Lesezeichen: Die Schnecke kriecht durch die Glasfaser

Für mich steht der Breitband- oder Glasfaserausbau sinnbildlich dafür, wie Zukunftsthemen in Deutschland oft behandelt werden. Julia Löhr hat auf FAZ+ (also leider hinter der Paywall) das Thema hervorragend aufgearbeitet. Sehr lesenswert. Gestartet ist das Projekt eigentlich in der Ära Helmut Schmidt. Ja, Ihr lest richtig. Die sozialliberale Koalition wollte Deutschland mit Glasfaser vernetzen. Die Regierung Helmut Kohl hat das Projekt dann in unendlicher Weitsicht gestoppt – und lieber in Kabelfernsehen und indirekt Herrn Kirch investiert.

Seitdem dümpelt das Thema vor sich hin, ist eine Geschichte des Scheiterns und Versagens. Bis heute. Es stehen sogar finanzielle Mittel zur Verfügung, aber die Verantwortlichen bekommen das Projekt einfach nicht flächendeckend umgesetzt. Der Beitrag arbeitet die Gründe sehr plastisch auf: Lange Genehmigungsprozesse, europaweite Ausschreibungen, Vergaberichtlinien, Haftungsrechte, kurz bürokratische Hürden sind erwartungsgemäß Gründe dafür. Doch es gebe auch kaum Karten, welche Rohre wo in der Erde verlaufen. Also muss man dann tiefer (und teurer) buddeln. Und: “ Es gibt keine Blaupause für den Weg zu schnellem Internet, jede Kommune fängt bei null an.

Nun soll die von Scheuer geschaffene Mobilinfrastrukturgesellschaft MIG helfen, die Funklöcher zu stopfen. Sie könne – so die einen – ein gutes Instrument sein, um den Investitionsstau aufzulösen, formuliert Julia Löhr. Ich würde es anders formulieren: Sie soll gefälligst zügig dafür sorgen, dass Glasfaser an jeder Milchkanne verfügbar ist.

Die Problematik geht – wie es der Artikel auch ausführt – deutlich über das Thema Glasfaser hinaus, denn eine Vielzahl anderer Infrastrukturprojekte steht an: Ladesäuleninfrastruktur, Wasserstoff-Infrastruktur, Wohnungsbau, energetische Sanierung von Gebäuden und vieles mehr. Ein Mutmacher ist das Thema Breitbandausbau nicht, eher ein Mahnmal. Und auch im Artikel von Julia Löhr wird natürlich das Digitalministerium thematisiert. Dort fordert der Ökonom Michael Hütter eine Matrixstruktur mit Querschnittsministerien (Mehrzahl!) für Dekarbionisierung, Digitalisierung unf Demographie. Die neue Regierung hat viele Aufgaben vor sich! Und wir können uns einen erneuten Verzug wie beim Thema Glasfaserausbau nicht leisten. Da würde sich nicht nur Helmut Schmidt im Grab umdrehen.

(Stefan Pfeiffer)


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