Die Berichte der letzten Monate zeichnen ein eindeutiges Bild: SAP hat angekündigt, eine dreitägige Büropflicht pro Woche einzuführen, bei der die Mitarbeiter entweder im Büro oder vor Ort bei Kunden oder Partnern arbeiten sollen. Die Deutsche Bank verlangt eine Büropräsenz von 60 %, die Deutsche Telekom setzt drei Bürotage als Standard, und Otto führt ab 2025 eine Präsenzzeit von 50 % ein. Dies führt in den Unternehmen zu hitzigen Diskussionen, aber der Trend bleibt. In den USA ordnet Trump an, dass alle Bundesbediensteten wieder Vollzeit an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Diesen Trend diskutieren Lars Basche und ich mit den HR-Experten Professor Dr. Peter M. Wald von der HTWK Leipzig in der aktuellen Ausgabe von #9vor9.
Die Kontrollfrage
Seit dem letzten Gespräch mit Peter im September 2023 hat sich der Trend zur Rückkehr ins Büro eher verstärkt. Es geht halt auch viel um Kontrolle. „Take back control“ war das Motto der Brexiteers und irgendwie habe ich so das Gefühl, dass Unternehmen übernommen haben“, bemerkt Lars Basche kritisch. Peter identifiziert dies primär als Macht- und Führungsproblem, da viele Führungskräfte sich wohler fühlen, wenn sie ihre Mitarbeiter im Blick haben. Er kritisiert auch die oft unselige Verbindung zwischen Homeoffice, mobiler Arbeit und New Work. New Work geht viel weiter als nur die Wahl des Arbeitsorts.
Die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen spielen der Forderung nach Rückkehr in die Büros in die Hände. Es scheint zudem, dass der gegenwärtige rechtskonservative wirtschaftsliberale Zeitgeist, gepaart mit dem Wunsch nach Kontrolle und Entlassung von Low Performern, die Return-to-Office-Stimmung befeuert. Dazu passt, dass Trump Bundesbeamte wieder rigoros zurück ins Büro beordert hat. Kontrolle ist heutzutage wieder allenthalben angesagt, im Büro, aber auch von Remote-Arbeitenden, die durch Tools wie Microsoft Copilot überwacht und kontrolliert werden können. Mitbestimmung und Betriebsräte sind gefragt, solchen Entwicklungen Einhalt zu gebieten.
Ja, es gibt durchaus Gründe, die dafür sprechen, dass Mitarbeitende ins Büro kommen. Dazu zählen die Einarbeitung und auch Sozialisierung neuer Kolleginnen und Kollegen. Dazu zählt auch sicherlich direkte soziale Interaktion und die Förderung von Teamarbeit. Jedoch gehört dazu sicher nicht, dass man im Büro wie in einer Legebatterie den ganzen Tag eh in Videokonferenzen mit Kopfhörern vor dem Monitor sitzt. Die „Alles-oder-nichts-Strategie“ vieler Unternehmen ist unsinnig. Eine gesunde Mischung aus Homeoffice und Präsenz macht Sinn – und das abhängig von der Arbeit, die zu erledigen ist.
Wenn Mitarbeitende ins Büro kommen, dann muss man Büros und den Aufenthalt dort zu einer Begegnungsstätte machen. Bürotage sollten sinnvoll gestaltet werden und echten Mehrwert durch persönlichen Austausch, Wissensaustausch und Lernen schaffen. Es geht darum, den passenden Ort, die passende Zeit und die passende Arbeitsweise für die jeweilige Aufgabe zu finden. Zudem sollte man in Betracht ziehen, dass Menschen unterschiedlich sind; einige können besser im Büro, während andere besser zu Hause arbeiten können, ohne gestört zu werden.
Leistung und Präsenz
Gerade in den USA sieht man jedoch eine andere Entwicklung. Unternehmen wie Dell verweigern Remote-Mitarbeitern Beförderungen. Mitarbeiter, die flexibel arbeiten, werden oft schlechter bewertet. Peter hat das als „Verkraulstrategie“ bezeichnet. Manche Unternehmen haben wohl bewusst im Kalkül, dass einige Mitarbeitende kündigen. Und Peter stellt fest: „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Leistung und Anwesenheit.“
Eine vernünftige Unternehmenskultur ist notwendig, getrieben von Führungskräften, die auch zwischen den Zeilen lesen und virtuell verstehen können, wie es den Mitarbeitern geht. Er fordert weniger Kontrolle und mehr Vertrauen, Unterstützung und Coaching. Führungskräfte müssten ein Verständnis für flexible Arbeitsmodelle entwickeln. Bei einer Selbstorganisation der Teams braucht es Unterstützung in Form von Team-Coaching.
Fazit: Zusammenarbeit und Führung sind entscheidend
Die Zukunft liegt nach unserer aller Ansicht in hybriden Modellen. „Wenn ein Team gut funktioniert, funktioniert es sowohl virtuell als auch im Büro gemeinsam gut“, bringt es Lars auf den Punkt. Es sei eine Frage der richtigen Balance und vor allem der zeitgemäßen Führungskultur. Peter ist aufgrund seiner Kenntnisse optimistisch: „Es gibt Lösungen schon, die müssen eben nur stärker diffundieren.“ Die Entwicklung zeigt, dass der Weg zu einer ausgewogenen Arbeitskultur noch nicht abgeschlossen ist, aber Best Practices bereits existieren. Das, was an den Unis in Sachen Personalführung gelehrt wird, ist anders als vor 10 oder 20 Jahren. Doch es dauert wohl, bis das in den Unternehmen ankommt.


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