Jetzt muss und will ich schon wieder Sascha Lobo zitieren. Diesmal spricht er mir beim Thema Digitalpolitik und Lobbyismus-Problematik auf der Seele. Die derzeitige Politik führt Diskussionen von gestern und plappert nur zu leicht das nach, was Konzerne ihnen vorgaukeln. Sascha führt das Beispiel der sogenannten Internetexpertin der CSU, Dorothee Bär an, die sich zum Thema notwendige Bandbreite und zu den Digitalplänen der kommenden Bundesregierung geäußert hat.
Exakt das ist eines der größten deutschen Digitalprobleme: der Unwille, digitalgesellschaftlich sinnvolle Positionen auch dann zu vertreten, wenn sie mächtigen (deutschen) Altunternehmen entgegenstehen. Das deutsche Lobbyismus-Problem lässt sich sehr gut rund um die Digitalisierung erkennen.
In diesem Kontext ist interessant, dass die Große Koalition auf Druck der CSU soeben ein Lobbyregister verhindert hat. Damit will ich explizit nicht unterstellen, dass Dorothee Bär oder die CSU bestechlich seien. Aber die Transparenz, die das Register hätte bringen können, wollte die CSU trotzdem nicht herstellen.
Source: Deutschland: Lobbyisten bremsen Digitalpolitik aus – Kolumne – SPIEGEL ONLINE
Ich habe bewusst das Thema Lobbyregister mit zitiert, denn diese scheint mir nicht nur im Bereich Digitalpolitik – ein Glyphosat-Hersteller, der Böses dabei denkt – ein Herausforderung zu sein. Sascha führt einige Beispiele an, in denen die deutsche Politik neben dem Breitbanddebakel doch sehr konzernfreundlich agiert hat:
-
2015 zahlte man in Deutschland für mobile Daten bis zu fünfzig Mal mehr als in Finnland.
-
Die Abschaffung absurd hoher EU-Roaminggebühren fürs Surfen und Telefonieren im Ausland wurde jahrelang verschleppt.
Source: Deutschland: Lobbyisten bremsen Digitalpolitik aus – Kolumne – SPIEGEL ONLINE
Natürlich stellt sich, wenn man dies liest, die Frage, ob wir nun wirklich ein Digitalministerium bräuchten, in dem die digitalen Kompetenzen zentralisiert und durchgefochten werden sollten. Die entsprechende Onlinepetition wurde ja unter digitalministerium.org vorgelegt und wird aktuell beworben.
Dass wir endlich eine anpackende, nach vorne gerichtete Digitalpolitik benötigen ist unbenommen. Und dabei geht es sicherlich um deutlich mehr als um reine Bandbreite. Das Thema Big Data, Datenschutz und Gesundheitswesen habe ich hier kürzlich adressiert. Ich habe jedoch noch immer Zweifel, ob in der aktuellen Konstellation wieder nur neue Bürokratie geschaffen würde, die doch nur wieder die Themen von gestern und Industrieinteressen vertritt und umsetzt. Mir scheint, es fehlt einfach der politische Wille, vielleicht gar das Verständnis, Digitalisierung als Chefsache anzusehen und zu treiben. Die Kanzlerin hat ihren Fokus nicht auf dem Thema Digitalisierung.
Stattdessen redet die Nomenklatura gerne über Straßenbau und Autobahnen. Die Infrastruktur von heute – nicht von morgen – und deren notwendiges, konstruktiv zu gestaltendes Regel- und Rahmenwerk fällt demgegenüber hinten herunter. Da überzeugt mich auch das Koalitionspapier nicht wirklich. Unser deutscher digitaler Rückstand ist schon jetzt fatal und wird in die Zukunft blickend immer fataler.
Aber vielleicht braucht man einfach das Ministerium als Signal? Ein Digitalministerium macht – so glaube ich – aber nur dann Sinn, wenn es weitreichende Kompetenzen bekommt und sich nicht im Zuständigkeitsdschungel und -kampf von Ministerien, Behörden und Bundesländern vergaloppiert und aufreibt. Jenseits der Frage einer starken Persönlichkeit an der Spitze sehe ich das genau nicht. Warum dann eine neue – nomen est omen – Behörde? Bitte nur dann, wenn die entsprechende Macht und Richtlinienkompetenz dorthin gegeben wird – mit voller Rückendeckung der Chefin und im Notfall auch durchsetzungsfähig gegen Lobbyisten-Interessen.
(Stefan Pfeiffer)
Kommentar verfassen