Pflicht und Kür

Pflicht und Kür: Bloggen und Inhalte kuratieren

Natürlich beschäftigt mich latent, was ich wie in meinem Blog veröffentliche, in „meinem Blog“, also meinem ganz persönlichen Notizblick und Tagebuch, meinem Sprachrohr. Dabei unterscheide ich schon seit geraumer Zeit verschiedene Kategorien: Einerseits sind da die selbst kreierten Beiträge, oder um es knackig zu formulieren: Beiträge, die weitgehend auf meinem eigenen Mist mit eigenen Gedanken gewachsen sind. Solche Artikel brauchen in aller Regel eine gewisse Zeit, denn sie wollen durchdacht und formuliert werden, wobei ich oft feststelle, dass sie sehr flüssig aus der Tastatur fliessen, da ein gewisser, emotionaler „Drang“ da ist. Solche „Eigengewächse“ sind für mich die Kür des Bloggens.

Inhalte kuratieren – und kommentieren

Daneben gibt es in meinem Blog ein zweite für mich ebenfalls sehr wichtige Kategorie von Beiträgen: Hier zitiere ich in der Regel Artikel, die ich in positiver oder negativer Beziehung so bemerkenswert finde, dass ich sie weiter verteilen oder kommentieren will. Dabei kommt es durchaus oft vor, dass ich Kernzitate aus den Beiträgen auswähle und selbst sehr sparsam kommentiere. Sie sind dann aus meiner Sicht so gut formuliert, dass ich nicht mehr viel hinzufügen muss und will. Hier kuratiere ich „nur“ Inhalte, kreiere sie nicht selbst. Im Bild würde ich hier von der Pflicht des Bloggens sprechen. Natürlich sind die Grenzen zwischen Kür und Pflicht fliessend, besonders dann, wenn ich ausgiebig kommentiere und meine eigenen Gedanken hinzufüge.

Pflicht und Kür des Bloggens und Kuratierens

Im Englischen wird von Content Creation und Content Curation gesprochen. Ich weiss, dass viele Blogger nichts von Content Curation halten, denn ihnen fehlt dort der kreative, eigene Teil. Durch meinen Hintergrund als ehemaliger Journalist habe ich dazu eine andere Einstellung. Während meiner Zeit in der BTX-Redaktion der FAZ habe ich die Informationsflüsse der grossen Agenturen verfolgt und daraus selektiert und zusammengefasst, was für meine Leser lesenswert sein könnte. So ähnlich betrachte ich das auch mit dem Bloggen. Ja, ich sehe die Bedeutung von Content Curation, des bewussten Auswählens und Verteilens relevanter Inhalte heutzutage angesichts der Informationsflut als noch wichtiger an. Dies gilt übrigens nicht nur für meinen privaten Blog, sondern galt und gilt auch immer in meinen Jobs, wo ich die Kolleginnen und Kollegen mit wichtigen Inhalten „versorge“.

Sind kuratierte Inhalte „minderwertig“?

Zurück zur Content Curation: Diese kann natürlich auch über andere Kanäle stattfinden. Twitter war für mich dafür ein klassischer Kanal. Diese Rolle hat jetzt für mich Mastodon übernommen. Bewusst habe ich mich aber dafür entschieden, meiner Meinung nach sehr lesenswerte Beiträge in meinen Blog aufzunehmen und sie so der Flüchtigkeit der Timeslines der Social Media-Plattformen zu entreissen. Der potentielle Nachteil: Der Blog erhält den oben beschriebenen Mix kuratierter und selbst erstellter Beiträge. Manch einer hat schon kommentiert, dass kuratierte Beiträge und damit der Blog dadurch minderwertiger seien. Ich sehe das (logischerweise) nicht so, sondern glaube genau an diesen Mix, aber jedem Tierchen, äh Blogger, sein Plaisirchen.

„Share. Don’t Steal“

Noch eine aus meiner Sicht sehr wichtige Bemerkung zum Thema Content Curation, das angesichts von Diskussionen rund um Copyrights, Leistungsschutzrecht und potentiell kopierter Doktorarbeiten nötig zu sein scheint:

Share. Don’t Steal.
Take the time to give attribution, links back, and credit. The sharing economy works because we’re each sharing our audiences, and providing the value of our endorsements.

via 5 Tips for Great Content Curation.

Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Zu meiner Studien- und journalistischen Zeit haben wir gelernt, dass wir sowohl Quellen immer nennen wie auch die Glaubwürdigkeit von Informationen quer checken sollen und müssen. Gerade im Zeitalter alternativer Fakten und „ich hab es aber auf Facebook gelesen“ ist das immer noch oder gerade wieder dringend notwendig.

Zu viel Unsinn, zu viele Unwahrheiten werden auf X/Twitter, Facebook, Insta und welchen anderen sozialen Kanälen auch immer als „wirklich wahr“ veröffentlicht, zu wenig Zeit scheint in die Überprüfung und Moderation der Beiträge und Fakten verwendet zu werden. Die aktuelle Entwicklung rund um X/Twitter ist nur ein abschreckendes Beispiel, wo Klicks und Reichweite nun wichtiger sind als Hass-Postings und radikale Inhalte zu stoppen.

Haben Blogs an Bedeutung verloren?

Vor 10 Jahren, als das Original dieses nun überarbeiteten Beitrags erschien, habe ich geschrieben, dass die von mir bewusst ausgewählten Blogs das seien, was für mich „Die Zeit“ während meiner Studienzeit war: Anregung, Hirn- und Nachrichtenfutter für den Informationsjunkie. Doch scheint mir, dass die Bedeutung von Blogs in den vergangenen 10 Jahren abgenommen hat. Schaue ich heute mein „Nachrichtenlesegerät“, meinen RSS Reader Feedly an, so finde ich dort wieder weniger Blogs, mehr traditionelle Nachrichtenkanäle. Verschwunden aus Feedly sind leider die Twitter-Timelines bekannter Journalisten, die mir viele Jahre eine wertvolle Informationsquelle waren. Herr Musk hat ja die API dicht gemacht.

Kompetente Geschichtenerzähler gesucht

Obwohl sie wohl nicht mehr so beliebt sind, bleiben Blogs für mich eine wichtige Institution und Informationsquelle. Sie sind für mich ein wichtiges Profil der jeweiligen Autoren. Nicht umsonst haben ja auch bekannte Publikationen Blogs für einige ihrer Autoren eingerichtet. Und ich fasse den Begriff weit über das geschriebene Wort hinaus. Einige Videoblogs und Podcasts fallen für mich unter die Kategorie Blog. So bleiben Bloggerinnen und Blogger für mich als Informationsquelle wichtig und bedeutend. Und ich freue mich immer kompetente Kuratorinnen und Kuratoren, gute Geschichtenerzählerinnen und -erzähler zu finden, die inspirieren und an denen man sich auch einmal inhaltlich reiben kann.

Die persönliche Heimat – der Notizblock

Ganz persönlich ist mein Blog, der einmal als DigitalNaiv gestartet ist, meine wirkliche Heimat im Netz. Die Inhalte und Beiträge gehören mir, keinem anderen, keiner 3rd-Party-Plattform. Zudem erscheint mir ein Blog bei weitem nicht so flüchtig, wie die Timelines von Twitter oder LinkedIn. Natürlich freut sich jede Bloggerin oder jeder Blogger über viele Leserinnen und Leser. Jedoch ist mein Blog nicht so bedeutend, nicht so auf Reichweite geeicht, ist es für mich eher Notizblock und Tagebuch, auch wenn ich natürlich Trends unserer Zeit verfolge und bewusst kommentiere. Deshalb bin ich auch bei den regelmäßig eingehenden Anfragen, ob ich Gastbeiträge veröffentlichen will, immer sehr zurückhaltend. Kommt es aber durch einige meiner Beiträge zu Diskussionen und Austausch, im persönlichen Gespräch, in Kommentaren auf dem Blog oder auf Mastodon und LinkedIn, ist das ein gerne gesehenes willkommen I-Tüpfelchen.

Dieser Beitrag ist im Original vor 10 Jahren – also 2013 – erschienen. Ich bin beim „Blättern“ durch meinen Blog per Zufall wieder darauf gestoßen, habe ihn aktualisiert und jetzt nochmals veröffentlicht, da das Thema aus meiner Sicht weiter wichtig ist. Das Resümee hat sich auch durchaus verändert.

Comments

3 Antworten zu „Pflicht und Kür: Bloggen und Inhalte kuratieren”.

  1. Es ist erstaunlich, wie sehr sich die Wahrnehmung von Arbeit und die Art und Weise, wie wir sie in unseren Blogs darstellen, im Laufe der Zeit verändert haben. Deine persönliche Reflexion über die Kategorien von Beiträgen in deinem Blog und die Mischung aus „Eigengewächsen“ und kuratierten Inhalten ist äußerst interessant.

    Die Idee von Content Creation und Content Curation, die du ansprichst, ist eine relevante Unterscheidung, insbesondere in Zeiten der Informationsflut. Ich finde es bewundernswert, wie du die Rolle der Content Curation betonst und die Bedeutung des bewussten Auswählens und Weitergebens von relevanten Inhalten hervorhebst. Dein Grundsatz „Share. Don’t Steal.“ ist in der Tat von entscheidender Bedeutung, um die Glaubwürdigkeit von Informationen zu wahren und Fehlinformationen zu bekämpfen.

    Die Betrachtung der Entwicklung von Blogs über die letzten Jahre ist ebenfalls interessant. Es stimmt, dass sich die Landschaft verändert hat und traditionelle Nachrichtenkanäle stärker vertreten sind. Dennoch sind Blogs nach wie vor eine wertvolle Informationsquelle und bieten eine persönliche Perspektive, die oft in traditionellen Medien fehlt.

    Dein Blog als persönliche Heimat im Netz zu betrachten, ist eine schöne Art, ihn zu beschreiben. Es ist der Ort, an dem deine Gedanken und Ideen unverfälscht erscheinen, ohne die Einflüsse von Drittanbietern. Dein Ansatz, nicht nur auf Reichweite, sondern auf die Qualität des Austauschs und der Diskussionen zu setzen, ist bewundernswert.

    Danke, dass du diesen Beitrag geteilt hast, und es ist interessant zu sehen, wie sich deine Perspektiven über die Jahre entwickelt haben. Blogs mögen in der Medienlandschaft in den Hintergrund geraten sein, aber sie behalten ihren Wert als persönliche Ausdrucksform und Informationsquelle bei.

    Mit freundlichen Grüßen
    Miss Katherine White
    https://www.miss-katherine-white.com/der-hass-steht-ueber-allem/

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    1. Ganz lieben dank für Deinen Kommentar. Ich kann nur zustimmen.

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  2. Am Ende dieses ausführlichen und lesenswerten Beitrags über dein persönliches Bloggen dann die Überraschung: Es ist also ein – aktualisierter – Artikel von vor 10 Jahren!

    Und ja, ich kann das nachvollziehen: den Bedeutungsverlust der Blogs zugunsten anderer Kanäle – und vor allem zugunsten der Sozialen Medien, auf die viele umgesattelt sind, die früher ein Blog hatten. Aus meiner Sicht hatten Blogs ihre beste Zeit um 2005 bis 2010 – seit 2006 läuft mein ’99 begonnenes Mischthemenblog auf WordPress (selbst gehostet). Das Aufkommen dieses Blogsripts, das mittlerweile zur eierlegenden Wollmilchsau heran gewachsen ist, löste erstmal einen Boom aus, denn es machte vieles sehr viel einfacher im Vergleich zur verherigen Techniken.

    Ganze Artikel schreiben ist aber offenbar nicht das, was viele „eigentlich“ wollten, die früher ein Blog führten. Kleine Häppchen, Anmerkungen, Kommentare, oft nur noch ein „Like“ – das entspricht viel mehr dem Zeitgeist – mal abgesehen von jenen, die immer schon einen Draht zum Schreiben hatten. Ich denke allerdings nicht, dass Blogs ganz verschwinden werden, eben weil es für einige unverzichtbar ist, einen eigenen Kanal zu haben, das „Sprachrohr“, wie du es nennst.

    Übrigens finde ich dein Blog auch optisch und ergonomisch heraus ragend! Normalerweise melde ich mich nicht extra an, um irgendwo zu kommentieren. Das ist hier ganz organisch eingebunden und macht gefühlt nicht mehr Arbeit. Auch sonst stimmt alles, Schriftgröße, Zeilenabstand, Zeilenlänge und Kontrast, natürlich auch die allgemeine Aufteilung, wenige Links oben, auch unterhalb noch etwas zum weiterlesen – einfach schön!

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