Rechtsextreme Symbolik und Sprache: Die Schamschwelle ist weg

Wochenschau links breit

Ich bin ja nun seit einigen Tagen aus der Reha von Sylt zurück im Alltag angekommen. Jetzt ist „die Insel der Reichen und Schönen“ unüberlesbar in den Schlagzeilen: Durch das Grölen rechtsextremer Parolen und einem angedeuteten Hitlergruß und Hitlerbärtchen einiger potentiell jungreicher Schnösel und Party People. Passt ja zu meinem Rant von vergangener Woche über gescheitelte, Cognac schwenkende Rolex-Träger wie Herrn Krah.

Ob die Sylter Party People nun aus der sogenannten bürgerlichen Mitte kommen, wie einige kommentieren, oder eben aus der Riege der deutlich Bessersituierten ist dabei im Grunde einerlei, denn wir finden Rechtsextremismus leider an vielen Orten und vielen (allen?) Schichten.

Rassismus ist in Deutschland kein Arme-Leute-Problem. Die Moët-trinkenden Sylter Partypeople sind weder ungebildet, noch bangen sie um bezahlbaren Wohnraum. Ihr Hass ist nicht angstgetrieben. Sie sind die warm gebettete Oberschicht,

Jacqueline Haddadian: Rassismus auf Sylt: Euer Sylter Albtraum ist mein Alltag | STERN.de

Es sind nicht nur Einzelfälle

Rainer Hank, der jede Woche Hanks Welt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung veröffentlicht, ist jemand, über den ich mich in der Regel aufrege und dessen Kolumne ich oft ignoriere. Doch diesmal (Link folgt, wenn verfügbar) habe ich den Beitrag gelesen. Er schreibt über die heile Welt am Bodensee, in der die AfD zeitweise auf Zustimmungswerte von 20 Prozent gekommen sei:

„Warum wählen Menschen die AfD – sogar dann, wenn es Ihnen (wirtschaftlich) gut geht? Es ist mir Rätsel,“ so beginnt er seinen Artikel. Die Kommunalpolitiker vor Ort sind ebenso in Erklärungsnot und der „leicht überdurchschnittliche Hang zu etwas sektiererischen Einstellungen“ im Schwäbischen genügt auch nicht als hinreichende Begründung.

Der Kommentar auf Facebook sagt auch viel aus …

Sie wollen auffallen

Über mein Erlebnis in der Reha mit einem offensichtlich Nazi, der auf seinen Waden die 1 und 8 für A und H tätowiert hatte, habe ich geschrieben. Die Leitung der Reha-Klinik ist leider nicht eingeschritten. Ein Armutszeugnis. Der laut eigener Aussage ehemaligen SPD-Stammwähler, der an der Fischtheke hier in Ewwerscht vor Ort laut über die Altparteien und für die AfD polterte, hat mich entsetzt.

Bei mir entsteht der Eindruck, dass es unterdessen en vogue ist, mit rechtsextremer Symbolik und Sprache aufzufallen. Die Grenze des Sagbaren ist offensichtlich wirklich verschoben worden. Wählerinnen und Wähler der AfD sind überall. Das zeigen Umfragen und Wahlergebnisse. Und rechtsextremes Gedankengut wird mittlerweile vielerorts ganz offen ausgesprochen. Das über Jahrzehnte hinweg zumindest in der breiten Öffentlichkeit Unsagbare ist jetzt plötzlich sagbar. Die Schamschwelle ist nicht nur gesunken, sie scheint weg zu sein.

Skandale: Nicht zu früh freuen

Das sollten wir im Gedächtnis behalten und nicht zu euphorisch wie einige Kommentatoren frohlocken, dass die AfD angesichts der aktuellen, zahlreichen Skandale an Zustimmung verliere. Sie mag Stimmen verlieren, doch bin ich nicht zu optimistisch. Bisher wirkte noch immer der Teflon-Effekt – an der AfD bleibt nichts kleben. Und es gibt diesen nicht wirklich logisch fassbaren Bodensatz an Angst vor wirtschaftlichem Wohlstandsverlust gemischt mit rechtem Gedankengut und Ausländerfeindlichkeit.

Gerade jetzt, zum 75-jährigen Geburtstag des Grundgesetzes, müssen wir wachsam bleiben. Die deutsche Demokratie ist stabil. Sie ist aber nicht unangreifbar, wie wir gerade schmerzhaft lernen müssen. Deshalb müssen Demokratinnen und Demokraten wachsam und wehrhaft bleiben.

Ich habe meine Wochenschau diesmal in zwei Artikel geteilt, weil aktuelle IT Trends und die politische Situation nicht wirklich zusammenpassen. Nachrichten und Berichte über Rechtsextremismus hierzulande und anderswo machen auch nicht gerade gute Laune, aber ignorieren geht halt leider auch nicht.

Das Titelbild wurde mit ideogram.ai nach folgendem Prompt erstellt: A chilling and unsettling dystopian scene of a crowded beach club, where a diverse group of people are packed together, cheering and dancing. At the center, a sinister male figure in a white sweater and a mask adorned with a swastika and a symbol of xenophobia is dancing exuberantly while raising their glass. The atmosphere is tense and eerie, with the crowd following the figure’s lead. The walls are covered in graffiti promoting hate, discrimination, and divisive ideologies. The overall ambiance conveys a sense of social norms shifting dangerously, with the disappearance of boundaries of decency and respect, leaving a chilling and ominous feeling.


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