Eine interessante Diskussion rund um die Deutschen, Wein und den Willen, Geld für Genuss auszugeben, die derzeit im Web brodelt.
Mir fällt seit Jahren auf, dass die Topweine in anderen Ländern wesentlich höher geschätzt werden als im kaufkraftstarken Deutschland. Die Bereitschaft, für sie ein paar Euro mehr auszugeben, ist bei uns merkwürdig schwach ausgeprägt. Andere Nationen lassen sich Genuss mehr kosten.
… Bei Preisen um 30 Euro pro Flasche ist die Luft nun einmal dünn.
via Streitfrage: Überfordern Große Gewächse den deutschen Gaumen? | weinkenner.de.
Der Weinkenner schildert dann am Beispiel einer Blindverkostung, dass den anwesenden Otto Normaltrinkern die Gutsweine am besten schmeckten, nicht die auch verkosteten grossen Gewächse. Kann ich nachvollziehen. Natürlich preisen die Kenner die angeblich anspruchsvolleren Weine, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie auf dem Holzweg sind und die vielleicht wirklich für eine vermeintliche Weinelite sind, die in Deutschland sicher nicht so zahlreich ist.
Und ja, in anderen Ländern wird deutlich mehr Geld für guten Wein ausgegeben. Die Italiener lieben den Wein, die Franzosen sowieso. Wir Deutschen haben nicht diese Mentalität, dieses Lebensgefühl und sind nicht so einfach bereit, viel Geld für gutes Essen und Trinken auszugeben. Da stelle ich mich auch selbst in den Senkel: Einen Wein über 30 € kaufe ich selten. (Dafür schlage ich in den Preiskategoren darunter viel zu oft zu, aber gerade auch dort gibt es sehr, sehr trinkbare gute Wein.)
Die Deutschen sind tüchtige Manager, Doktoren, Facharbeiter, Bankangestellte, IT-Experten, Verkäufer. Sie verdienen gut. Sie sind gebildet. Doch im Gegensatz zu ihren europäischen Nachbarn ist die zum Genießen befähigende DNA bei ihnen unterentwickelt. Es fehlt die Kennerschaft der Schweizer, der Stolz der Österreicher, die laszive Genusssucht der Franzosen.
…
Möglicherweise liegt es aber auch nur daran, dass Deutschland eine Nation von Ingenieuren, Technikern und kühlen Kalkulierern geworden ist, die die 8-Stufen-Automatik ihres SUVs geniessen können und die interegrierte Tassenspülung ihrer Kaffeeautomats, aber mit so einem unheimlichen Ding wie Wein dann doch irgendwie fremdeln.via Streitfrage: Überfordern Große Gewächse den deutschen Gaumen? | weinkenner.de.
Dazu noch Captain Corks Aussage:
Und deswegen dringt italienischer und französischer, selbst spanischer, portugiesischer und auch österreichischer Wein immer noch tiefer in deutsche Weintrinkerseelen vor, als deutscher Wein. Weil damit Leben, Saufen und Lieben verbunden ist. Und nicht nur darüber Referate halten. Der deutsche Wein hat kein Qualitätsproblem, er hat ein Sinnlichkeitsproblem.
Sinnlichkeitsproblem? Bin da nicht so sicher. Wir Deutschen mögen weniger sinnlich sein. Und vielleicht oute ich mich jetzt als Banause oute und die Aussage “besser” oder “lecker” ist zugegebenermaßen fragwürdig. Ist ein guter Barolo (wenn es denn diese Preiskategorie sein muss) einfach “besser”? Oder besser geschmacklich eingängiger wie vergleichbare deutsche Weine? Eventuell sind die italienischen und französischen Winzer einfach geschmacklich näher an ihren Konsumenten (die dann auch bereit sind, den Preis zu zahlen)?
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