Homeoffice-Allerlei: Leere Bürotürme, nur Weicheier bleiben daheim und wenn der Arbeitsstättenprüfer dreimal klingelt

Das Homeoffice bleibt. Hoffe ich persönlich. Und die Diskussion rund um Homeoffice geht unter verschiedensten Aspekten kontrovers weiter. Deshalb einige ausgewählte, kuratierte Auszüge. Wahrscheinlich jetzt in losem Abstand öfters. Die Einen fordern finanzielle Unterstützung für das Homeoffice, die anderen warnen vor Großraumbüros und die anderen beschäftigen sich mit Grabenkämpfe von vorgestern.

Homeoffice-Zuschuss und Büromieten in Hochhäusern einsparen

Einen einmaligen Homeoffice-Bonus für 2020, damit sich Arbeitnehmer entsprechend daheim ausstatten können, fordert der Bitkom, der deutsche Digitalverband, als Bestandteil des Digitalpakts. Der Verband geht noch weiter. Ab 2021 der Werbungskostenabzug für die Homeoffice-Infrastruktur vereinfacht werden:

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mindestens einen Tag pro Woche im Homeoffice arbeiten, sollten die Ausgaben für die ITK-Ausstattung eines häuslichen Arbeitsplatzes bis zu 1.250 Euro pro Jahr pauschal als Werbungskosten geltend machen können. Zudem tragen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die regelmäßig von zu Hause aus arbeiten, zur Entlastung des Pendelverkehrs bei und schonen so die Umwelt. Für Homeoffice-Tage und mobiles Arbeiten sollten sie daher 50 Prozent der Pendlerpauschale geltend machen können.

Bitkom – Digitalpakt Deutschland

Und die FAZ macht darauf aufmerksam, dass auch die Büros nicht mehr die gleichen sein werden, wenn man in diese zurückkehrt, denn auch hier gilt Abstand halten – und einiges mehr:

… das Wort vom Chef gilt: Rechtlich betrachtet bestimmt der Arbeitgeber, wo gearbeitet wird.

Vorausgesetzt, er kann einen sicheren Arbeitsplatz bieten – und das ist in Zeiten der Corona-Pandemie nirgendwo einfach. Die Pflicht zu Abstand und noch mehr Hygiene verändert gewohnte Sitzordnungen, Wege durch Bürotürme, die Verpflegung der Mitarbeiter, das Zutrittsrecht zur Kaffeeküche. … Nur wenn der Arbeitgeber nachweislich alle Auflagen erfüllt, um das Infektionsrisiko für seine Mitarbeiter so gering wie möglich zu halten, müssen die Angestellten ins Büro.

Corona in Rhein-Main: Unternehmen vor Ende des Home Office – FAZ

Da fällt mir unwillkürlich der Artikel von Claudia Tödtmann ein, die zwei Lesehinweise gibt:

Eine Untersuchung in Seoul hat gezeigt, wie gefährlich Großraumbüros für die Gesundheit und das Leben der Mitarbeiter sind.

Juristen sagen, wenn in Deutschland erst eine Corona-App nachweist, dass Menschen sich am Arbeitsplatz infiziert haben, wird es eng für die Top-Manager.

Lesehinweise: Corona verbreitet sich in Großraumbüros am besten | WiWo Management-Blog

Es wird gar schon über die Zukunft der Bürotürme gemunkelt. Fängt die einzigartige Skyline von Frankfurt an zu bröckeln?

Sie galten als Symbole für den weltweiten Siegeszug von Kapitalismus und Globalisierung: die riesigen Bürotürme in den Geschäftsvierteln der Metropolen in aller Welt. Doch wegen der Corona-Pandemie haben Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Home Office geschickt. Es wurde still in den Hochhäusern – und das vielleicht auf Dauer.

Corona-Krise gefährdet Zukunft der Bürotürme, FAZ, 23. Mai 2020

Und da der Zustand zumindest partiell anhalten werde, könnten Unternehmen nun teure Büromieten sparen.

Die Hartgesottenen, die Karriere machen, gehen eben ins Büro

Doch die An- oder Abwesenheit im Büro scheint auch mancherorts unter anderer Perspektive gesehen zu werden:

Aber ist das nur eine Pseudofreiheit? Bleiben in der Wahrnehmung der Hartgesottenen und nur die Weicheier daheim?

Private Profis, Ursula Kals in Beruf und Chance der FAZ vom 23.Mai 2020

Und kann ich überhaupt Karriere machen, wenn ich im Homeoffice bin? Schließlich gab es ja auch vor Jahren Studien, die belegten, dass Heimarbeiter schlechtere Karrierechancen hätten, übrigens unabhängig davon, dass laut anderer Studien Heimarbeiter oft mehr leisten als die Kollegen im Büro. So ganz abwegig klingt das nicht, finde ich. Leistung ist schließlich nicht alles. Vom Chef im Büro gesehen werden, so von wegen Gesichtsmassage, kann ja vielleicht helfen … Die Weicheier und lahmen Karriereenten bleiben also daheim, die Aufsteiger sitzen und charmieren im Büro!?

Wenn der Arbeitsstättenprüfer dreimal klingelt, an meiner Haustür …

Und ich musste die Tage auch an die klassischen US-amerikanischen Büros denken, in denen die Mitarbeiter in Cubicals werkeln. Bei FileNet in Costa Mesa saßen die Kollegen in diesen Kästchen, meiner Erinnerung sogar kleiner, als die Cubes auf dem oben abgebildeten Foto. So von wegen schöne, heile Bürowelt.

Aber wir Deutschen sind ja auch geschützt, denn nicht umsonst haben wir ja Leitfäden für Bildschirm- und Büroarbeitsplätze oder eine Arbeitsstättenverordnung für das Büro, die Mindestgröße und Raumhöhe definiert. Und diese Verordnungen könnten auch bald ins heimische Büro überschwappen. Die FAZ zitiert die Darmstädter Rechtsanwältin Nadja Draxinger:

Aktuell haben wir vermutlich viele nicht arbeits- und datenschutzgerechte, improvisierte heimische Arbeitsplätze, die kein Dauerzustand sind, sondern nur eine improvisierte Arbeitsplatzverlagerung darstellen.

Corona in Rhein-Main: Unternehmen vor Ende des Home Office – FAZ

Ich sehe schon, wie die heimischen Arbeitsplätze geprüft werden müssen. Da ist dann vielleicht der vom Bitkom geforderte Zuschuss dringend notwendig. Doch es geht eben nicht nur um den ergonomisch korrekten Arbeitsplatz, den ich jeder:m wünsche. Im Homeoffice geht es auch um sehr ernste Themen wie Datenschutz und Cybersecurity. Sie sind sicher einmal einer näheren Betrachtung wert.

Hessen im Homeoffice: Die Jüngeren wollen eher, Frauen eher nicht

Doch noch einmal zurück zur generellen Einstellung der Arbeitnehmer zum Thema Heimarbeit. Laut einer Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag des Hessischen Rundfunks wollen 54 befragten Hessen lieber zurück ins Büro. 43 Prozent können sich Remote Work vorstellen.

Die Einstellung zum Homeoffice variiert nach Alter, Geschlecht und Bildung. Jüngere sind eher pro Heimarbeit. Frauen lehnen sie in höherem Maße ab und man kann ahnen warum. Die Last daheim wird wohl noch immer nicht gleichmäßig verteilt.

Nur nicht gängeln, meint Altmaier

Hubertus Heil fordert ein Recht auf Homeoffice. Der Arbeitgeberverband hat sich sofort gegen diesen Ladenhüter in Position dagegen gebracht, der Wachstum und Flexibilität beschränke, in Position gebracht hat und bekommt Beistand. Wirtschaftsminister Peter Altmaier legt jetzt auch in dieser Richtung nach:

Staatliche Gängelei wäre grundfalsch. …

Wir brauchen vor allem weniger Bürokratie, nicht immer neue staatliche Garantien. Ich bin überzeugt, dass viele Betriebe von sich aus mehr Homeoffice ermöglichen, aber es passt eben nicht überall, …

Altmaier gegen Recht auf Homeoffice — FAZ, 23.5.2020

Er habe volles Vertrauen in Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Betriebsräte, die vor Ort die richtigen Lösungen finden würden. Und Altmaier und die Arbeitgeber bekommen Unterstützung von anderer, unerwarteter (?) Seite. Auf hr.de wird der Landeschef der Gewerkschaft Verdi Hessen Jürgen Bothner zitiert:

Unter dem Strich ist das eine große Falle, weil man eine gehörige Portion Selbstdisziplin und Selbstkontrolle braucht, damit man eben nicht weit mehr arbeitet, als man dem Arbeitgeber schuldet.

hr-Umfrage: Mehrzahl der Hessen will nicht im Homeoffice arbeiten | hessenschau.de | Wirtschaft

Und natürlich fordert er eine Einhaltung der schon oben erwähnten Arbeitsplatz-, Sicherheits- und Gesundheitsvorschriften ein. Logisch. Kein Wort von verlorener Zeit auf der Autobahn in Staus oder gar Umweltschutz.

Im Homeoffice produktiver, weil man freiwillig zu viele Überstunden macht?

Doch zurück zu Überstunden und … höherer Leistung. Die Aussagen der Deutschen Telekom, dass sich die Produktivität der Service-Abteilung im Homeoffice um acht Prozent gesteigert und die Gesundheitsquote verbessert habe, wird Bothner sicher in gewohnter Weise interpretieren.

Die Regeln für die konventionelle Präsenzarbeit entstammen aber einer völlig anderen Vorstellung und Zeit.

Birgit Wintermann & Britta Redmann: Leitfaden für rechtliche Umsetzung von New Work erschienen – Zukunft der Arbeit *

Liebe Leute, gebt fein acht, ich hab Euch etwas mitgebracht, Arbeitgeber und Gewerkschaften, Möchte-Gern-Kontrolleure und sonstige „Opinion Leader“: Kommt endlich aus Euren Schützengräben heraus und schlagt nicht die Schlachten von vorvorgestern.

Die Arbeitswelt von morgen sollte vielfältig, divers, offen und flexibel sein

Die Arbeitswelt wird sich nach der Corona-Krise ändern und es gilt diese konstruktiv zu gestalten:

Ich glaube zutiefst daran, dass es gut ist, hybride Strukturen zu haben.

Telekom-Chef Tim Höttges in einer Telefonkonferenz laut Auf Wiedersehen, Homeoffice? Die Tücken der Bürorückkehr | heise online

Es geht nicht um ein Entweder-Oder von Homeoffice und Arbeiten im Büro. Es geht um eine intelligente Kombination. Und es geht darum, denjenigen Homeoffice (gesetzlich garantiert) zu ermöglichen, die dies wollen. Und die Anderen gehen ins Büro, da sie sich oft auch aus verständlichen Gründen dort wohler fühlen, beispielsweise, weil sie daheim nicht die Rahmenbedingungen haben, oder aber sich dort nicht so organisieren können.

Die üblichen Schau- und Hahnenkämpfe bringen uns garantiert nicht weiter. Die Arbeitswelt von morgen sollte vielfältig, divers, offen und flexibel sein, im Sinne von Arbeitnehmern, Familien und Unternehmen. Drei Tage Remote Work, zwei Tage ins Büro. Die kommende Woche mehr Büro, weil es von der Arbeit her Sinn macht. Warum nicht? Ich bin fest davon überzeugt, dass intelligente Kombinationen und Lösungen möglich und nötig sind – solange diese nicht wieder von Betonköpfen boykottiert werden, die nur alte Machtverhältnisse zementieren wollen.

(Stefan Pfeiffer)

* Der von der Bertelsmann Stiftung herausgegebene und von Birgit Wintermann und Rechtsanwältin und Autorin Britta Redmann verfasste Leitfaden: New Work: Potentiale nutzen – Stolpersteine vermeiden – Ein Leitfaden zu regulatorischen Grenzen und Chancen, der hier heruntergeladen werden kann, sei hier ausdrücklich empfohlen.

Comments

3 Antworten zu „Homeoffice-Allerlei: Leere Bürotürme, nur Weicheier bleiben daheim und wenn der Arbeitsstättenprüfer dreimal klingelt”.

  1. […] leere Bürotürme, Weicheier und Karriereknick im Homeoffice – die endlose und auch notwendige Diskussion pro oder contra #Homeoffice, […]

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  2. […] mehr Lasten in Erziehung und ähnlichen Aufgaben. Da wundert es dann auch nicht, wenn – siehe die Hessen-Umfrage im vorhergehenden Homeoffice-Allerlei – wenn sie eher ins Büro zurück wollen. Es besteht […]

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