Ich gebe Dir meine Daten und dafür bekomme ich was?

Amerikanische und europäisches Freiheitsverständnis unterscheiden sich eklatant. In den USA ist das Verständnis verbreitet, ja selbstverständlich, dass jeder vor allem wirtschaftlich seines Schicksals eigener Schmied sei. Exemplarisch lässt sich dies der Diskussion um die Sozial- und Krankenversicherung in den USA verdeutlichen. Jeder ist für sich selbst verantwortlich. In Europa, besonders in Deutschland, dagegen ist ein – wie auch immer im Einzelfall qualitativ zu bewertender – Gesundheitsschutz für jeden Bürger selbstverständlich und unstrittig. Das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft hat sich nach 1945 durchgesetzt.

Das amerikanische Freiheitsbild spiegelt sich auch in der Art wieder, wie sich gerade amerikanische IT-Konzerne des GAFAM-Komplexes im Netz bewegen. GAFAM steht hierbei als Akronym für die amerikanischen Konzerne Google, Amazon, Facebook, Apple, Microsoft und andere, meist aus dem Silicon Valley stammende Unternehmen. Sie dominieren unterdessen das Netz, private und auch teilweise berufliche Nutzung und beginnen auch die Technologien zur künstliche Intelligenz zu beherrschen.

Jeder, der in das Web geht, macht mit diesen Unternehmen bewusst, aber meist eher unbewusst Geschäfte. Und ich bekenne mich an dieser Stelle selbst explizit schuldig. Ich nutze weiter Google als Suchmaschine, weil mir DuckDuckGo gefühlt nicht die Ergebnisse liefert, die ich erwarte. Kennen Google und seine Algorithmen mich und mein Interessen- und Kaufprofil, meine Filterblase vielleicht einfach schon zu gut, so dass es meine Erwartungen erfüllt? DuckDuckGo funktioniert ja genau nach der Prämisse, meine persönlichen Daten nicht zu sammeln.

Auch nutze ich Facebook vor allem als privates soziales Netzwerk und nicht Alternativen wie beispielsweise Ello. Warum? Auf Ello und anderen vergleichbaren Netzwerken sind einfach nur wenige Bekannte und Freunde. Auf Facebook teile ich dagegen auch private Fotos und Informationen mit Freunden und Bekannten in der ganzen Welt, obwohl mir unterdessen die vermehrte Werbeeinblendung und die Sortierung und Gewichtung im Nachrichtenstrom nicht mehr gefällt.

Und ja, ich bestelle durchaus regelmäßig auf Amazon, obwohl nicht nur die Steuerpraktiken dieses Konzerns aus deutscher Sicht zu kritisieren sind. Jedoch gibt es – zumindest gefühlt – keinen anderen Onlinehändler mit einem solch breiten Angebot und solch zuverlässiger Lieferung – und derart guten Empfehlungen? Ganz habe ich dabei noch nicht in die Krallen von Amazon begeben. Ich bin kein Prime-Kunde. Bei allen 3 genannten Beispielen tausche ich meine Informationen, Daten über mein Surf- und Kaufverhalten gegen einen „kostenlosen“ Service ein. Google liefert mir die besten Suchergebnisse. Amazon gibt mir die besten Kaufempfehlungen. Doch man merke sich als Grundsatz Nummer 1: Auch im Internet ist nichts umsonst. Wir zahlen mit unseren Daten und mit hoch personalisierter Werbung, die uns zum Kauf anregen soll.

Nichts - oder wenig . ist im Internet umsonst. Wer Werbung blockt, bekommt keine Inhalte. In dem Fall vielleicht nicht ganz so schlimm, aber trotzdem sollte man sich über die Mechanismen im Klaren sein.
Nichts – oder wenig – ist im Internet umsonst. Wer Werbung blockt, bekommt keine Inhalte. In dem Fall vielleicht nicht ganz so schlimm, aber trotzdem sollte man sich über die Mechanismen im Klaren sein.

Deshalb sollten wir uns folgende Fragen stellen, wir vermeintlich kostenlose Services nutzen: Und wohin gehen diese Daten? Wem gehören sie? Wer nutzt sie wofür? Wer verwertet und verkauft sie wie weiter? Wer erhebt die Besitzrechte der von mir auf Facebook geposteten Bilder?  Genau darüber muss ich mir – eigentlich – im Klaren sein. Doch wer ist das als normaler Anwender, der kein IT- und Internet-Experte ist, wirklich? Wer liest die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter?

Oft tauschen wir unbewusst unsere Daten gegen kostenlose Services ein. Wenn mir mein iPhone am Mittwoch um 17 Uhr von sich aus einblendet, dass ich zum Tennisplatz 16 Minuten brauche, zeigt sich, dass das entsprechende Navigationssystem und SmartPhone meine Bewegungsdaten analysiert hat und auswertet. Es wird mein Bewegungsmuster, mein Profil erstellt. Und wer kommt an dieses Bewegungsmuster heran? Was ich in einem Falls als Service verstehe, kann ich in einem anderen Fall als Überwachung empfinden. Dies ist nur ein Beispiel, was uns im Internet der Dinge künftig noch erwartet. Wenn immer mehr Geräte – vom Fitnessarmband bis zur Apple Watch, vom Kühlschrank bis zu den Steuerungsgeräten des Smart Homes – miteinander im Internet der Dinge vernetzt sind, werden immer mehr Daten erfasst. Das jetzige Profil, das von mir existiert, ist erst der Anfang. Gehört dieses Datenprofil mir? Oder: Nutzen es nicht mehr nur Konzerne für ihre Zwecke und beanspruchen die Rechte daran, weil ich deren Services kostenlos nutze?

Wenn gerade jetzt sogar die europäische Union und Regierungen nicht in der Lage sind, Konzernen wie Facebook gesetzlich zu verpflichten, Hasskommentare umgehend aus dem Netz zu löschen, stellt sich die Frage, ob die Balance zwischen Schutz des Bürgers und scheinbar im freien Raum agierenden Konzernen noch stimmt. Entweder ist der politische Wille nicht da oder aber die Mühlen unserer Bürokratie mahlen im Internet-Recht und Persönlichkeitsschutz zu langsam, um solchen extrem bedenklichen Entwicklungen schnell Einhalt zu gebieten.

Erschreckend finde ich darüber hinaus, dass gerade eine vermeintliche deutsche Internet-Elite den angeblichen Gutkonzern Google trotz der mehr als bedenklichen Aussagen eines Eric Schmidt oft kritiklos anhimmelt. Statt solcher Naivität ist gesundes Misstrauen gerade gegenüber Unternehmen angeraten, bei denen nahezu sektenhaftes Verhaltensweisen zu beobachten ist. Mit kritischem Blick muss auch eine Microsoft beobachtet werden, gerade nach dem Kauf des beruflichen sozialen Netzwerks LinkedIn. In Kombination mit der Dominanz im Office-Bereich und zunehmender Cloud-Nutzung könnte hier eine weitere Datenkrake diesmal im beruflichen und Unternehmensumfeld entstehen.

Warum fallen einem nur amerikanische Unternehmensnamen ein, wenn es um die Frage des Sammelns persönlicher Daten und deren Nutzung geht? Europäische Unternehmen spielen als Anbieter im Netz seit Jahren eine eher untergeordnete, sicher keine globale Rolle. Die entsprechenden Entwicklungen wurden schlicht verschlafen. Bestes Beispiel dafür ist Amazon und die kaum existierende deutsche oder europäische Konkurrenz.

Zur potentiellen Nutzung von Daten aus wirtschaftlichem Profitdenken kommen auch politische Interessen hinzu. Die Bewegungsdaten eines Mobiltelefons werden von Behörden gerne zur Fahndung bei Verbrechen genutzt. Der Ruf nach der Auswertung und Speicherung von Daten in der Verbrechensprävention und -bekämpfung ist nicht neu. Und die gezielte Nutzung von Daten und Profilen, die Verwendung personalisierter „Angebote“, spielt auch in der Meinungsbildung und in kommenden Wahlkämpfen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wie sich Filterblasen auch im politischen Umfeld bilden, wie eine angebliche Lügenpresse gar nicht mehr wahrgenommen wird, sehen wir schon jetzt in vielen Ländern.

Doch bitte diesen Beitrag nicht falsch verstehen. Ich prangere nicht die neue, auf uns zu rollende umfassende Vernetzung an. Auch verteufele ich nicht Facebook, Google und Co. Nur plädiere ich für eine bewussteren, offenen Umgang mit Daten und Technologie. Wenn ich mich auf Facebook mit Freunden in aller Welt austausche, kaufe ich diesen Service mit meinen Daten. Google lebt von Werbung und meinen Daten. Und Amazon ist kein Wohlstandsinstitut. Solche Fakten müssen den Nutzern transparenter gemacht werden. Statt Informationen in seitenlangen, allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verstecken, gehört die Information über die Nutzung meiner Daten direkt in verständlicher Sprache in den ersten Paragraphen der Geschäftsbedingungen.

Und die europäische und deutsche Politik muss in der Lage und willens sein, Exzesse wie schon angesprochene Hasskommentare löschen zu lassen. Und das auch gegen internationale Konzerne, wenn es sein muss unter Androhung und Durchsetzung von Sanktionen. Im digitalen Zeitalter muss die Gesetzgebung schneller handlungsfähig sein. Angesichts von Radikalisierung, Terrorismus und Manipulationen können wir uns keine endlosen, zeitaufwendigen Verfahren leisten, die erst greifen, wenn das Malheur schon passiert ist.

Big Data, immer mehr Daten auch über mich, sind die Grundlage vieler Services und Dienstleistungen. Sie werden mehr und mehr zu Analysen und Voraussagen herangezogen, im privaten, im politischen und beruflichen Umfeld. Sie sind in vielen Fällen Grundlage von Systemen künstlicher Intelligenz, die in den kommenden Jahren unaufhaltsam Einzug halten werden. Genau deshalb müssen wir uns offen, transparent und engagiert mit den Fakten auseinandersetzen und den Mut haben, bewusst und selbstbewusst zu gestalten

Anlass für diesen Beitrag ist das Buch „Das Ende der Demokratie – Wie die künstliche Intelligenz die Politik übernimmt und uns entmündigt“, das ich gerade gelesen habe. Eigentlich wollte ich mich im Beitrag vor allem mit dem Thema Künstliche Intelligenz auseinandersetzen, doch bin ich in diesem Beitrag vor allem beim Thema Daten als Bezahlung für kostenlose Services hängen geblieben. Das Thema Articifial Intelligence kommt als im nächsten Beitrag dran.

Comments

8 Antworten zu „Ich gebe Dir meine Daten und dafür bekomme ich was?”.

  1. Hat dies auf Ich sag mal rebloggt und kommentierte:
    Wer unsere Daten nutzt und Big Data-Analyse einsetzt, sollte selbst zu Open Data bereit sein.

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    1. Open Data beschreibt ja in der Regel Daten des öffentlichen Raumes – also für den Bürger grundsätzlich zugängliche Informationen (Behörden, Museen usw.). Unternehmen agieren grundsätzlich im geschlossenen Raum. Wir gehen mit diesen Firmen allerdings Verträge ein. Wenn jemand diese Voraussetzung nicht möchte, lehnt er ab und gut ist. Ich bezweifle, dass heutzutage die Mehrheit die Datenkraken-Story nicht kennt. Ich garantiere allerdings, dass die meisten diesen Teilabschnitt der Datenschleuder eher langweilig finden. Diese Art Geschichten waren vielleicht 2006 noch spannend, mittlerweile ist es einfach nicht mehr zu stoppen. Auch weil die Mehrheit die Vorteile genießt. Lasst die Nutzer doch endlich mal entscheiden.

      Viel wichtiger ist es, mit den jeweiligen Unternehmen zusammen die immer schneller werdende digitale Welt in die passenden Formen zu pressen – gerne auch juristisch. Dahingehend weigern sich allerdings die Unternehmen nicht, sie fordern allerdings von der Politik, während dieses Prozesses, mehr Verstand anstatt der herrschenden Netzakrobatik ohne Netz.

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  2. […] Den ganzen Beitrag gibt es hier: [DE] Ich gebe Dir meine Daten und dafür bekomme ich was? – Digital Naiv […]

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  3. Hat dies auf schleeh.de rebloggt und kommentierte:
    Daten gegen Dienst – Der Deal sollte nur den Usern offen mitgeteilt werden!

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  4. Ich möchte hier auf den Beitrag des Anwalts Carsten Ulbricht (@Intertainment) hinweisen, der unter dem Titel „Fake-News & Recht – Rechtliche Möglichkeiten gegen Autoren, Verbreiter und Betreiber Sozialer Netzwerke“ die derzeitigen rechtlichen Möglichkeiten darlegt. Ich bin sehr auf seinen nächsten, angekündigten Beitrag zur Notwendigkeit einer gesetzlichen Verschärfung der telemedienrechtlichen Haftungsanforderungen an Betreiber Sozialer Netzwerke und etwaige im Hinblick auf die Meinungs- und Pressefreiheit sehr eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten.

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  5. Passend zu meinen beiden Blogbeiträgen zum Thema Big Data und Künstliche Intelligenz: Warum Frank Thelen und Yvonne Hofstetter Schwätzer sind von Bernd Rubel (@Markensysteme) und Carsten Drees (@Casi): Von Big Data, Trump und Bomben: Überraschung – Eure Daten werden genutzt

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  6. Und noch eine Ergänzung und korrekte Einschätzung zum Thema Fake News:

    Auch die Politik in Deutschland beschäftigt sich spätestens seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten damit und fordert eine Löschpflicht bei Fake-News. Kein Wunder: 2017 stehen Bundestagswahlen an und unserer Polit-Elite geht gelinde gesagt der Arsch derzeit schön auf Grundeis, dass das massive Verbreiten von Falschmeldungen das Zünglein an der Waage sein könnte bei dieser Wahlentscheidung.

    Source: Fake-Polizei: Tschechien sagt Terrorismus und Fake-News den Kampf an

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  7. […] Siehe auch meinen „alten“ Artikel von 2016 zum Thema: Ich gebe Dir meine Daten und dafür bekomme ich was? […]

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