„Folterinstrumente der alten Unternehmenswelt abschaffen. Sie haben in modernen, agilen Umgebungen nichts mehr verloren“ – Marc Frey

Gut gebrüllt, Löwe, äh Marc Frey:

Alle reden über Teamarbeit. Allerdings müssen wir dann auch die Leistung von Teams messen, wenn wir die Arbeit in Teams wollen. Aber eigentlich machen fast alle Unternehmen etwas anderes: Sie messen Einzelleistung. Das ist Unsinn. Das Team ist in einem Unternehmen die kleinste Einheit der Wertschöpfung. In einem heutigen Unternehmen kann ein Einzelner gar keine Wertschöpfung mehr erbringen. Er ist zwingend auf den Leistungsbeitrag des Teams angewiesen.

Wenn sie möchten, dass Dinge in Ihrem Unternehmen anders werden, dann müssen Sie die Dinge anders tun, als sie es bislang getan haben. Sie erhalten sonst immer wieder die gleichen unerwünschten Ergebnisse. Manches muss daher auch auf den Müll: Mitarbeiterbewertungen, Stellenbeschreibungen, strategische Planung, Assessment Center, Organigramme, Bonussysteme, Budgetierung, Forecasts und etliches andere mehr. Dies alles sind Folterinstrumente der alten Unternehmenswelt. Sie haben in modernen, agilen Umgebungen nichts mehr verloren.

über Der Arbeit letztes Gefecht – Simplify Innovators – Medium

Ich schaue links und rechts, lese Beiträge, lausche Vortragenden aus mittelständischen oder größeren Unternehmen, die mit Inbrunst über die digitale Transformation und die Notwendigkeit agiler Organisationen sprechen und schreiben. Die Notwendigkeit des selbständig handelnden und denkenden Mitarbeiter, von Vertrauenskultur und Vertrauensarbeitszeit, von familien- und mitarbeiterfreundlichem HomeOffice, mobiles Arbeiten wird postuliert.

Doch noch lange sind wir nicht dort angekommen, denn die Nomenklatur in Organisationen lebt genau von den Dingen, dem Müll, den Marc aufzählt. Sätze wie „Das ist eine Management-Entscheidung“ sind eher an der Tagesordnung als der vertrauensvolle Dialog und Kommunikation. Wer diese Bürokratien und Hierarchien sowie die damit verbundenen Prozesse nicht wirklich konsequent abbaut, dessen Versuche der Transformation werden scheitern. Da verkommen Konzepte wie agile Teams, die schnell, effizient und selbstbestimmt handeln, zu unglaubwürdigem Berater-Blabla.

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Unterschätzen wir die verkrusteten Strukturen, das Beharrungsvermögen und die Angst um die eigene Position in der Hierarchie nicht. Der klassische Middle Manager hat nur gelernt, hierarchisch zu führen. Command-and-Control sind bekannt und eingeübt, oft in Fleisch und Blut übergegangen. Man muss nicht überzeugen und kommunizieren. Stattdessen wird exekutiert. Mitarbeiter funktionieren. Gerade auch das Middle Management, das natürlich seinen Posten und seine Privilegien behalten will. „Man“ erfreut sich am nicht widersprechenden Mitarbeiter. Querdenker sind Querulanten.

Worüber haben wir eben noch gesprochen? Selbständig denkende Mitarbeiter, Kreativität, Teamwork, offene und transparente Diskussion, flache teamorientierte Hierarchien, Notwendigkeit zum Change Management, um mittelfristig zu überleben. Auf der einen Seite durchaus gute oder gut gemeinten Pläne, Firmen für das digitale Zeitalter fit zu machen, auf der anderen Seite das Controletti-Unternehmen. Die Personalabteilung sucht die besten, kreativsten Talente, doch andererseits sollen Mitarbeiter einfach funktionieren. Wie passt das zusammen? Kann das überhaupt zusammen passen?

Ich bin der festen Überzeugung, dass die bürokratische Verschlankung eines Unternehmens mit seiner digitalen Transformation Hand in Hand gehen muss. Das erfordert aber ein Management mit Mut, das bereit ist Kontrolle abzugeben und das sich vor allem auch gegen die Nomenklatur durchsetzt und diese abbaut. Nur Unternehmen mit flachen Hierarchien, mit einer Diskussions-, Vertrauens- und Innovationskultur werden im digitalen Zeitalter überleben, wo sich Dinge ständig im Fluss befinden. Doch unterschätzen wir nicht die Widerstands- und Beharrungskräfte der Nomenklatura, die sich mit allen verfügbaren „alten“ Rezepten zu überleben sucht. Es ist ein ganz dickes Brett, das gebohrt werden muss.

(Stefan Pfeiffer)

P.S. Mein Kommentar basiert auf einem Beitrag von 2015 über Digitale Transformation, das Middle Management und der Traum vom selbständig handelnden Mitarbeiter – StefanPfeiffer.Blog

Comments

6 Antworten zu „„Folterinstrumente der alten Unternehmenswelt abschaffen. Sie haben in modernen, agilen Umgebungen nichts mehr verloren“ – Marc Frey”.

  1. Sehr guter Artikel. Damit sprechen Sie mir aus der Seele.
    Dieser notwendigen Wechsel wird aber vermutlich so sehr lange dauern, da wir Menschen nun mal Gewohnheitstiere sind 😉

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  2. „Aber eigentlich machen fast alle Unternehmen etwas anderes: Sie messen Einzelleistung. “
    ==> ist leider keine Domäne in Wirtschaft. Schule ist da auch nicht wirklich anders.
    Schlimmer: das ganze ‚Storytelling‘ der Medienwirklichkeit baut doch auf der Leistung des_r Einzelnen auf. Selbst im Fussball, wo immer wieder Team so wichtig ist – man kennt die Spieler und „weiß“ zumindest in aller Regel, wer’s versaut hat…
    Wir haben als Gesellschaft da noch einen Weg vor uns.

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  3. […] Vielleicht und leider bin ich hier negativ und leider pessimistisch. Und ich würde die Diskussion unbedingt über die Frage, welche App eingesetzt wird, hinaus ausdehnen wollen. Es ist oft vielmehr eine Frage der Einstellung. Peter Schütt hat dazu einen lesenswerten Beitrag geschrieben und auf das Beispiel der Robert Bosch GmbH verwiesen, wo von ganz oben vom Cheffe eine Teilen-Mentalität gefordert und gefördert wird. Marc Frey fordert, die Folterinstrumente der alten Unternehmenswelt abzuschaffen. Sie hätten in modernen, agilen Umgebunge…. […]

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