Bloggen: Nur noch etwas für alte graue Männer ?

9vor9 breit

Im -Videocast und Podcast diskutieren Lars und ich darüber, wie relevant Blogs in der heutigen digitalen Welt noch sind. Auslöser dieser Diskussion ist der Abschied von Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitik.org und der re:publica, von Netzpolitik.org.

Weniger Text, mehr Audio und vor allem Video

Die Frage, die uns beschäftigt, ist: Wo stehen wir heute mit der deutschen Blogosphäre? Leider ist das Bild der aktuellen Nutzung von Blogs in Deutschland durch das Fehlen aktueller Statistiken unklar. Laut ARD/ZDF Onlinestudie 2023 lesen 9 Prozent der befragen Internet-Nutzer in Deutschland mindestens einmal die Woche einen Blog. Zum Vergleich: 32 Prozent sagen das über Newsletter. Generell geht die Nutzung von Texten im Internet deutlich von 45 Prozent 2022 auf 36 Prozent 2023 zurück. Audio konsumieren im Vergleich 37 Prozent, Video 50 Prozent. Nicht wirklich überraschend: Je älter die Nutzerinnen und Nutzer, desto weniger sind sie im Netz.

Die Studie untersucht auch die Nutzung der verschiedenen Social Media-Plattformen. Interessant wäre hier der Vergleich, aber der wird leider nicht vorgenommen, jedoch wird festgestellt, dass die wöchentliche Nutzung von Online-Texten weiter leicht abnimmt. Ein gegenläufiger Trend ist allein bei Artikeln auf Social Media sichtbar. Jedoch kann man aufgrund der Gesamtzahlen davon ausgehen, dass klassische Blogs gerade bei Jüngeren kaum eine Rolle spielen, stattdessen vor allem Video dominiert. Hier ist die Ergebnispräsentation zu finden. Bei Statista sind einige weitere Zahlen zu finden: Demnach nutzen 22 Prozent Monat. 12 Prozent verwenden Unternehmen Blogs für interne und externe Kommunikation.

Generell haben Blogs an Bedeutung verloren. In der Vergangenheit hatten wir Statistiken von Technorati auf internationaler Ebene und die deutschen Blogcharts, die sich auf die Messung von Backlinks konzentrierten. Das gehört mittlerweile der Vergangenheit an. Die heutigen Blogger scheinen oft zu zögern, Links in ihre Beiträge einzufügen. Man könnte fast sagen, sie sind „link-scheu“ geworden. Der Hauptgrund dafür? Google.

Journalismus und Blogosphäre

Das Verlinken ist aber eines der Kernmerkmale der Blogosphäre im Vergleich zu den traditionellen journalistischen Plattformen. Diese tun das in der Regel heute noch nicht, höchstens um auf andere Artikel der eigenen Publikation zu verweisen. Die Redaktion von netzpolitik.org fasst das sehr schön in ihrem Abschiedsbeitrag für Markus zusammen und schreibt quasi eine Geschichte der deutschen Blogosphäre der vergangenen 20 Jahre. Dabei wurde unter anderem über ein neues Selbstverständnis von Journalismus diskutiert und wird die Frage aufgeworfen, ob Bloggerinnen und Blogger eigentlich Journalisten sind.

Auch wir waren Teil der Geschichte der Blogosphere. Diesen Blog gibt es seit März 2009. Lars hatte immer mal wieder einen Blog, wo er es laufen gelassen hat, ist aber nicht dabei geblieben. Gemeinsam haben wir bei IBM Deutschland am Corporate Blog gearbeitet, über den Thought Leader-Beiträge veröffentlicht wurden. Es gab die IBM Experts auf Computerwoche.de und den CIOKurator. Aus diesem nostalgischem Rückblick wird jedoch deutlich, dass der damalige Enthusiasmus für das Bloggen sich geändert hat.

Wer startet heute noch einen Blog?

Heute würde sich ein Markus wahrscheinlich dreimal überlegen, ob ein Blog das Medium wäre, um ein Projekt wie Netzpolitik zu starten. Die Musik spielt gerade bei jüngeren Leuten wo anders. Diskussionen und Interaktionen sind längst zu den Social-Media-Diensten abgewandert. Bloggen ist oft nur noch eine Nischenplattform. Ausnahmen wie netzpolitik.org, die auf ihrem Gebiet ein prägende Rolle spielen, gibt es natürlich noch hier und da.

Heute konzentrieren sich Unternehmen statt auf Blogs lieber auf LinkedIn. Diejenigen, die Reichweite suchen, versenden eher Newsletter oder produzieren Podcasts – oder kombinieren beides. Sascha Pallenberg und Klaus Eck sind gute Beispiele, wo Newsletter mit anderen Formaten gemixt wird, um seine Zielgruppe zu erreichen. Das Wort „Blog“ findet sich in den meisten Zukunftsplänen, auch denen in Markus Abschieds-Beitrag, nicht. Auch er plant einen Podcast und einen Newsletter.

Alte Blogger, mittelalte Podcaster, junge TikTok’er

Gehen wir in die jüngere Generation sieht es noch ganz anders aus. Dort dominieren ganz offensichtlich die schnellen Videoformate von TikTok und Instagram. Zugespitzt formuliert: Die alten grauen Männer schreiben noch Blogs, die „Mittelaltrigen“ machen in Podcasts und Newsletter und die Jungen erstellen hippe 60 bis 90 Sekundenvideos auf Insta und TikTok.

Trotzdem: Meine Homeground im Netz

Ist das Bloggen also eine aussterbende Praxis? Kann sein. Für mich bleibt es meine Heimat im Netz, wo ich meine Leidenschaft für das Schreiben ausleben kann. Reichweite ist sekundär. Über Kommentare freue ich mich, aber es ist Hobby, von monetären Interessen gar nicht zu sprechen. Die Seite und die Inhalte gehören mir. Ich gebe sie nicht in die Hände einer Social Media-Plattform oder eines Konzerns. Und last but not least, in diesen Zeiten ist es für mich auch ein Ort, um Flagge gegen Extremismus und Gewalt zu zeigen. Das spiegelt sich ja in den Beiträgen der letzten Monate wieder.

Und ich lese auch gerne die Blogs anderer Autorinnen und Autoren:, zum Beispiel von Gunnar Sohn, Christian Buggisch, Claudia Toedtmann oder Henning Uhle. Leider wurden einige interessante Blogs eingestellt, deshalb bin ich für Hinweise und Tipps auf weitere Text-Blogs, Podcasts und auch Videoblogs dankbar. Gerne her damit. Ach ja, es gab ja auch mal die Blogroll.

Und wie habe ich es im Gespräch gesagt:

Alles was bunt, schrill, vertikal ist, erzielt Reichweite, scheint es manchmal. Aber nun gut, lassen wir es dabei bewenden. Du [Lars] wirst diesen Podcast entsprechend publizieren. Ich werde ihn als Video publizieren und ich werde derjenige sein, der sich die Arbeit macht und aus dem Skript dieses Gesprächs einen Blogbeitrag bastelt.

Von wegen fauler, mittelalter Lars, der einfach nur den Podcast hochlädt …

Momentan ist ideogram.ai mein bevorzugter KI-Bildgenerator. Die Ergebnisse gefallen mir gerade sehr gut. Die Titelgrafik wurde über diesen Prompt erstellt: create a photo of older writing bloggers and podcasters broadcasting, on the other side you see people producing exciting short TikTok and Instagram videos and having a lot of fun doing it. Da mir die anderen Grafiken auch gut gefallen haben, hänge ich sie hier auch mal rein.

Comments

3 Antworten zu „Bloggen: Nur noch etwas für alte graue Männer ?”.

  1. Danke fűr diese umfangreiche Darstellung zur Lage der Blogs! Ich vermute, viele Blogs – sogar auch von jungen Frauen – bleiben lange unter dem Radar, bzw. in ihrer eigenen kleinen Bubble.
    Auch Mischthemenblogs mag Google eher nicht! Aber vielleicht findet das Digital Diary, seit 25 Jahren geschrieben von einer mittlerweile alten weißen Frau, ja einen Platz in deiner Blogroll?

    Like

    1. Hallo Claudia, absolut korrekt. Es gibt sicher viele Blogs, die unter dem Radar fliegen, weil man sich oft nur in der eigenen Bubble bewegt. Lange Zeit gab es viele Wein-Blogs. Das ist meiner Wahrnehmung nach zu großen Teilen eingeschlafen. Ich weiß, dass viele Food- und Mode-Blogs existierten, denke aber, dass gerade bei diesen Themen unterdessen Videoformate dominieren.

      Ich bin immer an bunten Themen und gut geschriebenen Blogs interessiert (und folge Deinem Blog bereits). Vielleicht muss man einfach mehr verlinken und kommentieren, so wie Du es tust.

      Und natürlich habe ich mit meinen alten grauen Männern auf diese Reaktion gehofft.

      Gerne weitere Tipps!

      Like

  2. Horst Schulte

    Es ist interessant zu beobachten, wie sich die Landschaft des Bloggens im Laufe der Zeit verändert hat. Während manche (Henning?) die Renaissance der Blogs prognostizieren, gibt es auch eine andere Seite dieser Entwicklung, die weniger positiv betrachtet werden kann.

    Die Einführung sozialer Netzwerke hat zweifellos die Art und Weise verändert, wie Menschen Informationen konsumieren und teilen. Doch trotz dieser Veränderungen bleibt das Bloggen für viele weiterhin ein wichtiges Medium, sei es aus persönlichen oder beruflichen Gründen.

    Für mich ist Bloggen eine Form der Selbsttherapie. Tagebuchschreiben hat schon immer Menschen geholfen, ihre Gedanken zu sortieren und ihre Gefühle auszudrücken. In einer Zeit, in der die Ambitionen vergangener Tage möglicherweise verblassen, kann das Bloggen ein wertvolles Werkzeug sein, um sich selbst zu reflektieren und sich auszudrücken.

    Es ist wichtig, Raum für persönliche Erfahrungen und Reflexionen zu schaffen, besonders in einer Welt, die oft von oberflächlichen Interaktionen geprägt ist. Die eigene Perspektive ist wertvoll, auch wenn es manchmal so scheinen mag, als würde man nur über dich selbst reden. Es zeigt, dass das Bloggen vielfach eine individuelle Reise ist, die jedem Einzelnen Raum bietet, um seine eigene Stimme zu finden und auszudrücken.

    Like

Kommentar verfassen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Regelmäßig informiert bleiben?
StefanPfeiffer.Blog

Jetzt abonnieren, um informiert zu bleiben und alle Beiträge im Zugriff zu haben.

Fortfahren