Weinsprache – Nicht so süffig im Abgang?

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich etwas intensiver mit Wein. Getrunken habe ich ihn immer gerne, aber nun schaue ich schon mal im Web nach, lese Blogs wie den von Michael Liebert und dortige Weinbesprechungen, bin Mitglied in 1-2 Communities wie 13Grad, baue mir eine Twitter-Liste auf und kaufe mir das ein oder andere Weinbuch wie Carsten Sebastian Henns 111 Deutsche Weine, die man getrunken haben muss  oder auch seine Eichendorff-Weinkrimis. Bei den Weinbesprechungen habe ich sehr schnell über die Sprache mokiert. Hier hat sich eine Spezialsprache entwickelt, die Otto Normaltrinker oft nur sehr schwer verstehen kann. Dirk Würtz äußert sich dazu in seinem Blog und nimmt Bezug auf eine Diskussion auf weinplus.eu:

„Für den größten Teil der bundesrepublikanischen Weintrinker sind das hier nämlich alles böhmische Dörfer, ach was, böhmische Großstädte. … Die alte kryptische Weinsprache wird durch eine neue Spezialsprache ersetzt. … Damit erreicht man aber weiterhin nur den kleinsten Teil der Weintrinker. Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass es unter den deutschen Weintrinkern eine ganz große Gruppe gibt, die man noch mehr für das Thema begeistern kann. … Das läuft, und da hat Martin Koessler völlig recht, über die Emotion. Die muss allerdings verständlich sein, sonst wird das nichts. Und sie läuft in 99 Prozent der Fälle über die Begriffe “schmeckt” und “lecker”. Auch wenn das die Spezialisten nicht hören wollen, dass ist die Realität.“

Ich kann Dirk Würz nur Recht geben, wobei mich manche Verkostungsnotiz durchaus amüsiert, andere wiederum finde ich überkandidelt. Ich bewundere diejenigen, die den Hauch von Kandis und die verschiedensten Beerenuancen aus dem Wein rausschmecken. Manchmal bilde ich mir ein, auch das ein oder andere zu schmecken, aber diese Fülle ganz sicher nicht. Es mag sicher daran liegen, dass jemand, der sich länger mit dem Thema befasst hat, und potentiell Hunderte Weine gekostet hat, da andere Geschmacksnerven und mehr Erfahrung hat. Trotzdem scheint mir manches over the top. Ich zitiere aus dem Gespräch auf weinplus.eu, wo karikaturhaft eine Besprechung persifliert wird:

„Ein eleganter, floraler Duft, ein Feuerwerk an vegetabilen, zartwürzigen Aromen, unterlegt mit einem Hauch reifer Ananas, animierender Grapefruit und leicht kräutrigen Komponenten, im Hintergrund mineralische Anklänge. Am Gaumen eine betörende, zartsüße Frucht mit einer verspielten Würze und einer harmonischen Säure, ausbalanciert, traumhaft dicht, doch schwerelos und glockenklar in der Struktur, dazu herrlich saftig und ein beschwingter, verspielter mineralischer Abgang.“

Einer der Diskutanten bemerkt, dass sich die Qualität eines Weines gegenüber einem Laien nur begrenzt erklären lasse. Da bin ich mir nicht so sicher. Sehr oft wird so nur kryptische Sprache, mangelndes Ausdrucksvermögen und schlechtes Deutsch entschuldigt und daß sich jemand einfach nicht genug Mühe gibt. Ich bin der festen Überzeugung, dass man sehr vieles erklären und vermitteln kann. Man muß allerdings daran arbeiten, verständlich und klar zu formulieren. Daneben kann und wird es Insiderkommunikation geben und das ist auch ok so. Wer aber ein breiteres Publikum erreichen will, ist genau diesem Publikum verpflichet, verständlich zu formulieren. Sonst wird das nix mit der Nachbarin.

Übrigens verspüre ich selbst immer noch eine gewisse Scheu, einen Wein zu besprechen. Ich glaube zwar, dass ich über schmeckt oder schmeckt nicht hinauskomme, aber die ausführlichen Charakterisierungen traue ich mir nicht zu, und das, obwohl ich mir einbilde, durchaus formulieren zu können. Aber wahrscheinlich ist das auch ein bißchen Routine, Trotzdem bewerte ich auf 13Grad den ein oder anderen Wein und gebe ihm meine Punkte (und das nach dem obersten Prinzip, ob er mir schmeckt und wozu er passt).

Schmunzeln muß ich natürlich auch, weil jede „Branche“ ihre Fachsprache hat. Ich komme ja aus der IT-Branche und beschäftige mich dort mit Spezialthemen. Und natürlich haben auch wir unseren, in diesem Fall von Anglizismen überfrachteten Jargon. Es heißt, sich immer wieder selbst hinterfragen, an seiner Sprache arbeiten und konstruktive Anregungen und Kritik entgegennehmen. Ich plädiere dafür, sich auch mal einige Klassiker bezüglich verständlicher deutscher Sprache „reinzuziehen“, von Wolf Schneider bis zum Klassiker Ludwig Reiners. Sprache kann schön sein, ob es um Wein oder IT-Themen geht. Glaube ich … Also gut, mehr oder weniger schön, aber zumindest verständlich

P.S. Ich weiß, daß beide durchaus umstritten sind und Wolf Schneider beim Wort „reinziehen“ toben würde. Trotzdem finde ich einige ihrer Bücher anregend und hilfreich.


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Comments

Eine Antwort zu „Weinsprache – Nicht so süffig im Abgang?”.

  1. […] zu blumig, die Gerüche und Geschmacksvariationen nehme ich wohl nicht so differenziert war und der Abgang mancher Besprechung hinterlässt bei mir doch einen […]

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