Darmstadt Eberstadt im Januar 2024

Inhaltlich stellen: Klappt das oder stoßen wir eh auf taube Ohren?

Wochenschau links breit

Das war keine schöne Woche. Am Montag wurde festgestellt, dass einer unserer beiden Kater sehr krank ist. Wir müssen ihm jetzt dreimal am Tag mehrere Tabletten geben, was er gar nicht mag. Das stresst uns sehr, denn wir hängen am dem kleinen Kerl.

Und ich hatte ein weiteres Erlebnis, das mich immer noch sehr bewegt. Ich war mit einem guten Freund zum Mittagessen bei unserem Fischhändler verabredet. Während ich noch auf meinem Kumpel wartete, schwadronierte ein älterer Mann laut an der Theke herum. Die Politik ist nicht für die kleinen Leute da und nicht für Deutschland. Er sei SPD-Stammwähler gewesen. Auf Nachfrage einer der Bedienungen, ob er hoffentlich keine AfD wähle, kam ein lautes „Genau das!“ in voller Lautstärke. Diskutieren wollte er nicht, stattdessen lautes Geblöke.

Die Sympathisanten der AfD sind näher als man denkt

Tja, die Wähler der Rechtsradikalen sind näher, als man manchmal denkt. Besonders peinlich war, dass die Betreiber und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Fischladens türkischer Herkunft sind. Aber ihnen werde man nichts tun. Sie würden ja brav arbeiten. Aber die Häuser rund um sein Haus würden von Marokkanern und anderen aufgekauft und das ginge gar nicht. Ich musste doch sehr an mich halten und habe innerlich im Strahl gek..tzt.

Immer wieder hören und lesen wir dieser Tage, dass Politiker die AfD „inhaltlich stellen“ oder sie „entzaubern“ wollen. Welcher Zauber wohnt denn bitte den Rechtsradikalen inne? Das Plattitüden absondern und keine wirklichen Lösungsvorschläge machen? Leider klingen deren Parolen für viele erst einmal gut, auch wenn sie nur „Deutschland den Deutschen“ und anderes Blablabla absondern.

„Inhaltlich stellen“? Lassen sie sich meist nicht

Und ich habe Fragezeichen in den Augen, ob das mit dem „inhaltlich stellen“ klappen kann. In den vergangenen Jahren hat es wohl nicht funktioniert, wie ja auch Dunja Hayali süffisant im Interview mit Lindner bemerkt hat. Mir scheint, dass viele Sympathisanten der AfD inhaltlich und sachlich leider kaum noch zu erreichen sind, sondern sofort „zu machen“. Leider. Statt zu diskutieren, brechen schnell Hass, Wut und komplettes Misstrauen gegen „die da oben“ in Berlin und anderswo heraus. Da werden sofort die Sprüche über die Migranten, die zu viel Geld bekommen, und die Deutschen, um die sich „die Politik“ nicht schert, wiedergekäut und zornig ausgespuckt.

Gut, dass überall in Deutschland so viele Menschen derzeit gegen die AfD demonstrieren. Am Dienstag, den 23. Januar, ist um 17:30 Uhr auch in Darmstadt auf dem Friedensplatz eine -Demonstration geplant, die von einer breiten Allianz demokratischer Kräfte getragen wird. Hoffentlich kommen viele Heinerinnen und Heiner und Bürgerinnen und Bürger aus der Umgebung.

Gegen die AfD: Christian Streich und … Uli Hoeneß

Zwei Aussagen gegen die AfD aus der Fußballszene fand ich die vergangene Woche noch bemerkenswert: Christian Streich hat auf der Pressekonferenz des SC Freiburg nochmals klar Stellung gegen rechts bezogen. Ich habe ihn vor kurzem hier schon einmal zitiert. Der Mann hat Profil. Da mögen die rechten Spinner ihn noch sehr als Salonkommunisten beschimpfen.

Im Verdacht, ein Salonkommunist, steht Uli Hoeneß sicher nicht und ich bin auch nicht gerade ein Freund von ihm. Aber er hat in seiner Trauerrede für Franz Beckenbauer in der Allianz-Arena klar Stellung bezogen. Er wünsche sich die Aufbruchstimmung von damals bei der Heim-WM – aber bitte ohne die AfD. Mir ein bisschen zu viele schwarz-rot-goldene Fahnen und „Stolz“, aber ich interpretiere das so, dass wir wieder mehr zusammenrücken und vernünftig miteinander umgehen sollten, statt wutschnaubend und laut brüllend aufeinander loszugehen.

Aufbruchstimmung bräuchten wir. Da bin ich bei dem Uli. Aber das muss über die aktuellen Demos hinausgehen und langfristig wirken. Herr Merz tut gar nichts dafür. Im Gegenteil. Ich hoffe, er macht nicht den von Papen. Olaf Scholz versagt in der Kommunikation und die Ampel sendet keine Aufbruchssignale. Parallel laufen Parteien und Gewerkschaften die Mitglieder weg und ich sehe keine Gruppierungen, die das ausgleichen. Vom Egoismus der Interessenverbände und der „Freibier-für-alle-Mentalität“ und „nur-nicht-von-meinem-Kuchen-Einstellung“ habe ich ja schon geschrieben.

Meine Lesezeichen der Woche

Hier nun einige meiner Leseempfehlungen zum Themenkomplex. Matthias Koch schreibt im Redaktionsnetzwerk Deutschland darüber, dass wir den leisen Kompromiss verlernt haben und fragt, wo Moral, Respekt und Miteinander bleiben:

Immer mehr Menschen im Land gerät das große Ganze aus dem Blick. Sie ziehen sich in ihre spezielle Gruppe zurück, kommunizieren ausschließlich unter ihresgleichen – und zeigen allen anderen nur noch den Mittelfinger.

Quelle: Warum ein aufgeregtes Deutschland die Radikalen stärkt

In der Altpapier-Kolumne des MDR bemängelt Ralf Heimann zurecht, dass Kanzler Olaf Scholz miserabel oder gar nicht kommuniziert. Das gehe in heutigen Zeiten der sozialen Medien, von Fokussierung auf Personen statt Sachthemen nicht mehr. Politik verkaufe sich nicht von selbst.

Daniel Mützel schreibt auf T-Online von einer Strategie des Einlullens. Scholz und seine Strategen dächten gar nicht daran, ihren Kommunikationskurs zu ändern. Fatal. Dort finden sich auch Zahlen darüber, wie den Ampelparteien von der Stange gehen: „Verlieren die Parteien ihren Charakter als Transmissionsriemen zwischen Öffentlichkeit und politischem Betrieb.“

Zum übermäßigen, ja unverhältnismäßigen Einfluss der Bauern auf die deutsche (und wohl auch europäische) Politik sei dieser Artikel von Eva Huber auf tagesschau.de empfohlen. Der Bauernverband habe bei allen Problemen immer versucht zu blockieren, Veränderungen möglichst in die Länge zu ziehen, statt Lösungen zu entwickeln. Die Angst vor Veränderungen ist ein generelles Problem, mir dem wir überall kämpfen.

Abschließend noch ein Blick nach Polen, wo Präsident Duda die Reformen von Tusk zu behindern, ja zu blockieren versucht. Duda warnt vor dem „Terror der Rechtsstaatlichkeit“. Diese Bemerkung muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Nehmen wir das auch als Warnung für uns, was Rechtspopulisten sagen und wie handeln.


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