Stammtischparolen und politische Diskussion: Viel Lamentieren mit gefährlichem Trend

Wochenschau links breit

Ich komme vom Dorf und in jungen Jahren gab es natürlich unsere Dorfkneipe. Da wurden Sieg oder Niederlage unserer Fußballmannschaft ertränkt. Da würde Lügenmäxchen und Skat gespielt. Und da wurde auch kräftig schwadroniert und mit steigendem Alkoholkonsum gar manche Stammtischparole raus gehauen. Das war schon damals so.

Daran musste ich denken, als ich vergangenes Wochenende den Beitrag von Ralf Euler im Rhein-Main-Teil der FAZ gelesen habe. Der Artikel ist dann später auch online gegangen, leider hinter der Paywall. Zwar gibt es heute wesentlich weniger Kneipen, meist nur noch Bier-und-Korn-Spelunken, aber in den verbliebenen wird natürlich weiter „philosophiert“ und die aktuelle politische Situation lebhaft diskutiert.

Schon immer wurde in den Kneipen lamentiert, doch gerade schaukeln sich die Besucher in ihrer Unzufriedenheit gegenseitig hoch und machen die Bundesregierung, Kanzler Scholz und besonders die „Groine“ für Kriminalität, Inflation, Zuwanderung, quasi für alles verantwortlich. Die Stimmung ist geprägt von Schwarzmalerei, Pessimismus und gelebter Negativhaltung.

Die Sehnsucht nach „guter Politik“ ist groß, doch ein klares Bild davon, was dies bedeuten könnte, hat kaum jemand. Die Bereitschaft für einfache Lösungen und starke Führung wächst, ebenso die Meinung, dass „die Demokratie“ zu komplex und kompliziert geworden sei.

Das ist auch der Nährboden für die AfD: „Die in Teilen rechtsextreme Partei wird nach dem fünften Bier mit einer nur noch leicht verbrämten Hochachtung zur Sprache gebracht. Die AfD wählen, nein – Gott behüte! Aber dass es sie gebe, sei gar nicht so schlecht, weil sie den Etablierten „Feuer unter dem Hintern“ mache

Nur zu oft wird dabei, bei all dem Lamentieren, das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Bei aller berechtigten Kritik an der Ampelkoalition wird meist vergessen oder vernachlässigt, dass Corona, der russische Angriff auf die Ukraine und auch der Nahost-Konflikt jede Regierung vor ganz besondere Herausforderungen stellen würden. Ralf Euler fordert meiner Meinung nach zu Recht, bei aller notwendigen Kritik und einem scharfen Blick auf real existierende Missstände positiv und konstruktiv an unsere Situation heranzugehen. Das fällt sicher manchmal schwer, ist aber genau Gebot der Stunde. Nehmen wir die positiven Vibes der Demonstrationen gegen die Rechtsextremen und die AfD mit.

Immer mehr Macht von TikTok: Onlinehandel, Musik, Rechtsextremismus

Aufgefallen sind mir in der vergangenen Woche zahlreiche Berichte rund um TikTok. TikTok hat sich in den letzten Jahren zu einer Plattform entwickelt, die weit über Selbstdarstellungsvideos und die Musikindustrie hinausreicht. Die Plattform beeinflusst die Art und Weise, wie Marken groß werden oder Bücher Bestseller-Status erlangen. Darüber hinaus hat TikTok mit seinen direkten Produktverlinkungen begonnen, den etablierten Onlinehandel zu überholen, wodurch große Unternehmen wie Amazon und Zalando unter Druck geraten.

Viel diskutiert wird auch der Einfluss und die Reichweite, die Rechtsextreme und für Deutschland besonders relevant die AfD auf TikTok haben: „Hier erstarken Hardcorepolitiker aus der AfD. Alice Weidel und Co haben früh den Kommunikationskanal für sich entdeckt. Andere Parteien haben das verschlafen,“ schreibt Bettina Weiguny in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung 13. Februar 2024.

Mit durch KI erzeugten Videos und Fake Reality wird es noch schlimmer

Die Kommunikationsfreiheit auf TikTok hat schon jetzt negative Aspekte, die noch schlimmer werden können, wenn sie mit künstlicher Intelligenz, wie der Text-zu-Video-KI Sora, kombiniert wird. „Politisch, gesellschaftlich und nachrichtlich ist TikTok bei Weitem nicht nur, sondern inzwischen eben auch ein Feuerwerk der Manipulation, das sich hervorragend zur Verbreitung von Ideologien eignet“, so Sascha Lobo im Spiegel unter dem Titel „FakeNews war gestern. Die Ära der Fake Reality beginnt“. Durch die neuen KI-Fähigkeiten kann ein noch schlimmerer Tsunami an Fake News und Hate Speech über uns hereinbrechen. Besonders bedenklich angesichts der kommenden Wahlen.

Gut, dass die EU-Kommission jetzt die Einhaltung der mit dem Digital Services Act erlassenen Regeln überprüft. Die Untersuchung konzentriert sich auf TikToks Umgang mit Jugendschutz, Datenschutz und Werbung. Angesichts der wachsenden Macht und des Einflusses der Plattform bestehen ernsthafte Bedenken hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gesellschaft. Alarmierend ist gerade auch die Welle an Antisemitismus auf TikTok. Es ist offensichtlich, dass die EU und andere Länder hier zeitnah einschreiten sollten.

Ignoriert die rechtsextremen Leserbriefe

Schließlich möchte ich noch auf den Beitrag von Marina Weisband auf Deutschlandfunk.de hinweisen. Sie prangert korrekterweise ab, dass die Redaktionen, insbesondere die Öffentlich-Rechtlichen, zu sehr durch die Flut von Leserbriefen beeindruckt sind, mit denen Rechtsextreme seit Jahren Politiker, Redaktionen und Prominente bombardieren. Jeder, der bei Drei nicht auf den Bäumen ist, bekommt hasserfüllte Beschwerden über Wokeness, über den Verfall von Werten und die arme, ignorierte und natürlich falsch dargestellte AfD.

Medien sollten sich durch Post von Rechtsextremen nicht unter Druck setzen lassen. Statt jeden AfD-Sprecher in Interviews und Talkshows einzuladen, wäre es angebracht, endlich umfassend und fair über die Proteste der Mitte gegen Rechtsextremismus zu berichten und Sprecherinnen und Sprecher aus dieser Bewegung einzuladen.

Goodbye Anonymität @Kununu & Co

Die F.A.Z. berichtet: Haben Unternehmen Zweifel an einer (kritischen) Bewertung auf Bewertungsportalen wie Kununu oder Glassdoor, so muss nach diesem Urteil der Eintrag gelöscht werden oder die beurteilende Person muss sich klar identifizierbar machen. Goodbye, Anonymität. Damit werden diese Jobplattformen noch obsoleter. Sie werden eh größtenteils durch kostenpflichtige Beiträge der Arbeitgeber finanziert.

Die Titelgrafik wurde mit ideogram.ai mit dem Prompt Create a picture of a typical German village pub in Donald Duck-style where 4 men are gesticulating and arguing at the bar while drinking beer and schnapps

Comments

Eine Antwort zu „Stammtischparolen und politische Diskussion: Viel Lamentieren mit gefährlichem Trend”.

  1. Guter Artikel, dem ich rundum nur zustimmen kann! Mein Heizungsmonteuer hat mir am Freitag bei der jährlichen Wartung auch einen entsprechenden Vortrag gehalten: Überall Chaos, absurdes Heizungsgesetz, keiner weiß, wo es lang geht – und wegen der vielen Flüchtlinge würden nur noch Wohnungen für diese gebaut, auch der Fachkräftemangel werde MEHR, da alle in diesen Neubauten beschäftigt seien. (???)

    Ich hoffe sehr, dass AI so weise ist, ihre Text-to-Video-KI nicht vor den amerikanischen Wahlen für die breite ÖFfentlichkeit zu öffnen!

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