Lesetipp Digitalisierung: Von harter Arbeit, Mut zum Üben um dem Fluch der zu frühen Geschäftsidee – Kommentar zu Günter Dueck

Leider habe ich ihn während der Think at IBM in Berlin verpasst, den Gunter Dueck, ehemaliger Kollege bei der IBM, Querdenker, „Wild Du(e)ck“ und heute gefragter Sprecher und Kolumnist. Hier findet Ihr das Livestudio-Interview mit Petra Bührer, Gunter Dueck und Gunnar Sohn. Doch ein bisschen Dueck bekomme ich immer mal mit durch seinen Blog und Newsletter oder wie diesmal über ein Artikel, den er zum Thema Digitalisierung für die iX geschrieben hat.

Und in vielen seiner dort getroffenen Aussagen finde ich mich natürlich wieder. Viele der durchscheinenden Frustrationen teile ich. Gerade als jemand der etwas älter ist, sich aber noch ganz fit im Hirn fühlt und durchaus auch mal Ideen hat, finde ich die allenthalben praktizierten Trend, vor allem die „Älteren“ (Dueck spricht von Menschenballast) zu entsorgen, extrem fragwürdig, aber die Quartalszahlen müssen halt stimmen. Jüngere sind billiger und haben vermeintlich die Skills, die man im digitalen Zeitalter braucht. Vermeintlich: Kreative Ideen haben meiner Ansicht nicht unbedingt etwas mit Alter zu tun.

Dabei geht man dieses digitale Zeitalter meist gar nicht konsequent an. Design Thinking-Workshops werden veranstaltet, die Mitarbeiter zu agilen Methoden verpflichtet. Oft sind diese Initiativen aber eher ein Deckblatt für mehr Kontrolle und höheren Leistungsdruck. „People don’t do what you expect, but what you inspect“, hat der ehemalige IBM-Chef Lou Gerstner wohl einmal gesagt. Und so kann der tägliche oder wöchentliche Standup durchaus dazu dienen, die Schrauben noch weiter anzudrehen und den Druck auf die oder den Einzelnen zu erhöhen. Wenn Mitarbeiter nur noch vermessen werden, vermisst man sich manchmal ganz gewaltig.

Um es klar zu sagen: Agile Methoden und Design Thinking können sinnvolle Konzepte sein und Kreativität fördern. Wenn sie aber von Excel-Fetischisten gemanagt werden, habe ich so meine Zweifel. Nur zu oft sehe ich auf der einen Seite die Controlettis, auf der anderen Seiten diejenigen, die „Agile“ oder auch „Working out loud“ schon fast als Religion praktizieren. Beides ist aus meiner Sicht kontraproduktiv.

Dueck fordert den Mut zum Experiment ein. Doch muss dieser Mut nachhaltig sein. Nach nur einem Quartal wirft eine Idee in der Regel noch nicht Gewinne ab. Wer aber in genau jener Quartalsdenke verhaftet ist, wird viele gute Ideen, die sich entwickeln und oft auch Zeit brauchen, zu früh über Bord werfen. Monate oder 1-2 Jahre später heben die dann ab. Ein Thema, das mich über Jahre hinweg beschäftigt, ist der der Fluch der zu frühen Geschäftsidee. Kann man solche Ideen „parken“, im Repertoire behalten und dann hervor holen, wenn der Markt abzuheben beginnt. In einem anderen Beitrag spricht Dueck ja auch vom berühmten Tipping Point.

Viele größere und traditionelle Unternehmen kämpfen mit dem Thema Innovation. Es braucht Ausdauer. Es braucht Übung. Es braucht auch den Mut, mit einzelnen Ideen zu scheitern. Und können Unternehmen und Unternehmenslenker diesen Mut noch  im scheinbar immer schneller drehenden Hamsterrad des Shareholder Values und der Earnings per Share haben?  Eigentlich müssen sie ihn haben, wenn sie im heutigen Zeitalter überleben wollen, wo sich Industrie- und Geschäftsmodelle ob in der Autoindustrie (Mobilität) oder im Verlagswesen (ich habe darüber geschrieben), ja allenthalben radikal ändern, ja ändern müssen. Und von dem, was „die Politik“ eigentlich tun müsste, fange ich jetzt hier besser nicht an. CEO und Geschäftsführung denken meist ans nächste Quartal und die Laufzeit ihrer Verträge, Politiker bis zum nächsten Wahlgang.

(Stefan Pfeiffer)

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay


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