Dateianhänge: Der Tod effizienter digitaler Zusammenarbeit

Sie sind der Beginn allen Übels. Sie verstopfen E-Mail-Postfächer. Sie verteilen sich wie Pollen auf lokalen Festplatten. Sie sind nicht kontrollierbar. Und sie sind der Tod vernünftiger digitaler Zusammenarbeit. Von was spreche ich? Dateianhänge. Seitdem E-Mail den Einzug gehalten hat, werden Dateien, meist Texte, Tabellen und Präsentationen, aber vermehrt auch Grafik- und PDF-Dateien als Dateianhang verschickt. Von einer Person an zehn Empfänger. Diese zehn Empfänger verteilen sie dann weiter. Und oft wird von verschiedenen Personen an den Dokumenten editiert. Und schnell stellt sich die Frage, was denn nun die aktuelle und richtige Version einer Datei ist.

Nun haben wir eigentlich seit Jahren die Werkzeuge zur Verfügung, um diesem Chaos ein Ende zu machen. Doch weit gefehlt. Keine der Lösungen hat bisher wirklich Abhilfe beim Dokumenten- und Dateienchaos geschaffen. Weder die frühen Dokumentenmanagement-Systeme wie PC Docs noch ein Sharepoint oder ein Box. Dies ist auch die Geschichte meines persönlichen Scheiterns. Vor vielen Jahren habe ich bei meinem damaligen Arbeitgeber PC Docs im deutschen Markt eingeführt. Direkt integriert in Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation konnten die Anwender ihre Dateien im DMS speichern und versionieren (aber zum Thema Versionieren gleich mehr). Eigentlich genial wurde dies in vielen Systemen kopiert und ist heute Standardfunktionalität in Dokumenten Management Systemen. Aus der Dokumentenverwaltung heraus konnten schon damals Links zu den im System verwalteten Dokument verschicken und eben nicht Dateianhänge. Auch dies ist heute gang und gäbe in den meisten Systemen.

Doch all das hat nichts daran geändert, dass viele, ja die meisten Anwender noch immer Dateianhänge verschicken und Dokumente lokal auf der Festplatte in eigenen Verzeichnisstrukturen unter mehr oder weniger kryptischen Namen speichern. Wir haben es nicht geschafft, die Arbeitsweise der Anwender zu ändern. Einerseits sind Gewohnheiten, die sich einmal eingeschliffen, nur schwer oder gar nicht abzulegen. Andererseits scheinen unsere Systeme noch immer nicht so einfach zu bedienen zu sein, dass die Anwender sie gerne nutzen und adaptieren. Ein Armutszeugnis.

Und so werden munter weiter Dateianhänge mit Namen wie „VertragMeierV3a.doc“ verschickt, während ein anderer Anwender bereits an „VertragMeierV4b.doc“ arbeitet. Konsistente Dokumente, wo jeder weiß, was die richtige, aktuelle Version ist? Von eine nachvollziehbaren Versionsverwaltung, mit der man die Bearbeitung nachvollziehen kann, sind wir noch immer weit entfernt.

Und täglich erfahre ich, dass selbst in leistungsfähigen Werkzeugen zur sozialen Collaboration, die integrierte Datei- und Dokumentenverwaltung mit leistungsfähiger Versionierung bieten, Dateien als Anhang in Wiki- und Blogbeiträge oder in Projekten und Aktivitäten abgelegt werden. Ein Horror für jemand, der sich mit dem Thema nun schon lange beschäftigt und an effizienteres, schlaueres Arbeiten im Büroalltag glaubt.

Doch nein, resignieren dürfen wir bei aller Frustration nicht. Das dicke Brett des Datei- und Dokumentenmanagements muss weiter gebohrt werden.

  • Wir müssen Dokumentenbearbeitung noch einfacher, komfortabler, eingängiger und natürlicher für Anwender machen.
  • Der Siegeszug mobiler Endgeräte und der Bedienung hilft uns auf diesem Weg. File Sharing, Dateien einfach mit Systemen wie beispielsweise Box teilen und auf allen Geräten vom Smart Phone über das Tablet bis zum Desktop über die Cloud synchron halten, ist ein weiterer Baustein.
  • Und der Ansatz, vom Menschen und dessen Arbeit und nicht vom Dokument zu kommen, ist erfolgskritisch.
  • Wenn dann noch gemeinsames, synchrones und asynchrones Arbeiten an Texten, Tabellen oder Präsentationen möglich ist, ist ein weiterer wichtiger Schritt getan. Wer einmal online im Browser beispielsweise zusammen an einem Angebot, einem Projektplan oder einem Vertrag gearbeitet hat, dem öffnen sich automatisch die Augen für effiziente Dokumentenbearbeitung und Vorteile von Versionierung.
  • Und schließlich muss Dateiverwaltung quasi natürlicher Bestandteil des E-Mail-Klienten sein. Ich erhalte eine Mail eines Kunden mit einem Dateianhang, einem Fragebogen. Ein Klick von mir in meiner E-Mail und der Dateianhang ist beispielsweise in Box gespeichert. Ich leite die E-Mail an die Kollegen weiter, die mir den Fragebogen beantworten sollen, inklusive Link zu der Datei, die in der Dokumentenverwaltung abgelegt ist. Kein Dateianhang! Das System ist so intelligent, dass es diesen Kollegen automatisch die Zugriffsrechte auf den Fragebogen gibt. Und dann arbeiten wir gleichzeitig online oder asynchron am Fragebogen.

Noch einfachere Bedienung, an mobilen Geräten orientiertes Benutzerdesign, automatische Synchronisierung von Dateien zwischen allen Geräten, wirklicher komfortabler Dokumentenaustausch, nahtlose Integration von Dateimanagement-Funktionen in den E-Mail-Klienten und gemeinsame, synchrone Online-Bearbeitung von Dokumenten sind wichtige Bausteine, um dem Übel Dateianhänge zumindest etwas mehr Herr zu werden. Dazu muss ständige Aufklärung und Ausbildung kommen. Und schließlich muss man es täglich in der eigenen Arbeit vorleben, um die Kolleginnen und Kollegen, Kunden, Interessenten und Partner davon zu überzeugen, dass es schlaueres Arbeiten als Dateianhänge versenden gibt. Ganz sicher.

Comments

10 Antworten zu „Dateianhänge: Der Tod effizienter digitaler Zusammenarbeit”.

  1. Vielen Dank für die leider erneute Erkenntnis es klappt noch immer nicht. Ich denke aber es liegt wohl auch am eigentlichen Ziel, welches wir uns damit setzen wollen. Will den der Anwender wirklich ein frei zugängliches Dokument erschaffen? Will er denn, daß wenn er nach stundenlanger Arbeit die er für die Texterstellung gebraucht hat, quasi sein geistiges Eigentum, online stellen, damit es innerhalb weniger Minuten zerpflückt und korrigiert wird? Ausgedruckt verteilt brauchen solche Korrekturen viel länger. Vielleicht mal aus dieser Sicht betrachten.

    Like

    1. Hallo Herr Wetzel,

      da bin ich nicht ganz bei Ihnen. Bei den meisten Dokumenten geht es nicht um hochgeistige Dokumente, sondern um „Produktionsdokumente“, Kundenschreiben u.a. im Arbeitsalltag, die auf jeden Fall Eigentum des Unternehmens sind. Und diese gehören meiner Meinung nach unbestreitbar besser verwaltet und geteilt.

      Viele Grüsse
      Stefan Pfeiffer

      Like

  2. bgewehr

    Stefan, Du sprichst mir aus der Seele.

    Zwei Gedanken dazu:

    1. „Jedes geschäftliche Dokument ist ein Beweis für einen nicht Ende-zu-Ende gestalteten digitalen Geschäftsprozess!“

    Ich weiß, dass diese These viele Ausnahmen nicht korrekt abbildet. Aber Angebotsanfragen, Angebote, Verträge, Lieferscheine, Rechnungen, Mahnungen, Auftragsbestätigungen sind gute Belege dafür, dass wir die E-Mail dazu benutzen, an den Stellen, an denen die Prozesse nicht durchgängig gestaltet sind, die Lücken zu überbrücken. Wir müssen die geschäftlichen Prozesse endlich standardisiert global unternehmensübergreifend digitalisieren, dann fallen Milliarden dieser Dokumente einfach weg – und mit ihnen die E-Mails samt Dateianhang.

    Die zweite Gruppe der Dokumente an E-Mails sind Ergebnisse kreativer Arbeit. Hier haben Kollaborationslösungen bereits klar bewiesen, dass sie schneller bessere Ergebnisse bringen können.

    Das führt mich zur zweiten These:

    2. „E-Mail ist ein geschlossener Kreislauf“

    Selbst mit dem modernsten heutigen Werkzeug für E-Mail von IBM, IBM Verse, ist es nicht möglich, eine E-Mail zu teilen, wenn sie Anhänge hat. Daher wählen die Menschen lieber weiterleiten als mühselig den content manuell ins ESN zu übertragen.

    Statt einfache Übergänge zu schaffen, um dem E-Mail Wahnsinn ein Ende zu setzen, ist die einfache Fortsetzung einer per E-Mail mit Anhang begonnenen Kollaboration in IBM Connections „mit einem Klick“ auch heute noch nicht möglich.

    Lasst uns nicht klagen, sondern handeln. Ihr habt es in der Hand.

    Gefällt 1 Person

    1. Hallo Bernd,

      ich bin bei Punkt 2 bei Dir und Christian Frey. Zwar kann ich E-Mails über ‚Share to Blog‘ in ein Blog überführen, zwar kann ich mit einem Klick Dateien in IBM Connections (oder auch Box) speichern, leider kann ich aber derzeit beide Elemente nicht zusammen speichern. Ich würde mir auch wünschen, dass ich E-Mail und Anhang in eine Aktivität, in eine Aufgabe in IBM Connections überführen könnte. Eure Wünsche werde ich nochmals in die ‚Feature Request‘-Liste einpflegen.

      Gruß
      Stefan

      Like

  3. […] nicht nur zu meinem Beitrag zu Dateianhängen. Noch immer haben wir das Dokumentenproblem nicht im Griff, obwohl wir uns seit Jahren, ja […]

    Like

  4. […] attachments by email … My favorite example, why Collaboration tools fail (and I have written about it). People are used to attach documents and they don’t change their habit. Changing habits and […]

    Like

  5. […] Die Tools müssen aber noch wesentlich einfacher und komfortabler zu bedienen werden, um endlich Produktivitäts- und Projektmanagementkillern wie E-Mail und Dateianhängen Herr zu […]

    Like

  6. […] laufen im Sekundentakt ein und auch dort werden Dokumente und Dateien gespeichert. Kennen wir doch? Dateianhänge sind der Tod effizienter digitaler Zusammenarbeit, habe ich mal über E-Mail-Attachments geschrieben. Slack ist kein schlechtes Werkzeug. E-Mail ist […]

    Like

  7. […] wirklich mitzunehmen und an sinnvolle Funktionen zu gewöhnen. Noch immer schicken die meisten Dateien als E-Mail-Anhang. Die Versionierung von Dokumenten erfolgt in der Regel weiter mit kryptischen Dateinamen wie […]

    Like

Kommentar verfassen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Regelmäßig informiert bleiben?
StefanPfeiffer.Blog

Jetzt abonnieren, um informiert zu bleiben und alle Beiträge im Zugriff zu haben.

Fortfahren