Weniger Kommunikationswahnsinn: Ein Versuch, einige Regeln für E-Mail (und andere Kanäle) aufzustellen

Das Thema E-Mail-Wahnsinn, Stress, Multitasking beschäftigt mich nun schon geraume Zeit. Nicht umsonst habe ich ja auch in der vergangenen Woche mit meinem Kollegen Gerhard Pfau auf der re:publica darüber und eine neue Art zu arbeiten (#NewWayToWork) gesprochen.

Kommunikation, nicht nur E-Mail-Kommunikation muss endlich einfacher werden. Dabei kann Technik unterstützen und dies ist auch nach 20 Jahren Innovationsstillstand beim Thema E-Mail überfällig. Daneben braucht es aber auch persönliche Verhaltensweisen und einen Kommunikationskodex in Unternehmen, um den Herausforderungen und dem Stress in einer Mulitkanal- und Multitasking-Welt zu begegnen.

Hier nun der Versuch, einige Regeln zur besseren Kommunikation zu dokumentieren und zu sammeln. Ich fange mal mit dem Schwerpunkt E-Mail an. Das kann und sollte auch auf die anderen Kommunikationsformen und -verhaltensweisen ausgedehnt werden. Würde mich sehr freuen, wenn Ihr weitere Regeln und Ideen ergänzt.

  1. Keine E-Mails über das Wochenende schicken – Ich bekenne mich schuldig. Auch am Wochenende arbeite ich öfters, lese meine RSS Feedly Feeds, stoße auf die ein oder andere interessante Information, die ich teile oder per Mail weiterleite. Oder aber es fällt mir was ein, was noch erledigt werden muss. Und schwupp ist die E-Mail draussen. Nicht nur meine Kollegin Sarah Malär regt an, keine E-Mails am Wochenende zu schicken, sie stattdessen zu speichern und dann eben Montag morgen zu senden, um so etwas Stress weg zu nehmen und Wochenend-Mail-Ping-Pong zu vermeiden. Also Entschleunigung am Wochenende und über Nacht. Auch nach Feierabend kann und sollte man E-Mail einstellen oder zumindest einschränken. Ich bin dabei kein Freund von E-Mail-Verboten oder gar abgeschalteten Servern. Es sollte sich vielmehr um eine kommunizierte Verhaltensrichtlinie, keine Vorschrift handeln.
  2. Kein bitte bis heute EOB erledigen – Amisprech. EOB steht für End-of-Business. Leider kommen solche E-Mails viel öfters an, als man gerne möchte. Vor allem aber mit einer viel zu kurzen Zeitspanne, in der etwas erledigt werden kann. Wenn nun wirklich etwas dringend bis Ende des Arbeitstages getan werden muss, dann ist E-Mail nicht der richtige Weg, dies zu kommunizieren. Dafür gibt es bessere Arten, jemanden anzusprechen, Telefon oder Instant Messaging, denn …
  3. … man muss nicht jede 10 Minuten E-Mail checken – Vielmehr sollte man sich feste Zeiten einrichten, in denen man seine E-Mails durchschaut. Sich ständig von E-Mail und anderen Kanälen ablenken zu lassen, kann nicht die Lösung sein. Eine Ablenkung kostet 20 Minuten, bis wieder auf seine ursprüngliche Aufgabe konzentriert ist. Nun ist sicher diskussionswürdig, ob man nur morgens, mittags und abends E-Mails checken sollte oder ob dies öfters geschieht. Ich denke, das sollte jedem selbst überlassen werden. Wichtig ist nur, dass man aus der Spirale, sofort immer nach neuen Nachrichten zu schauen, ausbricht.
    Und man kann sicher auch darüber diskutieren, ob man morgens erstmal seinen Tagesplan mit den ToDos macht oder erst mal E-Mails checkt, in denen ja Aufgaben stecken können, die zu erledigen wären. Auch hier meiner Ansicht nach wieder eine persönliche Entscheidung und Arbeitsweise.
  4. Der richtige Kommunikationskanal für den richtigen Zweck – Schon mal Kollegin oder Kollegen am Telefon gehabt: „Du, hast Du schon meine Mail gelesen (die ich Dir vor 2, 10, 20 Minuten geschickt habe).“ Dahinter steckt eine falsche Erwartungshaltung. Wer eine E-Mail schickt, kann und sollte nicht davon ausgehen – siehe oben –, dass diese umgehend beantwortet wird, denn man hat auch noch anderes zu tun, als nur die Inbox zu checken. Wenn wirklich etwas absolut dringend ist, dann bitte den guten alten Telefonhörer in die Hand nehmen oder jemanden direkt anchatten (wen derjenige frei ist zum Chatten). E-Mail ist kein Kanal und kein Ersatz für Echtzeitkommunikation.
  5. E-Mails und Aufgaben, die ich erledigen muss und die für mich erledigt werden sollen – Für mich ist im neuen IBM Verse die einfache Möglichkeit, E-Mails aufgabenorientiert zuzuordnen, das Killerfeature. Ein Klick und eine Mail ist als eine Aufgabe markiert, die jemand für mich bis oder am Montag erledigen muss. Oder ich markiere eine Nachricht als eine Aufgabe, die ich für jemanden tun muss. Ich habe so etwas schon einmal ansatzweise in meinem jetzigen Mail-Klienten versucht und E-Mails in Aufgaben umgewandelt. Geht auch, aber ist noch zu umständlich. In IBM Verse ist es ein Designprinzip, das nur 2 Klicks weg ist. Auch deshalb kann ich es kaum abwarten, auf den neuen Klienten umzusteigen.
  6. E-Mail-Konversationen und Endlosschleifen ausblenden – Wer kennt sie nicht, die schier endlosen E-Mail-Threads, in denen man nur in Kopie ist. Einmal auf den E-Mail-Verteiler gekommen, kommt da nicht mehr runter. 10 oder mehr E-Mails, die hin- und hergeschickt werden, verstopfen das eigene Postfach, obwohl man direkt nichts zu tun hat. Wäre es nicht schön,diese E-Mail-Konversationen auszublenden oder stumm schalten zu können? Google hat so etwas vorgesehen. Und auch in IBM Verse soll so etwas kommen.
    Klingt für mich sinnvoll, auch wenn das Thema Mails in Kopie sicher schwierig ist. Einer meiner Chefs hat mal versucht, alle Mails, in denen er nur in Kopie war, nicht zu lesen. Ich glaube, er hat sie damals sogar gelöscht. Konnte er aber nicht durchhalten, denn natürlich waren hier und da wichtige Informationen enthalten, die er lesen musste, aber …
  7. … genau bedenken, wann man E-Mails CC (in Kopie) schickt – und BCC (Blindkopie) geht gar nicht – Den In-Kopie-Schmerz habe ich ja gerade beschrieben. Trotzdem hat eine Mail, die ich in Kopie an jemanden schicke, natürlich auch seine Berechtigung. Klar ist, dass ein Empfänger direkt adressiert werden muss, wenn eine Nachricht für ihn wichtig ist. In Kopie sollte wirklich nur „zur Kenntnisnahme“ sein. Und auch hier kann und sollte man noch genau darüber nachdenken, wann die E-Mail in Kopie notwendig ist und wann es vielleicht besser ist, eine Information im internen Wissensspeicher des Unternehmens – im Idealfall dem internen sozialen Netzwerk und Intranet – zum Wiederfinden abzulegen. Und Blindkopien gehen aus meiner Sicht im Sinne einer transparenten, offenen Kommunikationsetiquette gar nicht. Dafür gibt es nur sehr selten berechtigte Einsatzgebiete.
  8. Wissen und für andere wichtige Informationen gehören nicht ins E-Mail-Postfach – Wie viele Anwender benutzen ihre E-Mail als Archiv und speichern dort wichtige Informationen, auf die dann logischerweise nur der Besitzer des Postfachs Zugriff hat. Und das hat ja durchaus auch seine Berechtigung. Man darf das machen, aber es muss ebenso klar sein, dass wichtige Information und Wissen, das für das Unternehmen, Kolleginnen und Kollegen relevant ist, nicht in das persönliche Postfach gehört. Diese Information muss in den internen Wissensspeicher wandern. Genau deshalb liebe ich „Share-to-Blogs“ in IBM Verse. Ein Klick und eine E-Mail wandert aus meinem persönlichen Postfach in einen Community und ist dort im Blog von all denen zu finden, die Zugriff auf die Community haben. Genau so schlägt man die Brücke zwischen E-Mail und Enterprise Social Networks/Intranets.
  9. Bitte keine Dateianhänge, zumindest nicht in der internen Kommunikation – Das Versenden von großen Dateien per E-Mail ist eine Unart, die scheinbar nicht oder nur schwer auszurotten ist. Jeder kennt das. Das Postfach wird durch große Präsentationen voll gemüllt. Das kann ganz übel werden, wenn man nur einen gewissen Speicherplatz zur Verfügung hat. Plötzlich ist der Posteingang voll, man muss aufräumen, Anhänge lösen und speichern, bevor E-Mail überhaupt wieder funktioniert. Ich spreche aus eigener Erfahrung …
    Dabei gibt es in den meisten Unternehmen heute Werkzeuge, Dateien im internen sozialen Netzwerk oder im Dokumentenmanagement-System zu speichern und per E-Mail nur noch Links zu verschicken. Ja, die Benutzung sollte noch einfacher werden, aber die Technik ist hier auf einem guten Weg. Beim Versenden einer Datei wird man gefragt, ob man diese nicht besser teilen („sharen“) will, den Empfängern werden die entsprechenden Zugriffsrechte automatisch gegeben und siehe da, die Mailbox wird zumindest nicht von Dateien verstopft. Und im Zeitalter der Cloud geht so etwas nicht nur in unternehmensinternen, sondern auch in der unternehmensübergreifenden Kommunikation.
  10. Der wohl unerfüllbare Traum von der universellen Inbox … – Über immer mehr Kanäle kommen Nachrichten an, ob man sie nun E-Mails nennt oder Instant Messages. In Xing oder LinkedIn schicken mir Leute Nachrichten. Auch über Facebook wird in Echtzeit oder asynchron gemailt. Direct Messages bekomme ich auch über Twitter. Und das WhatsApp immer mehr neben SMS genutzt wird, weiß auch unterdessen jeder. Hinzu kommen unternehmensinterne Chat-Programme ebenso wie Skype, Facetime und das gute alte Telefon, sprich Sprach- und Videokommunikation.
    Den Traum von der universellen Inbox zumindest für Textnachrichten gibt es schon lange, aber es bleibt wohl ein unerfüllbarer Traum, denn eine Xing, LinkedIn oder ein Facebook wollen natürlich gar nicht, dass deren Nachrichten in einem anderen E-Mail-Klienten ankommen und dort gelesen und beantwortet werden. Sie wollen, dass die Anwender in Xing, auf LinkedIn und Facebook gehen. Sie wollen die Anwender in ihrem Ökosystem halten und das ist wohl ein Grund, warum die entsprechenden Schnittstellen (APIs) nicht gerade leistungsfähig sind. Immerhin wird man zumindest per E-Mail benachrichtigt, wenn in diesen Netzwerken eine Message ankommt.
    Ich persönlich kann in meinem Job die Nachrichten, die dort eintreffen, nicht einfach ignorieren, aber natürlich antworte ich bei weitem nicht so schnell, wie ich es mit meiner klassischen E-Mail tue. Xing oder LinkedIn checke ich vielleicht einmal die Woche. Facebook ist für mich eher private Kommunikation. Trotzdem: Die Multikanalwelt ist Realität und wird nicht weg gehen. Text-, Audio- und Videonachrichten prasseln über immer mehr Kanäle auf uns ein und man kann aus meiner Sicht nur versuchen, die Zahl seiner Kanäle zu kontrollieren, seine eigenen Präferenzen zu setzen und auch transparent zu machen, welche Kanäle man bevorzugt.
  11. Rechner, SmartPhone oder Tablet in Meetings zu Seite legen – Also zumindest sollte man während eines Meetings nicht parallel seine Nachrichtenkanäle checken und bearbeiten. Mitschreiben und Provozieren sei bitte erlaubt. Doch ich bekenne mich schuldig. In einer Firma, in der Telefonkonferenzen den Alltag nahezu dominieren, neige auch ich dazu, während der vielen unsäglichen Telefonate parallel zu chatten, Nachrichten zu beantworten und zu schreiben. Das liegt einerseits an vielen nutzlosen, endlosen „Telco’s“, die einem sinnentleert erscheinen – zwei Dutzend Leute in einem „Call“, in dem jemand endlos monologisiert. Andererseits ist es durchaus auch eine Unart, die man selbst ablegen kann und sollte. Zumindest in den Telefonkonferenzen und „richtigen“ Meetings, die ein aktives Engagement und Zuhören erfordern. Zuhören, mitmachen und vielleicht auch den Mut haben, einmal die Hand zu heben, wenn ein Meeting aus dem Ruder läuft. Ich bin ein Freund knapper Telefonkonferenzen mit einer Agenda und einem Ergebnisprotokoll.
  12. Benachrichtigungen gezielt und bewusst auf SmartPhone, Tablet und Computer nutzen – Wir kennen es mittlerweile alle: Überall piept und fiept es. Eine neue Mail kommt an *pling*. Und da, eine WhatsApp *dong*. Ah jetzt, ja, eine Faceboo-Nachricht *klong*. Und ein Tweet *piff-paff*. Auf dem Sperrbildschirm meines SmartPhones – und nicht nur da – geht es zu wie auf einem Jahrmarkt: ein reges, lautes, unruhiges Treiben, das immer wieder meine Aufmerksamkeit gewinnt. Und genau da liegt das Problem – siehe oben das Problem mit der Re-Konzentration nach Unterbrechungen. Und unterbrochen werden wir nicht mehr nur von E-Mails. Auch die anderen Kanäle drängen in den Vordergrund. Deshalb sollte man wirklich darüber nachdenken, den ein oder anderen Kanal im wahrsten Sinne des Wortes stumm und blind zu schalten. Statt jede Nachricht auf dem Sperrbildschirm einzublenden, genügt es ja vielleicht in definierten Intervallen in die Mitteilungszentrale oder direkt in das jeweilige Programm zu schalten.
  13. Und es gilt: Ich bin in einer Besprechung und kann nicht chatten – Wir nutzen auf der Arbeit intensiv ein Instant Messaging-Programm, das in der Echtzeitkommunikation viele Vorteile bietet, von der 1:1-Kommunikation bis zu Gruppenchats. Aber manchmal nervt es auch ungemein, denn der ein oder andere Kollege chattet einem an, auch wenn die eigene Statusmeldung „Ich bin in einer Besprechung und kann nicht chatten“ steht. Da gilt die alte Weisheit: „Mehr Funkdisziplin, bitte“, und die Wünsche des Empfängers respektieren. Meine Konsequenz: Ich schalte auf „Bitte nicht stören“ – dann kann man mich nicht anchatten – oder aber schliesse das Programm komplett, wenn ich an Aufgaben arbeite, die meine volle Konzentration brauchen.

So, das sind die ersten Punkte, die mir eingefallen sind. Ich werde weitere ergänzen und würde mich – wie oben geschrieben – sehr über Euren Input und Kommentare freuen.

Comments

6 Antworten zu „Weniger Kommunikationswahnsinn: Ein Versuch, einige Regeln für E-Mail (und andere Kanäle) aufzustellen”.

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  2. […] And this statement by Joe Staples, CMO of Workfront, is a good fit to my 13 (not only) email communication rules: […]

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  3. […] Weniger Kommunikationswahnsinn: Ein Versuch, einige Regeln für E-Mail (und andere Kanäle) aufzuste… (in German) […]

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