Das Collaboration-Paradoxon: Mehr Werkzeuge generieren mehr Informationssilos

Vor einigen Wochen habe ich über die Probleme geschrieben, die wir weiterhin mit Collaboration-Werkzeugen haben: Wir haben heute viele Plätze und Werkzeuge, mit denen wir zusammenarbeiten und kommunizieren: Telefon, Videokonferenzen, Dokumentenablagen, Wikis, Communities, Messenger, Projektmanagement-Tools, E-Mail, externe soziale Netzwerke. Fast jedes dieser Werkzeuge hat auch eine Benachrichtigungsfunktion, einen „Posteingang“ oder aber sendet eine Benachrichtung per E-Mail. Wir haben offenbar zu viele Tools. Das hat nun auch Brad Grissom von Microsoft in einem Artikel auf CMSWire aufgegriffen. Er spricht vom Collaboration-Paradoxon:

The collaboration paradox is the more tools we have for collaboration, the less connected we become. Unfortunately, many organizations and their users find themselves inflicted with the collaboration paradox.

über 3 Symptoms of a Fragmented Collaboration and Communication Ecosystem

Vor allem fehlt uns noch immer ein gemeinsames Verständnis zwischen Mitarbeitern und in Unternehmen, welches Werkzeug und welchen Kanal wir für welche Kommunikation und Zusammenarbeit wie nutzen. Daran haben die Messenger auch nichts geändert. Das Chaos ist weiter perfekt. Der/die eine „messengen“, der/die zweiten rufen an und der/die dritten kommentieren im internen sozialen Netzwerk. Statt besser zusammenzuarbeiten, schaffen wir nur noch mehr Silos, meint auch Grissam:

Simply put, conversation fragmentation is when conversations are happening across a multitude of applications and services that aren’t integrated and don’t talk to each other. Conversations live only in the silo where they were created. I suppose this is just a different way to say that it creates information silos, albeit with a communication-centric spin.

über 3 Symptoms of a Fragmented Collaboration and Communication Ecosystem

Oft entscheiden die persönlichen Vorlieben und ich ertappe mich selbst dabei, dass ich dann doch wieder eine E-Mail schreibe, weil ich mir nicht sicher bin, ob der ein oder andere Kollege regelmäßig und zeitnah in den entsprechenden Workspace in Slack hinein schaut. Die entsprechende Information lebt so mindestens zweimal. Gar nicht davon zu reden, ob und wie man die unterschiedlichen Bearbeitungsstände jemals noch zusammen bekommt.

Das Thema Collaboration beschäftigt mich nun seit gut 30 Jahren. Ich erinnere mich daran, wie Modems noch piepsten und ein AOL/Compuserve-Account cool waren. Ich erinnere mich an die ersten E-Mail-Systeme für Unternehmen, an cc:mail, MS-Mail, Beyond Mail oder DaVinci Mail und den nachfolgenden Siegeszug von Lotus Notes und Microsoft Exchange. Mit Dokumentenmanagement-Systemen versuchten wir, die Zusammenarbeit an und mit Dokumenten zu verbessern. Groupware wie Lotus Notes mit unzähligen Apps waren eine weitere Welle.

Begeistert bin und war ich von Enterprise Social Networks wie IBM Connections als einer zentralen Stelle zur Zusammenarbeit. Nun erlebe ich den Hype rund um WhatsApp-ähnliche Messenger, um Slack, Microsoft Teams oder ähnliche Tools. Doch was ist geblieben? E-Mail ist noch immer der geringste gemeinsame Nenner und wird – so meine Prognose – auch in nächster Zukunft weiter dominieren.

Wo ist der integrative Ansatz, der Traum von der universellen Inbox, besser einer integrierten Arbeitsumgebung, in der verschiedene Dienste von E-Mail über Messenger bis zum Teilen von Dokumenten smart integriert sind und zusammen laufen? Wie erreichen wir nur endlich mehr Transparenz und Effizienz, vor allem auch eine Übereinkunft zwischen Mitarbeitern in Kommunikation und Zusammenarbeit? Oder müssen wir mit dem beschriebenen Collaboration-Paradoxon, mit der Fragementierung von Kommunikation und Zusammenarbeit leben und auf die nächste Welle von Tools warten, mit der dann wieder alles besser wird?

(Stefan Pfeiffer)


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Comments

5 Antworten zu „Das Collaboration-Paradoxon: Mehr Werkzeuge generieren mehr Informationssilos”.

  1. Schade, dass IBM nicht die Kraft (*sigh*) oder den Willen hatte, Connections, Verse und Sametime zu integrieren und genau das zu bauen, was du hier im letzten Absatz erträumst.
    Jetzt schauen wir mal, was die Zukunft bei diesen Tools so bringt 🙂

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  2. Deswegen bin ich weiterhin ein absoluter Fan von Connections. Ich verstehe die Kritik an der schlechtern Erweiterbarkeit, aber der Wildwuchs der verschiedenen Werkzeuge (selbst innerhalb einer Suite wie Microsofts Office 365) zeigt, wie gut und wertvoll der integrierte Ansatz von Connections war. Wer weiss, vielleicht macht HCL ja tatsächlich was draus. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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  3. Hallo Stefan, danke für deinen Artikel. Wir nutzen bei der OstseeSparkasse Rostock auch IBM Connections. Und ich muss sagen, dass ich das Problem, so wie du es beschrieben hast, auch sehr gut kenne. Wir haben schon darüber nachgedacht, ob wir feste Guidelines an die Mitarbeiter geben sollen, in denen geregelt ist, welche Kanäle für welchen Zweck verwendet werden sollen/dürfen. Dann haben wir aber wieder gesagt, dass die Mitarbeiter es selbst entscheiden sollen. Allerdings führte das dazu, dass wir heute einen Wildwuchs haben, wie du ja auch beschrieben hast. Wir haben nach wie vor viele Kollegen, die E-Mail schreiben und im ESN unterwegs sind. Und dann sucht man am Ende die Informationen und weiß gar nicht wo man anfangen soll. Schwierig.

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  4. […] schon an zu zucken. Aber die Herausforderung ist da und ich habe sie in meinem Beitrag zum Collaboration-Paradoxon angesprochen: Mehr Werkzeuge scheinen mehr Informationssilos und immer neue Posteingangskanäle zu […]

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  5. […] Aber machen WhatsApp, Slack, Teams und Co. alles nur noch schlimmer? Ganz sicher haben wir heute keinen Mangel an Werkzeugen, über die wir zusammenarbeiten und kommunizieren: Telefon, Videokonferenzen, Dokumentenablagen, Wikis, Communities, Messenger, […]

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