Kann man in der Politik auch anders, offener und transparenter kommunizieren? Das war am 5. April 2022 Thema von #9vor9. Und der Anlass – wie kann es in diesen Tagen anders sein -, sind die Äußerungen und Erklärversuche von Robert Habeck*, die sich nicht nur nach Meinung der Netzgemeinde wohltuend von den üblichen, genormten, parteikonformen Politikeraussagen links und rechts abheben. Es scheint zumindest so, dass Politik erklärt werden kann und oft gar nicht so komplex ist, wie es mancher Politiker dem Publikum vorgaukelt. In
Gerade die jetzige Situation entlässt die Politikerin und den Politiker nicht aus dem Dilemma, Kompromisse einzugehen, die weh tun, gerade den Grünen. Doch auch hier können wir uns ehrlich machen: Diese mehr oder weniger faulen Kompromisse werden schon jahrelang eingegangen, nur haben wir nicht drüber gesprochen. Schon vor Gaslieferungen aus Qatar haben wir Energie, Öl aus Ländern bezogen, deren Regierungen bestimmt nicht zu den Demokratischsten dieser Welt gehören, wie es ja Habeck plastisch bei Lanz erklärt.
Vor Monaten hatten wir noch einen anderen Erklärbär, der ungeahnte Popularitätswerte erreichte: Karl Lauterbach, Superexperte erklärte den Deutschen anschaulich, was so los ist in und mit der Pandemie und was man tun müsse, um die Folgen zu mindern. Nun ist er ganz offensichtlich auf dem Boden der Realpolitik und der Koalitionsvereinbarungen gelandet. Die FDP führt die Ampelkoalition am Nasenring und hat erfolgreich die Maskenpflicht boykottiert. Übrigens ist dies nicht nur ein Scheitern von Karl Lauterbach. Hier scheitern genauso die Grünen rund um Janosch Dahmen.
Was jedoch für Lauterbach eklatant ist, ist der Verlust an Vertrauen aufgrund seines gegenwärtigen Handelns. Politisches Handeln und Kommunikation, warum man was tut, müssen zusammen passen. Offensichtlich traut sich aber keiner explizit bei Markus Lanz zu sagen, wir ziehen das jetzt so durch, weil Lindner, Buschmann und Kubicki drauf bestehen und wir dafür andere Dinge – bitte diesen benennen – eingetauscht haben. Ein Tempolimit kann es wohl nicht sein, was da eingetauscht wurde …
Sicherlich wird Habeck vielleicht derzeit etwas zu sehr gefeiert. Unbenommen ist aber, dass er zu erklären versucht, was warum passiert. Das kann und sollten andere Politikerinnen und Politiker durchaus als Anregung und Vorbild nehmen. Derzeit sehe ich noch nicht, dass sie das tun. Auch nicht in den ach so beliebten Talkshows, weder ein Lars Klingbeil, dem ich das zutrauen würde, noch ein Markus Söder, der ja eigentlich auf jeden Zug aufspringt, der ihn im Amt hält oder ins Amt befördert.
Mit süffisantem Schmunzeln musste ich übrigens den Beitrag eines Kommunikationsberaters auf LinkedIn zur Kenntnis nehmen. Mit besagtem Berater habe ich selbst Trainings für Führungskräfte durchgeführt, die da gelernt haben, wie sie Fragen umgehen beziehungsweise nicht beantworten, sondern wie man vielmehr seine Botschaften so oder so transportiert, egal, was gefragt wird. Diese Taktik ist ja auch ständig im Fernsehen zu verfolgen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass genau solche Taktiken nicht unbedingt zu mehr Transparenz beitragen. Vielleicht sollten Politiker, Politikerinnen und Führungskräfte mal eher lernen, wie sie ihrem jeweiligen Publikum Dinge gut erklären?
Fast zum Randthema mutiert angesichts dieser Frage der politischen Kommunikation das Eingeständnis von Franz-Walter Steinmeier, in seinen Jahren, in denen er Russland-Politik maßgeblich mit gestaltet hat, viele Dinge falsch eingeschätzt und Fehler gemacht zu haben. Doch auch dies kann ein wichtiger Akt der politischen Hygiene sein und es wird interessant sein, diese Aufarbeitung und Diskussion zu verfolgen. Wie geht man mit eigenen Fehleinschätzungen und damit verbunden Fehlentscheidungen um? Übrigens auch hier kein Thema nur der SPD, wie es die Union gerne glauben machen möchte.
* Auch Annalena Baerbock kommuniziert sehr wohltuend und hat sicherlich viele der sogenannten Kritiker überrascht. Sie ist in ihrer Rolle in einer etwas anderen Gemengelage. Da hat es Robert Habeck vielleicht etwas einfacher, da er etwas weniger “diplomatisch” sein muss. Es soll aber hier auch explizit erwähnt werden.
Videos, Kommentare, Zitate
Zum Abschluss eine Sammlung von Zitaten und Videos von Robert Habeck – und Christian Lindner – und einige kommentierende Tweets als Hintergrundinformation.
Emotionen zu Beginn von #9vor9
Mir fällt es angesichts der Bilder aus Bucha/Butscha, den unsäglichen Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung und dem Leiden der Ukrainerinnen und Ukrainer wirklich derzeit schwer, Themen links und rechts zu behandeln. Und ja, auch hier muss ich mich ehrlich machen: Die Bilder aus Syrien und anderen Orten vergleichbarer Gräueltaten, habe ich nicht so wahrgenommen. Es schien ja deutlich weiter weg. Aber auch dort wie an anderen Orten hatten Putin und seine Schergen ihre Finger im Spiel. Wir waren blind. Wir wollten blind sein.
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