Elon Musk und Twitter: Bedeutet das auch freie Meinungsäußerung à la Trump? Erste Einschätzungen #9vor9

Um das Thema konnten und wollten wir nicht herum kommen: Elon Musk wird wohl Twitter übernehmen. Der reichste Mann kauft unser (immer noch) Lieblingsnetzwerk (auch wenn Lars ja nur noch Waldbilder postet und sogar Kommentare zu seinem Lieblingsfußballverein Werder aufgegeben zu haben scheint). Plötzlich ging es sehr schnell, nachdem die Gerüchte einige Tage durch Medien und das Netz waberten. Am gestrigen Nachmittag (25.4) haben wir uns auf das Thema geeinigt, wenige Stunden später kam die Verkündung, dass man sich einig sei und nur noch die Aktionäre zustimmen müssen.

Die Reaktionen sind wie zu erwarten gespalten. Unser Freund Sascha Pallenberg will Ende dieser Woche Twitter verlassen. Andere wollen sich einfach erst einmal anschauen, was denn jetzt Musk so mit Twitter anstellt. Und fast einhellig ist die Twitter-Blase der Meinung, dass die Macht über ein solch einflussreiches soziales Netzwerk nicht in die Hand eines Einzelnen, zudem noch des reichsten Mannes der Welt gehöre. Was mir bei dieser Aufregung aufgefallen ist, ist dass ich bei keiner Kommentatorin und keinem Kommentator bewusst gelesen habe, dass es schon einen Milliardär gibt, der ein Social Media-Imperium besitzt, das in seiner Reichweite und seinem Einfluss jenseits der Journalisten-Influencer-Blase gerade auch in seiner Kombination wesentlich mächtiger, einflussreicher ist: Mark Zuckerberg mit Facebook (für die Älteren), Instagram (immer noch für viele Jüngere) und WhatsApp (für Messaging, wo man die Leute einfach nicht auf Signal oder Threema rüber bekommt).

Twitter-Blasen

Was wird denn Elon Musk jetzt kaufen? Ein in der Nutzeranzahl bei knapp über 300 Millionen Nutzerinnen und Nutzern stagnierendes soziales Netzwerk, in dem sich Journalistinnen und Journalisten, sogenannte Influencerinnen und Influencer, Politikerinnen und Politiker, viele Besserwisserinnen und Besserwisser und auch zahlreiche Radikale herumtreiben. Lars meint, dass Twitter trotzdem bedeutend sein. Mag sein, wenn Leute wie Donald Trump die Klaviatur geschickt spielen und ihre Fan Base aktivieren.

Doch darüber hinaus? Oft sind es wirklich nur eine Vielzahl von Blasen, in dem sich Gleichgesinnte selbts beweihräuchern oder aber politische Gegner bashen. Das Scholz-Bashing natürlich befeuert von einer sogenannten Opposition ist bestes Beispiel. Und ganz schnell vergisst, dass man mit einer Kanzlerin noch vor wenigen Monaten ziemlich sicher ziemlich ähnlich gehandelt hätte, aber jetzt ist der Merz gekommen und nicht nur die Bäume schlagen aus.

Übrigens lebe auch ich auf Twitter in meiner Blase. Ich folge nicht der allgemeinen Twitter-Timeline, sondern ich lese aktiv meine private, nicht öffentlich sichtbare Liste Blase. Dort habe ich die Twitter’ianern und ‚ianer gesammelt, die mir inhaltlich wichtig sind, die ich bemerkenswert finde oder teilweise persönlich kenne, sehr viele Journalistinnen und Journalisten, Social Media-Weggenossinnen und -Genossen und eben Bekannte.. Lange Zeit habe ich die dortigen Tweets für nützlich empfunden, doch gerade in den vergangenen Wochen sind mir einige Bashing-Tendenzen auch dort negativ aufgefallen.

Trump = freie Meinungsäußerung amerikanischer Bauart?

Lars hat schön zusammengefasst, was Elon Musk bisher über seine Absichten verkündet hat. Er wolle Twitter zu dem sozialen Kanal für wirklich freie Meinungsäußerung machen. Es gehe ihm nicht um Geld, sondern darum, eine offene, transparente Plattform zu schaffen. Auch diejenigen, die man nicht mag, sollen ihre Meinung äußern können, auch wenn man diese nicht mag – natürlich im gesetzlichen Rahmen. Daneben hat er noch einige technische Änderungen angekündigt. Zum Beispiel sollen Tweets nachträglich geändert werden können. Doch das sind eher Nebenkriegsschauplätze.

Was bedeutet aber denn nun freie Meinungsäußerung und offene Plattform für Elon Musk. Er ist natürlich US-Amerikaner und die ziehen im Vergleich zu den Europäern – siehe den gerade beschlossenen europäischen Digital Services Act und die „Drohung“ von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton, Twitter müsse sich „vollständig an die europäischen Regeln anpassen“ – die Grenzen dessen, was gesagt werden kann, deutlich weiter. Bringen wir es auf den Punkt: Wird es unter Musk wieder Exzesse und Lügen à la Donald Trump auf Twitter geben dürfen? Angeblich hat sich Musk über den Ausschluss von Trump sehr geärgert. so von wegen freier Meinungsäußerung. Genau davor haben viele Angst – meiner Meinung nach zu Recht.

So befürchtet Michael Seemann, dass der nie aus der Pubertät heraus gekommene Musk Twitter seinen Vorstellungen von rücksichtsloser Meinungsfreiheit des Stärkeren unterwerfen werde. Roland Lindner kommentiert in der FAZ aus meiner Sicht treffend:

Musk übernimmt nun eine gewaltige Verantwortung. Er liegt an ihm, zu demonstrieren, dass er ihr auch gewachsen ist – und der Kauf von Twitter mehr wird als ein Egotrip.

Musks Twitter-Deal : Uneigennütziger Akt oder Egotrip? Ein Kommentar von Roland Lindner, New York in der FAZ vom 25.4.2022

Wichtige Randbemerkung: Immerhin will Trump Stand heute nicht zurück auf Twitter gehen und stattdessen sein eigenes soziales Netzwerk nutzen. Ob das wirklich sein letztes Wort sein wird? Er ist ja in dieser Beziehung extrem flexibel und biegsam.

Was sollte man also jetzt tun? Twitter verlassen, wie Sascha es angekündigt hat oder aber einfach erst einmal schauen., was denn passiert (wie es Lars und auch ich tun werden). Soll man gar darauf spekulieren, dass die Übernahme von Musk Twitter in vielen Bereichen „zum Guten“ (Quellcode offen legen, Spambots austrocknen etc.) verändert, wie Jörg Schieb zu hoffen scheint?

Zugegebenermaßen hat mich die Übernahme überrascht, obwohl natürlich Milliardäre in dieser Kategorie jederzeit ihren Launen und Spielereien folgen können – oder gar ihren Masterplan à la Bösewichte in James Bond verfolgen, den unsereins nur nicht versteht. Das logische Heim für ein soziales Netzwerk wäre eigentlich … Google. Doch die haben es nie geschafft, sich jenseits der Gelddruckmaschine Suche und des Browsers Chrome in Social Media zu platzieren. Ob Google nun gut gewesen wäre für Twitter und vor allem die Anwenderinnen und Anwender? Müßig jetzt zu diskutieren.

Und wie mache ich weiter?

Wie oben schon geschrieben: Ich werde erst einmal auf Twitter bleiben und die weitere Entwicklung verfolgen. Ich versuche, auch einmal in Mastodon hinein zu schnuppern, aber derzeit ist mir dort zu viel „tote Hose“ und ich verstehe auch noch nicht, wie alles funktioniert. – die Leute, denen ich bevorzugt auf Twitter folge – scheint auf jeden Fall nur sehr punktuell auf Mastodon zu sein. Das könnte mich bewegen, dort aktiver zu werden. Also abwarten, Tee oder ein Weinchen trinken, und dann sehe ich weiter. In diesem Sinne: Zum Wohl.

Quellen & Show Notes

Wen wirtschaftliche Zahlen interessieren, dem sei dieser Bericht des Handelsblatts empfohlen. Hier findet Ihr die von Lars zitierte Analyse des geschätzten Martin Fehrensen von SocialMedia Watchblog. Empfohlen sei auch dieser Beitrag des ZDF und besonders möchte ich auf die Zitate von Michael Seemann hinweisen. Und hier der Link zum Beitrag der FAZ, die EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton zitiert. Noch ein Hinweis auf eine Zusammenfassung der NZZ, die man hier finden kann. Weitere Links im Text.

Auf dem „freien sozialen Netzwerk“ Mastodon kündigt unser Freund Palle seinen Abschied von Twitter an. (Mich findet man übrigens auch auf Mastodon als @digitalnaiv@mastodon.social)

H

ier der Tweet von Jörg Schieb zur Übernahme von Twitter:

Und hier noch „dem Klaus sein erster Kommentar“ auf Twitter:

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