An expressionistic illustration in the style of Edvard Munch depicts "A Fragmented Debate," showcasing a tense crowd of diverse individuals engaged in a heated argument within a claustrophobic urban alleyway. The figures are rendered with elongated, distorted limbs and exaggerated facial expressions, their forms bleeding into each other with swirling lines of crimson, deep blues, and sickly yellows to convey emotional turmoil. Rain streaks down the grimy brick walls of the alley, reflecting the harsh, flickering light from a single street lamp above, casting long, dramatic shadows that emphasize the fragmented nature of the scene. Sharp, jagged angles dominate the composition, amplifying the sense of unease and highlighting the chaotic energy of the fractured discussion.

Im gereizten Zeitalter – verlernen wir, respektvoll zu diskutieren?

Wochenschau links breit

In dieser Wochenschau geht es um unseren Umgangston und die Debattenkultur. An verschiedenen Stellen bin ich auf das Thema gestoßen. Dirk von Gehlen hat auf Threads den folgenden Post abgesetzt: „Fotograf:innen! Macht doch mal eine Bildserie zum Thema „Eltern am Handy am Spielplatz“. Das führte dann zu einem wahren Drama. Erst nahmen es viele Eltern persönlich (der getroffene Wauwau …), dann wurde zurückgeschossen und beleidigt (klassisch Internet!) und schließlich wurde einfach dichtgemacht (Shut up and disappear!). Alles persönlich nehmen und sofort persönlich werden – mir scheint, dass das heute gängig ist.

Alle sind sofort gereizt

Chris Buggisch berichtet über Erfahrungen beim Radfahren oder bei der Müllentsorgung in der Landschaft, wo man auch mal schnell eine pampige Antwort erhält, wenn man darum bittet, doch Platz zu machen oder den Müll doch in das dafür vorgesehene Behältnis zu werfen. Zeichen der Zeit hat er als Titel seines Beitrags gewählt.

Auch ich beobachte, dass Rücksichtnahme und Respekt gefühlt nachgelassen haben. Jeder pöbelt erst einmal den anderen an, den Radfahrer, den Autofahrer, den Fußgänger, statt vernünftig miteinander in einem normalen, zivilisierten Umgangston umzugehen. Jeder ist erst einmal gereizt. Viele sind mehr als nur gereizt, auch gewalttätig … Wir leben im gereizten Zeitalter und ich bin sehr gespannt, wie das weitergehen soll. Dirk bemerkt in seinem Artikel, dass ihm auf Threads vor allem Eltern „geantwortet“ haben, so von wegen „Vorbild“ …

Kritik an Klöckner und Söder: Ist Habeck zu weit gegangen?

Und dann hat ja noch Robert Habeck der taz ein Interview gegeben und kräftig gegen Julia Klöckner und Markus Söder ausgeteilt: „Julia Klöckner hat die Gesellschaft gespalten. Ob mutwillig oder aus Dämlichkeit, weiß ich nicht. Sie war noch nie in der Lage, Dinge zusammenzuführen. Sie hat immer nur polarisiert, polemisiert und gespalten. Insofern war von Anfang an klar, dass sie eine Fehlbesetzung ist.“ Und: „Dieses fetischhafte Wurstgefresse von Markus Söder ist keine Politik.“

Der Markus lässt das natürlich nicht auf sich sitzen und wünscht Habeck dorthin, wo der Pfeffer wächst: „Geh mit Gott – Hauptsache, weit weg.“ Klöckner, deren Vergleich zwischen dem rechtspopulistischen Portal Nius und der taz wirklich danebenliegt, blieb auffallend ruhig und sagte zur FAZ, dass es ihr durchaus Sorgen mache, wenn sich Demokraten der Mitte absprechen, demokratisch zu sein.

Julia Naue von T-Online meinte dazu, dass Habeck mit solchen Verbalattacken beitrage, was er selbst beklagt: einer Polarisierung in Deutschland. Sie schreibt von schlechtem Stil und Verunglimpfung von politischen Gegnern. Ihr Chef Florian Harms legte dann noch nach und spricht von Häme statt Humor, Hohn statt Hintersinn und vermisst den Respekt. Klartext sei gut, aber Klartext ohne Respekt sei nur Krawall. Und die Zeitung mit den 4 Buchstaben, selbst ein Musterbeispiel für Zurückhaltung und feinen Ton, schreibt gar von „Habecks Pöbel-Abgang“ …

Ich bin zugegebenermaßen zwiegespalten. Die Kritik an Klöckner in der Sache teile ich, auch weil ich politisch anders aufgestellt bin. Den Meinungswendehals Söder und seine Bierzeltrhetorik mag ich, wenig überraschend, auch nicht besonders. Ist also Habeck über das Ziel hinausgeschossen? Waren ein Strauss, ein Wehner oder eine Schmidt-Schnauze nicht sogar noch direkter?

Ich bin mir also nicht sicher, ob Habeck wirklich das Niveau gesenkt hat, wie es Harms schreibt. Eher bin ich bei Jan Skudlarek, der in seinem Newsletter dafür plädiert, im Zeitalter von Populismus und Rechtsnationalismus lautstark hörbarer Verteidiger der Demokratie zu sein. Zudem finde ich, dass Habeck zwar deftig „verwurstelt“, aber keinen Hass und keine Hetze verbreitet.

Welche Regeln sollten wir in Diskussionen anwenden?

Norbert Eder fordert in seinem Artikel, dass wir uns mehr auf Positives konzentrieren und „dieses Rumgepöble, Gejammere und sinnlose Rumgeplärre viel öfter ignorieren“ sollten. Ja, vielleicht sollten wir die Sprüche eines Trump und ähnlicher Konsorten viel öfter unkommentiert lassen, statt ihm mehr Reichweite zu geben.

Doch andererseits ist es wichtig, klare Kante zu zeigen, gerade auch gegenüber einer Julia Klöckner. War früher wirklich alles besser, haben wir uns verändert oder werden wir alt, wie Chris in seinem Beitrag schreibt? Sind alle wirklich gereizt, wie ich es oft empfinde? Wie scharf darf Sprache sein, im Miteinander im Netz und auf der Straße, aber auch in der politischen Auseinandersetzung, in Diskussionen oder auch hier im Blog? Sollte nicht Im „normalen“ Dialog – ob digital oder real – die alte Vorgehensweise gelten, dass man nichts sagt oder schreibt, was einem selbst beleidigen und verärgern würde? Doch wie scharf formuliert man gegenüber wirklichen Gegnern, gegenüber Radikalen und Demokratiefeinden? Was meint ihr? Welche Regeln sollte man sich auferlegen?

Comments

6 Antworten zu „Im gereizten Zeitalter – verlernen wir, respektvoll zu diskutieren?”.

  1. Ey, ich habe gerade NICHT gesagt, das früher alles besser war 😉 War es natürlich nicht. In politischen Debatten war und ist Pfeffer erlaubt, wenn du mich fragst. Und im digitalen Raum ist eh alles verloren. Trotzdem versuche ich mich nicht am üblichen polternden Widerspruch zu beteiligen. Teile (kommentiere, like, versorge mit Aufmerksamkeit) nur, was du gut findest – ein altes, hilfreiches Prinzip.

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  2. Zitat: „Zudem finde ich nicht(?), dass Habeck zwar deftig „verwurstelt“, aber keinen Hass und keine Hetze verbreitet.“

    Vorschlag: Zudem finde ich, dass Habeck zwar deftig „verwurstelt“, aber keinen Hass und keine Hetze verbreitet. 😉

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    1. Danke, Du hast recht.

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  3. Ich bezweifle, dass Vorschriften oder Maßnahmen „von oben“ (welche Instanz auch immer) eine wirkliche Wirkung entfalten können. Selbst Strafandrohungen führen selten zum Ziel – im Gegenteil: Sie provozieren oft nur, dass gerade die besonders Wortgewaltigen noch heftiger reagieren.

    Die Dynamik der Eskalation wird sowohl von rechts als auch von links angetrieben – auch wenn ich weiß, dass diese Kategorien inzwischen überholt wirken. Lange habe ich mich dieser Erkenntnis verschlossen.

    Vor einiger Zeit habe ich mich öffentlich hinter einen Blogger gestellt, der sich kritisch zum Gendern geäußert hatte. Das brachte ihm – und mir – deutlichen Widerspruch, vor allem von linker oder grüner Seite. Die Rückmeldungen waren zwar nicht zahlreich, dafür aber eindeutig. In solchen Situationen gerät man sehr schnell auf die vermeintlich „falsche“ Seite. Was auch immer das sein mag.

    Deshalb bin ich überzeugt: Entweder es entwickelt sich aus den Debatten selbst eine gewisse Mäßigung und Gelassenheit – oder die Polarisierung wird sich weiter verschärfen. Nur intrinsische Motivation wird langfristig helfen können, diese Entwicklung zu brechen. Oder – ganz anderer Ansatz: Wir müssten uns alle ein dickeres Fell anschaffen. Das hat mein Vater mir immer schon geraten. Leider habe ich das noch immer nicht gelernt.

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    1. Oder – ganz anderer Ansatz: Wir müssten uns alle ein dickeres Fell anschaffen. Das hat mein Vater mir immer schon geraten. Leider habe ich das noch immer nicht gelernt.

      Sich ein „dickeres Fell“ anzuschaffen, fällt auch mir (Jahrgang 1938) noch immer schwer. Ich gebe mir aber zunehmend Mühe. 😉

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  4. Siewurdengelesen

    Der erste Punkt ist bei dieser Sache doch bereits, ob eine Diskussion, Debatte oder wie auch immer überhaupt gewollt ist, die am Ende aus mehreren Sichtweisen heraus zu einem für alle akzeptablen Ergebnis führt?!

    Das Meiste dessen, was im öffentlichen Raum kursiert und als vermeintliche Debatte wahrgenommen oder dargestellt wird, ist doch tatsächlich eher ein Äußern von Meinungen, dass eben irgendwo zwischen eher selten sachlich bis hin zu gezielt provokant und verletzend stattfindet, aber in aller Regel nie dazu dienen dürfte, einen Konsens zu finden.

    Als zweiten Punkt mag ich anbringen, dass dieses lange Zeit so proklamierte Bild eines gefühligen Eiapopeia einer im Grossen und Ganzen funktionierenden Mehrheitsgesellschaft mit leichten Fransen am Rand immer mehr in die Brüche geht. Spätestens seit den 1980ern wurde der „soziale“ Teil dieser Wirtschaft systematisch zurückgefahren und Begriffe dafür gibt es ja viele. Dabei passiert nur das, was im Kapitalismus eben passiert – immer mehr Profit auf einer Seite auf Kosten derer, die ihn schaffen, auf der anderen. „Härtere“ Zeiten zeigen sich dann eben auch in härterem Abgrenzen des/der Einzelnen und Gruppen, die sich dabei bilden auf der Suche nach Ursachen und Lösungen des Widerspruchs.

    So als eine Metapher pflege ich dann immer den automobilen Wochenendausflüger mit Rad auf dem Auto zu bringen, der auf der Fahrt zum Freizeitziel über die anderen Autofahrer, die hinderlichen Radfahrer und die beknackten Fußgänger abledert, um beim Wechsel auf das Rad die Zielgruppe auf Autofahrer und Fußgänger zu ändern und beim Gang vom abgestellten Fahrrad über die Straße zur Eisdiele auf…

    …Erkenntnishorizont des Außenstehenden dabei: Hauptsache ich!

    Und wenn halt alle Ichs ihre Sicht der Welt als die einzig Wahre und Gültige ansehen, die nur dem eigenen Fortkommen und vielleicht noch dem des eigenen Umfelds, dann haben wir einen Mikrokosmos als Spiegel dieser Gesamtgesellschaft, die nicht mehr in der Lage ist, ihre inneren Widersprüche zu bedecken.

    Ein dritter Punkt dabei ist noch, dass die für den Meinungsaustausch genutzten Medien so gar nicht als guter Träger geeignet sind und die anderen Medien eben leider auch sehr tendenziös und fragmentiert berichten, wass aus deren Sicht dem Erregen von Aufmerksamkeit dient und dabei solch fruchtloses Anpöbeln eher noch fördert statt dämpft. Da koddert eine Handvoll Nutzer immer wieder ihre aus dem Baukasten stammenden Sch…hausparolen unter jeden halbwegs passenden Beitrag und erzeugt damit ein scheinbares Meinungsbild, während die sachlich Debatttierenden dieses „Schlachtfeld“ ohne Erfolgsaussicht längst verlassen haben, so sie denn jemals dort waren – Blasen und Selbstbestätigen unter Ausschalten von Kritik.

    Über den Begriff der gesellschaftlichen Dummheit will ich da gar nicht mehr anfangen zu texten, sonst wird das hier nie fertig. Fakt ist jedoch, dass auch da Debattieren sinnlos ist, weil es in der Leere verpufft.

    Lange Rede – kurzer Sinn zu Habecks Aussage:

    Da er ja nun den Politikbetrieb verlässt und zu nichts mehr verpflichtet ist, kann er es sich auch leisten, seine Kritik etwas deftiger zu formulieren am autoritären Verhalten Julia Klöckners oder den sprunghaften Anbiederungsversuchen eines Markus Söder, die eher ein peinlicher Versuch volkstümelnden Auftretens sind.

    Es ist ja nicht so, dass nun ausgerechnet die Grünen schon lange in den sozialen Medien diffamiert werden und da auch eher ad personam oder per „Meinung“ statt Fakten.

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