Digitalisierung in Gesundheitswesen: Können wir es uns denn im Sinne der Patienten erlauben, nichts zu tun?

Das Thema Digitalisierung und Datenaustausch im Gesundheitswesen beschäftigt mich seit rund anderthalb Jahren aus eigener leidiger Erfahrung stark. Kurz gesagt: Für mich ist es ein Hohn, mit welchen angesichts des heutigen Standes der Technik archaischen Mitteln meine Gesundheitsdaten zwischen meinen behandelnden Ärzten. Praxen und Krankenhäusern ausgetauscht werden. Die Ergebnisse des Blutbildes werden gefaxt, Röntgenbilder, CTs oder MRTs per CD/DVD verschickt. Ich kann meinen Ärzten keinen  Zugriff auf meine Patientendaten geben, nicht über Karte noch online oder über mein SmartPhone. Im Thema elektronische Patienten- und Gesundheitsakte leben wir in Deutschland in der Steinzeit und als Patient, der in für mich kritischer Behandlung ist und war, empfinde ich dies als eine Katastrophe.

Wer hätte gedacht, dass ich einmal den werten Herrn Jens Spahn zustimme (auch wenn es mir dabei im Magen grummelt):

Ja, Gesundheitsdaten sind sehr sensibel und müssen nach höchsten Sicherheitsstandards geschützt werden.

Ja, es gab in anderen Ländern Sicherheitslecks und -vorfälle.

Und ja, es gibt berechtigte Bedenken,  Überlegungen und Diskussionen rund um Datensicherheit und Datenschutz, wie sie beispielsweise Mike Kuketz hier ausführt.

Anders als es uns die ePA* oder eGA* vorgaukelt, werden wir bei der digitalen Verarbeitung von Gesundheitsdaten niemals die Kontrolle haben, wer unsere Daten zusammenführt und für welche Zwecke diese verwendet werden. Von dieser illusorischen Vorstellung sollten wir uns im Jahr 2019 ehrlicherweise verabschieden.

Wenn ich dann lese, welche technische Lösung die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) empfiehlt, um Praxen anzuschließen, so muss ich zugegebenermaßen den Kopf schütteln. Viele Ärzte wie der Wiesbadener Hausarzt Christian Sommerbrodt gestehen zu, „dass es viele digitale Anwendungen gibt, die den Ärzten helfen können“, aber sie lehnen die derzeit empfohlene Lösung zur Anbindung von Ärzten ab. Man sei kein Digitalisierungsverweigerer, aber so gehe es nicht. Wird etwa wieder einmal wie bei so vielen Projekten der öffentlichen Verwaltung gestümpert? Frei nach Sascha Lobo: „In dunklen Ecken des Internets sagt man dazu: Was der Bund im Digitalen anfasst, wird zu Stuhl.

Aber darf eine solche Diskussion und die von Mike Kuketz angesprochene potentiell unkontrollierte Nutzung von Patientendaten, ja meiner Daten, dazu führen, dass wir weiter in der Steinzeit agieren und Patienten nicht bestmöglich behandeln? Mir scheint, dass wir in typisch deutscher Manier wieder jahrelang diskutieren und keine oder halbgare Lösungen umgesetzt werden.

Können wir einfach nichts tun, wenn es gerade auch bei ernsthaften Krankheiten wichtig wäre, dass die behandelnden Ärzte schnell und unkompliziert Daten austauschen? Ich habe diesbezüglich meine persönlichen und generell ethisch begründeten Zweifel und würde liebend gerne selbst entscheiden, ob und wem ich meine Patientendaten zur Verfügung stehen. Oder wie es Lena-Sophie Müller**, Geschäftsführerin der Initiative D21, auf der republica sagte: „Ich wünsche mir ein digitales Gesundheits-Ökosystem, in dem ich von allen Geräten einen sicheren Zugriff auf alle meine Daten habe und meinem Arzt eine bestimmte Auswahl davon freigeben kann.

Nochmals: Ja, das Thema, welche Technologie(n) und Sicherheitsmechanismen verwendet werden, muss sorgfältig diskutiert, dann aber auch einmal entschieden und mit höchsten Standards umgesetzt werden.

Nein, Krankenversicherungen oder wer auch immer sollen nicht einfach so mal Zugriff auf meine Gesundheitsdaten haben, um mich so finanziell zu „belohnen“ oder zu „bestrafen“. Der Missbrauch meiner Daten muss unterbunden und unter Strafe gestellt werden.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn macht Druck. Das ist auch nötig. Wie aber schafft man es, endlich zügig und dabei möglichst sicher eine Lösung umzusetzen? Denn; „Ich bin kein Gegner der Vernetzung, im Gegenteil. Ich glaube, dass sie Leben retten kann“, sagt der Hausarzt Marcus Schmidt laut FAZ. Es hakt. Und das schon viel zu lange

(Stefan Pfeiffer)

*ePA oder eGA stehen für elektronische Patientenakte und elektronische Gesundheitsakte

** Mit Dr. Jens Baas von der Technikerkrankenkasse und Lena-Sophie Müller wollte ich auf der republica ein Videogespräch zum Thema führen, musste aber leider verfüht abreisen. Vielleicht holen wir es bald einmal nach, vielleicht mit einem Skeptiker in punkto Digitalisierung im Gesundheitswesen.

*** Werbeblock: Am 19. Juni organisiert mein Arbeitgeber IBM im Rahmen der #ThinkatIBM einen connected eHealth Day, einen Tag für das digitale Gesundheitswesens im Bikini in Berlin . Passend, aber ich werde es wohl leider terminlich verpassen.

**** Bild von ar130405 auf Pixabay


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2 Antworten zu „Digitalisierung in Gesundheitswesen: Können wir es uns denn im Sinne der Patienten erlauben, nichts zu tun?”.

  1. […] über Digitalisierung in Gesundheitswesen: Können wir es uns denn im Sinne der Patienten erlauben, nichts… […]

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  2. […] Das Thema Digitalisierung im Gesundheitswesen habe ich ja erst kürzlich aus Patientensicht hier beleuchtet. Mir geht das alles viel zu langsam und ich finde es nahezu inakzeptabel, dass meine behandelnden Ärzte zwischen Hausarzt, Facharzt und Krankenhaus nicht problemlos auf meine Untersuchungsergebnisse zugreifen können, so ich ihnen die entsprechende Erlaubnis erteilt habe. Können wir es uns denn im Sinne der Patienten erlauben, nichts zu tun? […]

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