Die 4. Gewalt

Die Rolle der vierten Gewalt: Die öffentlich-rechtlichen Medien und ihre Verantwortung für unsere Demokratie

Wochenschau links breit

Vergangenen Dienstag, am 6. Februar 2024, haben Lars und ich darüber diskutiert, welchen Raum öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten Vertretern der AfD inbesondere in Talkshows und Live-Diskussionen gibt. Nach der Sendung bin ich auf weitere interessante Artikel zum Thema gestoßen.

In einem Kommentar mit dem Titel Interviews mit AfD-Politikern – ein notwendiger Dialog auf Deutschlandfunk.de betont Henry Bernhard, Landeskorrespondent in Thüringen, dass es die Aufgabe des Journalismus gerade in den Öffentlich-Rechtlichen Anstalt ist, über das gesamte politische Spektrum und alle Parteien zu berichten und einzuordnen, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung. Auch wenn die AfD offensichtlich und ihre rechtspopulistischen und rechtsextremen Ansichten vertritt, müssten Journalisten „sagen, was ist“.

Viele Journalisten sind im Interview den Afd’lern eben nicht gewachsen

Bernhard argumentiert und fordert, dass Journalisten gründlich vorbereitet sein sollten, um potenziell falsche Informationen oder Verzerrungen in den Aussagen der AfD-Politiker widerlegen zu können. Sonst würden Interviews und Talkshows zu Plattformen, um deren Aussagen wirkungsvoll zu verbreiten. Genau das ist aber in vielen Sendungen passiert, zuletzt im Gespräch zwischen dem Afd’ler Tino Chrupalla und Markus Lanz, wo der Moderator krachend gescheitert ist. Ja, es gibt auch andere Beispiele wie das Interview von Sandra Maischberger mit dem Politiker.

„Hörer, Leser, Zuschauer sind mündig und haben es auch verdient, so behandelt zu werden,“ so Bernhard und auch AfD-Wähler würden Rundfunkbeiträge zahlen. Zudem werde gerade im öffentlich-rechtlichen Rundfunk – im Gegensatz zu den sozialen Medien – Populisten und Demagogen von Rechtsaußen widersprochen: „Hier wird noch eingeordnet.“

Die Gefahr der AfD-Propaganda: Warum Livegespräche ein Risiko darstellen

Marina Weisband, Jüdin und ukrainisch-deutsche Politikerin und Publizistin, argumentiert in ihrer Kolumne auf Deutschlandfunk.de, dass der Antifaschismus für Juden und andere Minderheiten in Deutschland alternativlos sei, um sich zu verteidigen. Sie betrachtet Antifaschismus als Teil des Schutzes und der Verteidigung der Demokratie. Dies sollte für alle deutschen Bürgerinnen und Bürger und insbesondere für die öffentlich-rechtlichen Medien und gelten.

Wenn man nun unter der Prämisse einer umfassenden, neutralen Berichterstattung Rechtsextremen eine Plattform gebe, gehe man ein hohes, ein zu hohes Risiko ein, denn Rechtsextreme nutzten demokratische Freiheiten wie eine freie Presse dazu, die Demokratie mit eben diesen demokratischen Mitteln zu vernichten.

„Die Ausrede, man wolle die Rechten „mit Argumenten stellen“ oder „entzaubern“, ziehen meiner Meinung nach im Jahre 2024 nicht mehr. Wir haben die Erfahrung, dass es nicht funktioniert. Wir haben die Erfahrung, dass es in den 1930er Jahren nicht funktioniert hat, wir haben die Erfahrung, dass es in den USA der Gegenwart nicht funktioniert und wir haben die Erfahrung, dass es mit der AfD nicht funktioniert.

Denn das Überzeugende an ihr sind nicht Argumente. Sondern ihre Wut. Ihr Populismus. Und ihre Zerstörung.“

Quelle: Öffentlich-rechtliche Medien müssen antifaschistisch sein

Einschub: Danke all denen, die im offenen sozialen Netzwerk Mastodon im Fediverse dieses Zitat von Marina Weisbrand geteilt, favorisiert und vor allem kommentiert haben. Wer sich die lesenswerten Kommentare anschauen will, findet den Thread hier.

Ihrer Ansicht nach darf man Parteien, die verfassungswidrige Maßnahmen fordern und rassistische Rhetorik verwenden, keine Plattform geben. Dies widerspreche dem Mandat der öffentlich-rechtlichen Medien. Viele Gruppen und Minderheiten seien bedroht und angesichts dessen: „Was ist die Aufgabe der vierten Gewalt in diesem Staat?“

Meine 2 Cents: Keine Livebühne mehr geben, berichten und einordnen

Meine 2 Cents: Ich bin der Meinung, dass man AfD-Politikerinnen und -Politikern in den Öffentlich-Rechtlichen keine Livebühne und -plattform zur Verbreitung ihrer Halbwahrheiten und Lügen geben sollte. Mir scheint, die meisten Talkmaster und Interviewenden sind den AfD-Sprecherinnen und Sprechern nicht gewachsen. Statt sie zu entlarven und zu entzaubern, können die nur zu oft ihre Propaganda mehr oder weniger ungefiltert verbreiten. Die Öffentlich-Rechtlichen sollen über sie berichten und einordnen, aber bitte nicht die Risiken der live geführten Gespräche eingehen. Auch ich sehe es so: Die vierte Gewalt und gerade der öffentliche-rechtliche Rundfunk haben eine Verantwortung für unsere Demokratie. Sie sollten und müssen konsequent unsere Demokratie verteidigen.

Keine Nummer kleiner: Jetzt für Demokratie eintreten, damit 1933 nicht wieder passiert

Noch ein anderer Kommentar hat mich schon vergangenen Sonntag bewegt. 2024 ist nicht 2023 (€), titelt Jochen Buchsteiner am 4. Februar 2023 – und hat das Thema einfach verfehlt. Sein Tenor: Wir seien noch lange nicht so weit wie 1933, weder sei die AfD so gewalt- und umsturzbereit wie die NSDAP, noch habe sie bisher eine so breite Wählerbasis. Uns sollten besser nicht die Nerven durchgehen. In den Nachbarländern sehe man ähnliche Tendenzen.

Lieber Herr Buchsteiner, das alles macht es nicht besser. Gerade weil wir noch nicht in einem Zustand wie 1933 sind, gilt es jetzt zu verhindern, dass wir dorthin kommen und der Rechtspopulismus genau nicht die Kraft zum Umsturz entwickelt. Deshalb genau tut es eben „eine Nummer kleiner“ nicht. Alle Demokratinnen und Demokraten sollten dankbar sein, dass viele Bürger aufgewacht sind, um für die Demokratie einzutreten. Reden Sie das nicht klein, begrüßen und unterstützen sie es. 1933 und davor ist etwas Vergleichbares nicht passiert.

Gerade einige Autoren der FAZ sollten aufhören, die AfD zu verharmlosen, da einige Programmpunkte „harmlos“ und diskutierbarseien. Andere sind es eben nicht. Demokratinnen und Demokraten sollten immer, aber auch jetzt gerade wachsam und wehrhaft sein. Ich empfehle ausdrücklich den Kommentar von T-Online Chefredakteur Florian Harms, der die Machtergreifung der Nazis innerhalb weniger Wochen skizziert und bei allen Unterschieden zu damals auch Parallelen wie die Zerstrittenheit der demokratischen Parteien aufzeichnet.

Antifa: Rechtspopulismus aktiv bekämpfen

Noch eine Anmerkung zum Begriff Antifa, der viele aus historischen Gründen links und linksextrem belegt ist. Ich denke, davon sollten wir uns unterdessen lösen und uns vielmehr auf die folgende gemeinsame Definition auf Wikipedia einigen: „Seit etwa 1980 werden Gruppen und Organisationen als Antifa bezeichnet, die nach eigenem Selbstverständnis Neonazismus, Antisemitismus, Rassismus, völkischen Nationalismus und rechtsgerichteten Geschichtsrevisionismus aktiv bekämpfen.“

R.i.P. Alfred Grosser

Zuletzt noch ein Satz zum großen Historiker, Publizisten und deutsch-französischem Vermittler Alfred Grosser, der im Alter von 99 Jahren jetzt verstorben ist. Ich durfte ihn mehrmals erleben und Er war einer dieser beeindruckenden, intellektuellen Persönlichkeiten mit einem besonderen Lebenslauf, die man nicht vergisst. Eines seiner Bücher, Das Bündnis, steht seit dem Studium in meinem Bücherregal.

Das Titelbild wurde mit GenAI Ideogram.ai nach folgendem Prompt erstellt: create a PHOTO with journalists writing articles, in front of a camera or doing radio interviews – in the background you see a banner „4. Gewalt“.

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