create a picture in the style of dali about justice condemning trolls on the internet, hate on the internet and two pigs in a talk show

Zivilisierter Umgangston, Hass im Netz und die Grenzen von Argumenten und Fakten

Wochenschau links breit

Es wird oft gesagt, dass die Politik ein Spiegelbild der Gesellschaft ist, zumindest in demokratischen Ländern. Wenn dies der Fall ist, dann müssen wir sehr besorgt sein über das aktuelle Bild, das Deutschlands politische Landschaft präsentiert. Angesichts der verbalen Ausfälle, des feindseligen Verhaltens und der Beleidigungen, die sowohl im Bundestag als auch in den sozialen Medien an der Tagesordnung sind, ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen angewidert den Kopf schütteln.

Ein Andersdenkende als Gehirnprothesenträger beschimpfender Franz-Josef Strauß, ein Herbert Wehner oder ein Helmut „Schnauze“ Schmidt – die Älteren kennen sie noch – waren sicher auch keine Kinder von Traurigkeit. Doch unterdessen habe ich wie viele andere das Gefühl, dass ein Friedrich Merz, Markus Söder oder Carsten Linnemann, zu viele Politiker sich die rüpelhafte Rhetorik und Sprüche und brachialen Methoden von Donald Trump zu eigen gemacht haben. Damit senden sie ein fatales Signal aus, das einen respektvollen Diskurs immer weiter ins Abseits drängt.

In der Politik: Ton wie im Schweinestall

Florian Harms hat das sehr treffend im Tagesanbruch von T-Online beschrieben:

„Nicht nur beim Politischen Aschermittwoch, auch im Bundestag, in Talkshows und in den asozialen Medien herrscht mittlerweile ein Ton, der an einen Schweinestall erinnert: Da wird gegrunzt, gegiftet und gebrüllt, als seien die Gegenüber tatsächlich keine Menschen.“

Es ist an der Zeit, dass wir uns alle fragen, wie wir jenseits der „Schweinestall“-Rhetorik einen Haltung einnehmen können, die hart formuliert, präzise trifft, aber nicht unflätig herum grunzt. Christian Buggisch hat in seinem Blog korrekterweise angeprangert, dass wir beispielsweise zu unbedacht das Wort Nazis verwenden: „Wir verwenden Sprache wie Thor seinen Hammer, und wo er niedergeht, wächst kein Gras und keine legitime Meinung mehr.“ Er bringt es hier nochmals auf den Punkt:

„Harte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner: gerne. Klare Kante und Abgrenzung gegen Extremismus und Demokratiefeindlichkeit jeder Spielart: selbstverständlich. Jeden rechts von der eigenen Meinung und Haltung in einen Topf mit NDP und Nazis werfen: nein, danke.“

Nicht nur in der Politik: Klare Kante zeigen, aber präzise formulieren

Ich nehme mich da auch selber in die Pflicht, da ich hier im Blog bei Schimpfen über Rechtsradikale manchmal über das Ziel hinaus schieße, Hammer statt Florett verwende, eben nicht präzise bin. Dies beruht auf meiner tiefen Überzeugung, dass wir nicht wie in der Weimarer Republik Dinge geschehen lassen dürfen, sondern das Prinzip „Wehret den Anfängen“ gerade jetzt gelten muss. Trotzdem ist das, was Chris schreibt wichtig: Bei aller Rhetorik oder auch mal notwendigen Emotionalität genauer formulieren.

Die, die Demokratie verteidigen wollen, müssen weiter „anständig“ und sauber argumentieren und diskutieren, genau um sich vom Mob abzuheben – auch wenn man manchmal lieber die Keule herausholen möchte. Wichtig ist und bleibt aber, klar Stellung gegen Hass und Rechtsextremismus zu beziehen gegen die, die auf das Grundgesetz, auf Menschenwürde, Meinungsfreiheit und vieles andere pfeifen.

Argumente, auch wenn man viele nicht mehr erreicht

Viele der rechtsextremen AfD-Anhänger wird man leichter nicht mehr durch Argumente erreichen. Und das obwohl viele der Menschen, die die AfD unterstützen, am stärksten unter der AfD-Politik leiden würden, und zwar in Bezug auf fast jeden Politikbereich: Wirtschaft und Steuern ebenso wie Klimaschutz, soziale Absicherung, Demokratie und Globalisierung, so das DIW Berlin (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung).

Trotz der Erkenntnis einer steigenden Anzahl von Befragten, dass die AfD als „rechtsextrem“ gilt, wählen Anhänger die Partei weiterhin – entweder trotz der Extremismusvorwürfe, oder vielleicht sogar gerade wegen ihnen, so das aktuelle RTL/ntv-Trendbarometer. Die Anhängerschaft ist pessimistisch, hat Angst um seine soziale Absicherung, fühlt sich unterdrückt und ungerecht behandelt und ist so leicht anfällig für die Narrative und die Lügen-Leugnen-Ablenken-Strategie der Partei.

All das stellt besonders Medien und Journalisten vor ein Dilemma. Denn Emotionen, nicht Fakten, treiben häufig die Meinungsfindung: „Einen Glauben redet man niemandem mit Argumenten aus. … Medien und Rechtsextreme operieren also im Grunde in zwei unterschiedlichen Sphären.“ Menschen komplett abzulehnen, die die AfD wählen und unterstützen, kann trotzdem nicht die Lösung sein. Die Medien und jeder ganz persönlich sind nicht davon entbunden, weiter mit Fakten zu argumentieren und zu hoffen, dass man die oder den ein oder anderen doch zum Zweifeln bekommt.

Noch schlimmer: Der Ton und der Hass in sozialen Medien

Noch dramatischer als in den konventionellen Medien präsentiert sich die Situation in den sozialen Kanälen, wo die AfD nach meiner Wahrnehmung als einzige Partei systematisch die populärsten Plattformen gerade der jungen Leute mit eingängigen Parolen und Propaganda bespielt. Die aktuelle, repräsentative Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug“ von HateAid zeichnet ein erschreckendes Bild der Zustände im Netz: „Fast jede zweite Person (49 %) wurde schon einmal online beleidigt. Ein Viertel (25 %) der Befragten wurde mit körperlicher Gewalt und 13 % mit sexualisierter Gewalt konfrontiert.“ Besonders im Visier des Hasses sind Frauen, Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund,und Menschen mit homo- oder bisexueller Orientierung. Deshalb ziehen sich viele aus den Diskussionen im Netz zurück.

Unsere Demokratie ist aber in Gefahr, wenn nur noch jene gehört werden, die laut sind oder Angst schüren. Die steigende Anzahl an Menschen, die sich aus Angst vor Hass und Angriffen im Netz zu eigenen politischen Aussagen zurückhalten, ist sowohl eine Folge der aktuellen Zustände und zugleich eines der bedrohlichsten Symptome. Wenn etwa 57% der Befragten sich im Netz seltener äußern, ist klar, dass wir auf dem falschen Weg sind.

Demokraten müssen im Netz laut vernehmbar sein

Offensichtlich funktioniert die Einschüchterungsstrategie und sorgt für eine Unterdrückung vieler überlegter und demokratischer Stimmen im öffentlichen Diskurs. Es bedarf dringend verschiedener Maßnahmen, um den Rückzug vieler aus der demokratischen Diskussion zu verhindern und die Verbreitung der rechtsradikalen Narrativen einzuschränken.

Die etablierten Parteien und auch Organisationen der Zivilgesellschaft müssen jenseits der aktuellen Demonstrationen auch in den sozialen Medien wesentlich deutlicher vernehmbar sein. Renate Künast bemerkt zu recht, dass „die Zukunft wird im Netz entschieden“ wird. Besonders die Parteien müssen endlich Social Media ernst nehmen, ohne dabei die Trump’schen Propaganda- und Lügenmethoden zu übernehmen.

Hass und Lügen konsequent melden und bekämpfen

Daneben muss der Hass im Netz konsequent bekämpft werden. Der jetzt am 17. Februar vollständig für große und kleinere Anbieter in Kraft getretene Digital Services Act (DSA) schafft dafür den Rahmen, der schnell auch in Deutschland operationalisiert werden muss. Leider gibt es einmal mehr durch Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern und Eifersüchteleien zwischen konkurrierenden Behörden in der Umsetzung hierzulande. Damit muss jetzt Schluss sein.

Was schreibt dieses neue Digitale-Dienste-Gesetz der EU vor? Nutzerinnen und Nutzer sollen „leicht zugänglich und benutzerfreundlich“ illegale Inhalte bei Plattformen und Hostingdiensten melden können. Sie müssen dann über über das Ergebnis informiert werden. Halten sich Plattformen nicht an die Regeln, kann man sich an eine Koordinierungsstelle für digitale Dienste wenden.

Druck gerade auf die großen Plattformen erhöhen – Vorschriften durchsetzen

In Deutschland wird das wohl die Bundesnetzagentur werden, die weitreichende Ermittlungsbefugnisse von der Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten über Zeugenvernehmungen, Beschlagnahmung von Beweismittel beschlagnahmen bis zu Zwangsgeldern und Geldbußen hat. Es ist extrem wichtig, dass die neuen Vorschriften schnell und konsequent umgesetzt werden. „Es kommt also mit Sicherheit jede Menge Arbeit auf die Aufsichtsgremien zu, die neuen Regeln auch zu überprüfen und durchzusetzen.“ Dabei müssen wir alle mithelfen und Verstöße melden. Der Druck gerade auf die großen Plattformen muss dramatisch erhöht werden, um eben Hate Speech und Fake News zu bekämpfen und zu entfernen. Daneben muss konsequent strafrechtlich verfolgt werden.

Ganz klar ist: Ein zivilisiertes Miteinander und der Schutz unserer Demokratie sind zwingend notwendig, um die Tragweite des Hasses im Netz einzudämmen und um die Verständnislosigkeit zwischen den „Lagern“ zu verringern. Es bedarf konkreter Maßnahmen aller politischen Akteure und natürlich von uns als Bürgern, um diesen beunruhigenden Trends entgegenzuwirken. Und wir müssen daneben Hass auch gesetzlich konsequent bekämpfen, damit sich Bürgerinnen und Bürger wieder trauen, auch im Netz ihre Meinung zu äußern. Dort ist es „wie im richtigen Leben“ und wie es die Demos zeigen: Wir sind deutlich mehr, die Demokratie und Meinungsfreiheit leben wollen. Lassen wir uns das von Hass ausspuckenden Lautsprechern nicht kaputt machen.

Die Titelgrafik wurde mit drei Prompts durch die KI Dall-E zusammengebaut und verwendet Motive aus diesem Text in surrealem Stil.

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