Multitasking-Terror: Jede Info und Aufgabe bitte in maximal 140 Zeichen

Wir können uns nicht mehr konzentrieren. Wir springen von einem Reiz zum nächsten. Wir brauchen den ständig den Kick. Neue Informationen, neue Nachrichten, neue Kommunikation. Doch maximal in 140 Zeichen. Und selbst das ist zu lang. Der rasend schnell schlagende Puls von Twitter, Facebook, YouTube treibt uns voran. Im Sekundentakt. Oberflächlichkeit statt Hintergrundwissen. Lapidarer Austausch von Floskeln an Stelle tiefgründiger Gespräche. Wir Digital Residents, Nachrichtenjunkies, Web 2.0-Geeks, Nerds, Hippies 2.0, Zwitscherer und Blocker sind (sozial) arme Geschöpfe. Bedauernswert. Der Untergang des Abendlandes.

So oder so ähnlich hört man die, die über die Veränderungen unserer Hirne und den quasi anstehenden Untergang des Abendlandes polemisieren. Ja, natürlich ist etwas dran an dem neuen, schnelleren Informationspuls unseres Web 2.0 Zeitalters. Und ja, es ist auch etwas dran an der Informationssucht, an der Angst, etwas zu verpassen. Ich beobachte das an einigen Tagen durchaus auch an mir. E-Mail checken, denn dort schlägt noch immer der Informationspuls des Unternehmens. Jede 5 Minuten gucken, damit man ja nichts verpasst. Und umgekehrt ist diese Erwartungshaltung ja auch da. „Warum hast Du meine E-Mail noch nicht beantwortet? Hab Sie Dir vor 5 Minuten geschickt.“ Schon E-Mail hat den Takt in vielen Büros verändert und ich beobachte immer wieder, wie Kolleginnen und Kollegen gespannt auf ihren Bildschirm schauen. Gefesselt. Und ich schließe eine Wette darauf ab, daß sie ihren E-Mail Posteingang anschauen und gebannt auf die nächste Nachricht warten, die unbedingt sofort beantwortet werden muß.

Noch, lieber Luis Suarez, sind wir vom Leben außerhalb des Posteingangs weit entfernt. Aber es wird schon besser. Nun terrorisieren uns zusätzlich Statusmeldungen per Twitter, Facebook-Nachrichten, ich muß latent in Blogs und Wikis nachschauen … Aber im Ernst: Es ist etwas dran am Multitasking-Terror, an der ständigen Unterbrechung einer Aufgabe durch auf uns einstürmende andere Informationen. Einerseits stürmt die fremdbestimmte Kommunikation auf uns ein. Wie oft werde ich in einer Aufgabe durch einen aufpoppenden Sametime-Chat unterbrochen? Wie oft zerklingelt mir Telefonanrufe meine Konzentration? Ja, das gibt es ja auch noch, den schon antiquiert anmutenden Telefonanruf.

Das sind Beispiele, in denen ich von außen gestört werde. Aber oft unterbreche ich mich auch selbst, terrorisiere mich selbst, weil ich eben glaube, mal schnell nachschauen zu müssen, was denn da auf Facebook für mich angekommen ist. Das rot leuchtende Zeichen „Da ist was Neues“ ist einfach zu verführerisch. Oder hat jemand meinen Tweet re-tweeted? Gibt es einen neuen Kommentar zu meinem aktuellen Blogbeitrag? Wieviele Personen haben ihn sich schon angesehen? Merkt Ihr was? Die Versuchungen, sich ablenken zu lassen, sind in der Tat sehr groß.

Wir machen uns also Informationsstress und wir werden zum und vom Multitasking gestresst. Da hilft nur eines. Sich und seine Arbeit selbst disziplinieren und organisieren. In Sametime (unserem Chatprogramm, das wir in der IBM nutzen) das STOP-Zeichen setzen – Bitte nicht stören stellen. Das Telefon (oder besser die Telefone, von mobil bis Festnetz) auf den AB (Anrufbeantworter) umstellen. Sich seine Aufgaben und Arbeit einteilen: Die kommenden 60 Minuten stelle ich die Präsentation fertig. Dann nehme ich mir 30 Minuten, um meine E-Mails und meinem Anrufbeantworter zu checken. Nur mit einer solchen Einteilung wird man dem Multitasking und dem Informationsterror ein Stück entringen können.

Und ja, Technologie kann dabei helfen. Über Sametime Unified Telephony steuere ich meine Verfügbarkeit am Telefon. Funktionen, die im Rahmen des Project Vulcan entwickelt werden, führen all meine Posteingangskanäle zusammen: meine E-Mails, meine SAP-Workflows, meine Tweets, Nachrichten aus meinem sozialen Netzwerk, Kommentare in meinem Blog. Und ich kann die Aufgaben und Nachrichten direkt bearbeiten, ohne multitasking-mäßig zwischen den Programmen (und unterschiedlichen Oberflächen) hin- und herspringen zu müssen. Technologie unterstützt also, aber Technologie wird mir nicht meine Selbstorganisation abnehmen. Ich muß mich organisieren, meine Arbeit einteilen. Und das ist eine Ausbildungsaufgabe. Für Schulen, Universitäten und Unternehmen. Nur muß sie auch erkannt werden. Und da habe ich noch meine Zweifel, ob wir trotz aller Multitasking-Weltuntergangs-Propheten dies schon auf dem Radarschirm haben oder die Anwender allein lassen.

Posted from Digital naiv – Stefan63’s Blog

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