Wachsende Wut: Wie können die Demokraten wieder Boden gutmachen?

Vor einigen Tagen war ich in Hannover. Zurück zum Bahnhof habe ich ein Taxi genommen. Und wie immer das Gespräch drauf kam, fing der Taxifahrer an: Überall an unseren Grenzen bauen sie Atomkraftwerke, nur wir glauben, ohne auszukommen. Wir als Deutsche können das Klima eh nicht retten. Ich hatte keine Lust, eine Diskussion anzufangen. Das endete auf einem Geburtstag schon mal übel. Doch ich hätte es tun sollen. Ein Freund tut es, auch an den berühmten Thekentresen in einschlägigen Spelunken.

Solche „Taxifahrer“ treffe ich immer häufiger und immer wieder. Die üblichen Themen, die üblichen Sprüche, die „Volksseele“ kocht. Ein Gedanke lässt mich nicht los: Wo wird „der Taxifahrer“ bei künftigen Wahlen sein Kreuzchen machen (wenn er wählen geht)?

Die Bauern fahren mit Treckern nach Berlin, zur Not an den Polizeisperren vorbei querfeldein. An den Straßenrändern stehen Galgen, an denen eine Ampel hängt. Auf Mastodon prangern viele an, dass Klimakleber und besagte Bauern unterschiedlich behandelt und bewertet werden.

Die CDU/CSU imitiert das Wahlkampf-Playbook von Donald Trump. Leitkultur und Tannenbäume, Sozialpaschas, Bierzelte, Sprüche und Stimmungsmache statt sachlicher Auseinandersetzung. Fehlt nur noch, dass Herr Merz sich eine Trump’sche Frisur zulegt.

Es stehen Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg an. Wird 2024 das Jahr der AfD, fragt dpa. Manche sogenannte Brandmauer könnte sich als morscher Jägerzaun vor kahlen Tannenbäumen erweisen. „Die AfD glänzt durch nichts, aber verkörpert erfolgreich das, was sie sein will: Alternative zu allem, dem ganzen großen Mist. Dem ganzen unerträglichen Heute,“ schreibt Hendrrk Wieduwilt auf n-tv.

Die Rechtspopulisten gewinnen in anderern Ländern Wahlen. Orban tanzt uns auf der Nase rum. Allein die Wahlen in Polen machen Hoffnung.

Genauso tut es Erdogan, der antisemitischen Hass schürt.

Mit Entsetzen denke ich an die Bilder der Pro-Palästina-Demonstrationen vor wenigen Wochen zurück. Hasserfüllte Gesichter junger Frauen sind mir besonders im Gedächtnis geblieben.

Morgen ist Silvester. Überall – in Berlin bis zur Kölner Domplatte – wurden die Sicherheitsvorkehrungen hochgefahren.

Die Hamas und der Iran, Russland und andere nutzen TikTok, Telegram und andere Kanäle, um Fake News zu verbreiten und die Stimmung weiter anzuheizen.

2024 werden noch mehr Fake News und Fake Bilder und Videos erwartet – künstlicher Intelligenz sei Dank.

Sehr viele Leute scheinen gereizt, sind gereizt und frustriert. Nicht wenige sind wütend, manche scheinen hasserfüllt.

Eine sachliche Diskussion ist oft nicht mehr möglich. Beim Wort Wärmepumpe oder Tempolimit sind alle schon an der Decke. Es sieht so aus, als ob wir die demokratische Mitte und Mehrheit verlieren, die hart diskutiert, aber miteinander redet und reden will. Eigene Interessen zuerst und die mit Händen und Klauen verteidigen. Vielleicht war das immer so. Vielleicht fällt es angesichts des Ukraine-Kriegs, des Kriegs im Gaza-Streifen, nach Corona und auf dem Weg in die Klimakatastrophe mehr auf.

Trotzdem schauen ich besorgt ins kommende Jahr und darüber hinaus. Ich sehe nicht, dass die Demokraten bei allen Unterschieden in Sachfragen zusammenrücken. Auch gibt es ein Glaubwürdigkeits- und Kommunikationsproblem der Politikerinnen und Politiker. Nur ein Politiker überzeugt derzeit verbal, doch der hat viel zu Beginn des Jahres verbockt.

Nicht „die da oben“ entscheiden, ob die AfD gewinnt, sondern „die da unten“, das sind in diesem Falle wir alle. Wir Deutschen müssen beweisen, ob wir 1945 unsere Lektion gelernt haben. Wie wir uns in den kommenden Monaten verhalten, ob, wie und wann wir streiten, im Job oder am Küchentisch, das wird wieder die deutsche Zukunft entscheiden.

Source: Hammer, Amboss, Höcke: Die AfD, eine deutsche Volksprüfung – n-tv.d

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2 Antworten zu „Wachsende Wut: Wie können die Demokraten wieder Boden gutmachen?”.

  1. Hallo Stefan,

    ein wunderbarer Artikel. Das habe ich ja auch schon auf Social Media so „attestiert“. Ich hatte eigentlich vor, mich weiterhin nicht an dieser Art Diskurs zu beteiligen, da ich meine Kraft eigentlich anderweitig brauche. Aber ich habe halt auch gesehen, dass man verschiedene Dinge einfach so nicht stehenlassen kann.

    Wer weiß, vielleicht beteilige ich mich 2024 wieder mehr daran, die Welt ein bisschen besser zu machen. Lust habe ich schon. Und solche Artikel wie der hier sind da echt eine Art Motor dafür.

    Hab ein gutes 2024!

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    1. Lieber Henning,

      lieben Dank für Deine Worte. Ich befürchte, jeder muss seinen Teil beitragen, damit …

      Ich wünsche Dir ein frohes neues Jahr und vor allem Gesundheit. Ich freue mich auf weitere interessante Beiträge und den Austausch mit Dir.

      Stefan

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