als dezentrale Akteure einnehmen können – Wie Mediatheken mit offener Kommentarstruktur zur Fediverse-Brücke werden könnten – Warum digitale Souveränität kein Nischenthema ist, sondern politisch hoch relevant und der Aufbau offener digitaler Räume gerade jetzt so dringend ist – Wie wir alle dazu beitragen können, diese alternative Netzwerkinfrastruktur zu stärken

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2 Antworten zu „Mehr als Rentnersocial: Unis und Mediatheken sollen Fediverse bekannt machen #9vor9”.

  1. […] Drei mehr oder weniger ältere Herren (bin ja auch schon alt) diskutieren engagiert über das Fedive… Die Analyse klingt überzeugend, der Ton ist dringlich, der Habitus: ein wenig ratlos, ein wenig rettend. […]

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  2. Sowohl Leonhard Dobusch als auch ich haben bei Gunnar kommentiert. Mein Kommentar ist mal wieder nicht erscheinen. Wahrscheinlich hat mich WordPress mal wieder in dem Spam-Ordner geschickt. Hier meine Gedanken:

    „Yes, Sir. Technik ist wichtig, aber nicht genug. Und das kann man im Gespräch mit Leonhard Dobusch nachhören und in unzähligen Beiträgen (nicht nur) in meinem Blog nachlesen. Wir brauche interessante Inhalte und relevante Player. Das können die Universitäten und Forschungseinrichtungen sein. Die Öffnungen der Mediatheken wäre ein weiterer wichtiger Schritt. Beides Vorschläge von Leonard Dobusch, die ich ausdrücklich begrüße. Ich habe immer wieder gefordert, dass zum Beispiel Verlage mal ihre Chance begreifen sollte, aber die kämpfen Kämpfe des 19. Jahrhunderts und ziehen lieber ihre Paywalls hoch.

    Wir kennen und schätzen uns (denke ich): Was mir extrem auf den Senkel geht, ist dass viele Internet-Vordenker und -Fuzzis nur über das Fediverse, die Fedi-Polizei und was weiß ich nicht rum mosern und sich konstruktiver Beteiligung am Fediverse verweigern, statt angesichts von Trump, Musk und Zuckerberg sich genau jetzt zu engagieren. Das wäre genau jetzt die richtige Reaktion. Aber lieber wir gemotzt.

    Und da schließt sich der Kreis: Genauso war es auch, als das Internet entstand, dezentral mit Engagement vieler, die irgendwann den Nutzen verstanden haben. Um den Nutzen zu verstehen, müssen wir alle gemeinsam begeistern.

    In diesem Sinne!“

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