Homeoffice-Allerei: Büros – gebaute Identität und Hort der Gemeinsamkeit. Und was machen die da nur at home? Und Dinosaurier …

Zeit für ein neues Leipziger, nein Homeoffice-Allerlei, denn mir sind wieder einige Beiträge aufgefallen, ja oft auch aufgestoßen. Und ich schicke noch einmal meine Meinung vorweg. Die leider sehr oft schwarz-weiß geführte Diskussion mit den Parametern „nur Büro“ oder „nur Homeoffice“ ist nicht zielführend. Es geht um einen gesunden Mix von Remote Work und Arbeiten im Büro, basierend auf den zu erledigenden Aufgaben, den Lebensumständen und auch auf den Präferenzen des Arbeitnehmers.

Gerade letzten Satz schreibe ich sehr bewusst und bin deshalb auch dafür, ein Rechte auf Heimarbeit gesetzlich zu verankern. Wer daheim arbeiten will, die:der soll das dürfen, dem soll es nicht verboten werden können , solange sie:er es wollen. Und da ecke ich natürlich wieder bei denjenigen an, die auf der einen Seite scheinbar die Selbstausbeutung der Arbeitnehmer oder aber einen Eingriff in unternehmerische Freiheiten befürchten.

Gegen das Recht auf Homeoffice

Und hier widerspreche ich explizit Dietrich Creutzburg, der in der FAZ von politischer Überheblichkeit spricht und gegen ein „Recht auf Homeoffice“ kommentiert. „Ein Rechtsanspruch zöge hingegen nur dort, wo Arbeitgeber Wünsche nach Homeoffice mutwillig abblocken,“ schreibt Creutzburg, um das Recht abzubügeln. Aus meiner Beobachtung heraus, haben aber Arbeitgeber durchaus bewusst wieder Präsenz im Büro eingefordert, angeblich weil man gemeinsam Schulter an Schulter produktiver sei.

Online-Umfrage in der FAZ, Stand 14.62020, ca. 11 Uhr – sicherlich keine repräsentative Umfrage, aber ein Schlaglicht

Solche Anordnungen treffen dann dabei meist die Teilzeitbeschäftigten, meist Frauen, deren Lebensrhythmus inklusive Kinderbetreung nicht mehr funktioniert kann – und die dann von sich gehen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Ein noch größeres Schelm, wer angesichts solcher Ereignisse dann das Recht auf Heimarbeit ablehnt.

Und natürlich malt Creutzberg wieder den Teufel an die Wand: Entgrenzung, Isolation und Depression. Es geht um ein verbrieftes Recht auf Homeoffice, nicht darum Heimarbeit vorzuschreiben, Herr Creutzburg. Wer nicht will, der kann ja im Büro arbeiten. Und ich fange hier gar nicht von den Pendelzeiten oder dem Umweltschutz an.

Am Heimarbeitsplatz derzeit am produktivsten – Studie der TU Darmstadt

Auch in der FAZ – deren Onlineversion ich nun einmal abonniert habe – habe ich den Bericht über eine aktuelle Langzeitstudie der TU Darmstadt gefunden, nach der Heimarbeit gut ankommt. Mehr als jeder zweite deutsche Befragte gibt demzufolge an, im Homeoffice zufriedener und auch entspannter als im Büro zu sein. Und man arbeitet in der Pandemie daheim im Vergleich am produktivsten. Auch ein interessantes Ergebnis.

Entnommen der FAZ – alle Rechte bleiben dort

Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass Ruth Stock-Homburg, Professorin für Marketing und Personalmanagement und Leiterin der Studie, vor einem Boreout, einer Sinnkrise und Langeweile durch Heimarbeit warnt. Da frage ich mich, ob ein solches Boreout denn nur auf Homeoffice beschränkt ist oder gar ein generelles Phänomen sein kann. Und mir stellt sich hier die Frage einer aktiven Führung, eines aktiven Coachings und Managements.

Büros: Hort der Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit, gebauten Identität

Und los zur nächsten Studie, eine internationale Umfrage der Kommunikationsberatung Kekst CNC, die die FAZ unter dem BILD-enden Titel Lasst uns wieder ins Büro vorstellt. Demzufolge wollen die Deutschen wieder an ihren geliebten Arbeitsplatz, haben Lust aufs Büro. Immerhin – und die reißerische Überschrift korrigierend – wünschen sich laut Bericht insgesamt mehr als 70 Prozent der Deutschen, dass Heimarbeit grundsätzlich öfter, und flexiblere Arbeitszeiten (mit 77 Prozent Zustimmung) häufiger werden.

Und keine Sorge, ich lese und kuratiere nicht nur die FAZ. Schon länger zum Kuratieren markiert ist ein Gastbeitrag von Sabine Hübner im WiWo Management-Blog der geschätzten Claudia Toedtmann: Büros sind Orte der Zugehörigkeit für Rückhalt und Zusammenarbeit – und damit unverzichtbar. Menschen brauchen ihre Höhlen und nicht den Chef am Küchentisch, so der Titel. Do hauts mi nieder. Immerhin gesteht Hübner dann doch Heimarbeit zu, wenn es passt. Der Überhöhung des Büros allerdings als „gebaute Identität“ kann ich nur sehr beschränkt folgen, wenn ich an die üblichen Großraumbüros und Kontrolle und Führung am Arbeitsplatz vor Augen denke. Nicht jedes Büro ist eine gestyltes Google-Headquarter oder ein Apple-Shop.

Im normalen Bürogebäude ist dann eher der Flurfunk noch der größte Hort der Identität. Und Kundenorientierung, liebe Frau Hübner, hat absolut nichts damit zu tun, ob man im Büro sitzt. Kundenorientierung und Servicegedanke sind eine Haltung, und zwar nicht eine per Order Mufti vom Marketing formulierte „Customer First“-Webseite, sondern eben eine innere Einstellung und Selbstverständlichkeit. Auch ob ein Büro zum seelischen Wohlbefinden beitragen muss, wage ich doch leicht zu bezweifeln. Die Realität in manchem Bürogebäude mag eher von anderen Aspekten geprägt sein.

Führungskräfte mit Gespür und Einfühlungsvermögen

An dieser Stelle sei dann Randstad-CEO Richard Jager zitiert – wieder ein Gastbeitrag bei Claudia Tödtmann:

Denn die Zeiten, in denen möglichst viele Menschen gleichzeitig und eng an eng in einem großen Raum arbeiten, sind vorerst vorbei – wenn sie es nicht schon längst waren. Es stellt sich also die Frage, wie beispielsweise die oft ungeliebten Großraumbüros so umgestaltet werden, dass Arbeitssicherheit unter Corona-Gesichtspunkten gewährleistet ist.

Schichtpläne und Trainings für Führungskräfte, die sich mehr um Bedürfnisse der Mitarbeiter kümmern müssen, gehören zum neuen Büroalltag, so Randstad-CEO Richard Jager (Gastbeitrag) | Management-Blog

Neben der Umgestaltung der Büros und Arbeitszeiten angesichts von Corona fordert er richtigerweise eine gute Führungskultur:

Und es braucht Führungskräfte mit sozialem Gespür und Einfühlungsvermögen, die gezielt den Austausch mit ihren Mitarbeitern suchen. Ihre Aufgabe ist es, sich um die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter stärker zu kümmern und ein Arbeitsklima zu schaffen, in dem sie sich sicher und wertgeschätzt fühlen. Das ist das Gebot der Stunde.

Management-Blog

Meiner Ansicht nicht nur ein Gebot dieser Stunde, denn vergessen wir nicht, dass schon vor Corona 40 Prozent der Mitarbeiter weltweit sagten, sie litten unter arbeitsbedingtem Stress (Randstad Studie Sustainability@Work 2020).

Niemand will für einen Dinosaurier arbeiten – gestaltet ein neues Arbeitsplatz- und Arbeitszeitmodell

Nochmals: Ich warne vor einer Überhöhung des Büros ebenso wie vor dem Homeoffice als Allzweckarbeitplatz für jede und jenen. Lasst uns endlich differenziert an das Thema herangehen und die Chancen gestalten, für ein anderes Büro, das für Kreativität, produktive Meetings und sozialen Austausch steht, und für einen Heimarbeitsplatz, der vernünftig organisatorisch und technisch gestaltet, beispielsweise Zeit für konzentriertes Arbeiten schafft, und auch Familien und besonders Frauen mindestens gleichberechtigte Karrierechancen bietet.

Marcus K. Reif hat einen absoluten lesenswerten Beitrag geschrieben, der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Gewerkschaften, uns alle zum Nachdenken und Gestalten anregen sollte. Ein Kernsatz: Niemand will für einen Dinosaurier arbeiten! Und er formuliert es sehr plastisch:

Wie geht ein Unternehmen mit dem Bedürfnis eines Mitarbeiters um, der gerne und viel joggt und am Nachmittag um 14:00 Uhr seine beste Zeit läuft? Wie geht ein Unternehmen mit einem Mitarbeiter um, der gerne um 16:00 Uhr nach Hause fährt, um abends um 22:00 Uhr noch eine Stunde zu arbeiten? Wie ist die gängige Praxis der Präsenz im Büro? Wird die Arbeit von zum Beispiel zu Hause toleriert, akzeptiert und gewünscht? Akzeptieren die Unternehmen die gewünschte Flexibilität auf der einen Seite, deren Widerstreit mit z. B. dem Arbeitszeitschutzgesetz auf der anderen?

Work-Life-Balance ist ein Anachronismus. Welcome Flexibility | Marcus K. Reif

Was machen die at home?

Fast zum Abschluss und zur Erheiterung sei noch die Kolumne Business Class Trau keinem at home von Martin Suter empfohlen, denn welcher Chef weiß schon, was die lieber Mitarbeiter:innen so im Homeoffice treiben …

Was Decker am meisten beschäftigt am Homeoffice, ist die Frage: Was machen die at home? Sind die überhaupt at home? Kann man sich bei Leuten wie Klemm oder Hagemann, vor allem bei Hagemann, darauf verlassen, dass die at home sind?

Nein. Kann man definitiv nicht.

Martin Suters Business Class: Trau keinem at home

Ist da gar manchmal ein Stückchen Wahrheit … Nein, garantiert nicht.

Noch einige Tweets, die ich mir zum Re-Tweeten bzw. -Bloggen markiert hatte. Man möge mir die Auswahl verzeihen – oder auch nicht.


Hinweisen möchte ich noch auf unsere neue Webseite

https://homeofficekurator.wordpress.com,

auf der Prof. Peter M. Wald, Gunnar Sohn, Lars Basche und ich regelmäßig Beiträge und Referenzen zum Thema Homeoffice und Remote Work kuratieren. Rein schauen und kommentieren!

Und hier die Links zu meinen vorhergehenden Homeoffice-Allerleis (wobei ich ja schon lange Jahre vorher zum Thema geschrieben habe.

(Stefan Pfeiffer)

Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay

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