
Die Rundfunkreform: Die Bayern und Sachsen, Herr Söder und Herr Kretschmer (und wohl auch andere) sind dagegen, dass der Rundfunkbeitrag, den wir alle zahlen, erhöht wird. Genau eine solche Erhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich ab Januar 2025 hat die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) empfohlen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk genießt zwar sehr viel Vertrauen, aber: „Die einzige Frage ist: Was kostet er?„
Im Lage der Nation-Podcast arbeiten die Hosts Philip Banse und Ulf Buermeyer mit Stefan Niggemeier sehr schön heraus, dass die Entscheidung über die Höhe des Rundfunkbeitrags jedoch keine politische, sondern eine rein rechnerische Angelegenheit ist. Die Parlamente haben demnach verfassungsrechtlich keine echte Entscheidungsbefugnis – sie müssten der Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) im Grunde zustimmen. Die Abstimmung in den Landesparlamenten suggeriert den Parlamentariern fälschlicherweise eine Mitwirkungsmöglichkeit, die sie nicht haben.
Hier werden unzulässigerweise zwei getrennte Aspekte vermischt und bewusst politisch instrumentalisiert: die politische Festlegung des Programmauftrags durch die Länder und die davon unabhängige Berechnung der notwendigen Finanzmittel durch die KEF.
Sender streichen, Kosten reduzieren (nur wann greift es?)
Doch es geht nicht nur um den Rundfunkbeitrag. Der Reformstaatsvertrag, mit dem sich die Ministerpräsidenten gerade beschäftigen, sieht drastische Einschnitte vor. Mindestens 16 ARD-Hörfunkkanäle und etwa die Hälfte der zehn Fernseh-Spartensender von ARD und ZDF sollen wegfallen. Durch diese Streichung von Sendern soll primär eine Kostenreduktion erreicht werden. Man suggeriert, dass durch diese Einsparungen die anstehende Erhöhung des Rundfunkbeitrags zum 1.1.2025 vermieden werden kann.
Im schon zitierten Im Lage der Nation-Podcast wird deutlich, dass diese Logik nicht aufgeht: Die Einsparungseffekte durch die Streichung von Sendern würden erst mittel- bis langfristig eintreten und könnten nicht die kurzfristig anstehende Beitragserhöhung ersetzen. Effekte würden frühestens erst mittel- und langfristig auftreten. Doch es gibt natürlich auch inhaltliche Kritik: Am Beispiel von 3sat wird moniert, dass wichtige Kulturformate möglicherweise verloren gehen könnten. Und es gibt Stimmen, die fordern, an anderen Stellen zu kürzen: Man solle beispielsweise an Florian Silbereisen und den vielen Krimiserien sparen. Doch das würde wohl dann Einschaltquoten kosten …
Verlagslobby gegen Texte der Öffentlich-Rechtlichen
Doch es gibt noch einen anderen Punkt, den ich besonders abstrus finde: die Diskussion um „Presseähnlichkeit“ der Textangebote der Öffentlich-Rechtlichen im Internet. Laut neuem Reformstaatsvertrag sollen die textbasierten Angebote der Öffentlich-Rechtlichen stark eingeschränkt werden. Textinhalte sollen nur noch erlaubt sein, wenn sie einen direkten Sendungsbezug haben – mit Ausnahme einfacher Schlagzeilen.
Anna Biselli kritisiert auf netzpolitik.org völlig zu Recht, dass die strikte Unterscheidung zwischen Text-, Video- und Audioinhalten heutzutage völlig veraltet ist. In der digitalen Medienwelt ist diese Trennung nicht mehr zeitgemäß – und wird auch von privaten Anbietern und Verlagen nicht eingehalten. Doch die Verlagslobby, die Paywall- und Aboschrankenverfechter und ihre Verbündeten pochen darauf.
Liebe Verlags-Fuzzis: Nein, wir schließen keine weiteren Abos ab
Dabei wird eine Einschränkung öffentlich-rechtlicher Textangebote die Probleme der Verlage nicht lösen. Auch ich bezweifle sehr stark, dass dadurch mehr Abonnements abgeschlossen werden. Stattdessen droht eine Situation, in der noch mehr wichtige Informationen hinter Bezahlschranken verschwinden, während Desinformation und populistische Inhalte weiterhin leicht zugänglich bleiben.
Journalismus, gerade der sogenannte Qualitätsjournalismus, muss finanziert werden, und Verlage dürfen natürlich Geld verdienen. Eine Kastration der Textangebote der Öffentlich-Rechtlichen hilft dabei ebensowenig wie das Beharren auf althergebrachten Abonnementmodellen. Mich persönlich schrecken Paywalls nicht ab. Ich bin bereit, für journalistische Qualität zu zahlen. Ich bin aber nicht bereit, Abonnements bei x verschiedenen Publikationen abzuschließen.
Eure Paywalls frustrieren nur und treiben Leute dahin, wo nicht demokratisch informiert wird
Mich interessieren bestimmte Themen und Themengebiete. Für Informationen dazu zahle ich gerne. Doch werde ich nicht wegen des Interesses an einzelnen Schwerpunkten oder Artikeln in der Süddeutschen, dem Handelsblatt, der Zeit oder dem Spiegel all diese Publikationen abonnieren und mich dadurch mittelfristig binden. Ich denke immer noch, dass Micropayment, Bezahlung für einzelne Artikel oder Schwerpunkte, sinnvoll ist und zur Finanzierung beitragen kann.
Ich bin ein Nutzer von Flipboard. Die App sammelt und aggregiert Inhalte von sozialen Medien und Websites und präsentiert diese in einem magazinähnlichen Layout, durch das Nutzer „flippen“ (blättern) können. Flipboard generiert personalisierte Nachrichtenfeeds basierend auf den von mir eingegebenen Interessen und Likes.
Seit wenigen Wochen bin ich extrem genervt, dass in „meinem“ Flipboard vermehrt Artikel oben genannter „Qualitätsmedien“ auftauchen, die eben hinter einer Paywall liegen. An die komme ich nur heran, wenn ich ein Abo abschließe. Ja, ich würde einzelne Beiträge bezahlen, wenn ich es könnte. Geht aber nicht. Es muss laut Vorgabe der Verlage ein Abo sein.
Sie trauen sich an Micropayment pro Artikel oder Heft nicht heran
Es gibt viel zu wenige löbliche Ausnahmen, wie beispielsweise die monatlich erscheinenden Blätter für deutsche und internationale Politik. Dort kann ich online ein ganzes Heft in Print oder digital kaufen, aber auch einzelne Artikel erwerben. Das tue ich dann auch. Und mir sind natürlich – und da schließt sich der Kreis – die freien Textangebote von T-Online oder eben der Öffentlich-Rechtlichen wichtig. Und deshalb hoffe ich, dass die Texte im Web und in den Apps von ARD und ZDF erhalten bleiben. Schließlich zahle ich meinen Rundfunkbeitrag. Doch sollte dieser nicht anders heißen? Aber das wäre jetzt eine andere Diskussion.
Texte im Web, Aboschranken beim Spiegel. Heute bin ich über diesen frei zugänglichen Beitrag auf Spiegel Online gestolpert. Demzufolge gab es vor 30 Jahren den Online-Urknall: „Am 25. Oktober 1994 ging der SPIEGEL als weltweit erstes Nachrichtenmagazin ins World Wide Web. Die Website wurde zum Treiber eines Prozesses, der die Medienlandschaft von Grund auf verändern sollte.“
Die Berichterstattung über 9/11 markiert laut Beitrag einen Wendepunkt: Online-Medien etablierten sich als primäre Nachrichtenquelle. Die Kombination aus Schnelligkeit und Hintergrundberichterstattung sei zum neuen Standard geworden, und die traditionelle Medienlandschaft musste sich neu orientieren. Diese Entwicklung, die mit dem Start von Spiegel Online 1994 begann, habe die Medienlandschaft grundlegend verändert und das Zeitalter des digitalen Journalismus eingeläutet.
Putin, Musk und Konsorten lachen sich ins Fäustchen
Vielleicht befinden wir uns heute wieder an einem Wendepunkt. Vielleicht führen alte Männer und Frauen Scheingefechte über Textangebote im Netz, während sich „die Jungen“ primär über Videos und Audio, über TikTok, YouTube und Instagram informieren? Kann durchaus sein. Doch aufgrund der unterschiedlichen Weisen, wie sich Leute informieren, ist es besonders wichtig, dass möglichst einfach Texte, Audio und Video mit hohem Informations- und Aufklärungsgehalt verfügbar sind, frei oder einfach zu bezahlen, ohne in Kosten- und Abofallen zu laufen. Fake News, Desinformation und Lügen stellen Putins Kolonnen, China und der Iran, aber auch Demokratiefeinde wie Trump und Murks kostenlos zur Verfügung. Deshalb brauchen wir die Öffentlich-Rechtlichen auch weiterhin. Und wir brauchen deren presseähnliche Text und sollten die Beitragserhöhung bewusst mittragen.


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