Every von Dave Eggers angesichts von ChatGPT & Co gelesen

Die vergangenen Tage habe ich Every von Dave Eggers gehört. Es geht um den Technologiekonzern, der mit Eyetrackern, Smart Home-Lautsprechen und viele immer absurdere Apps die Bewohnerinnen und Bewohner immer mehr manipuliert – und kontrolliert. Oft merken diese es gar nicht. Meist wollen diese es gar nicht anders, so die Kernaussage des Buches. Auch wenn die Protagonistin durch immer abartigere Apps versucht, die Menschen wach zu rütteln – es gelingt nicht. Das Buch ist 2021 quasi als Nachfolgebuch zu The Circle erschienen.

Im Circle geht es um einen Suchmaschinenkonzern, der nicht nur Suche im Netz kontrolliert. In Every dreht es sich um eine Weiterentwicklung, um einen allmächtigen Konzern, der den eCommerce beherrscht, smarte Lautsprecher anbietet und immer mehr Apps entwickelt, die das tägliche Leben „erleichtern“.

Natürlich stockt einem der Atem, wenn man viele Dinge liest, die man in den vergangenen Jahren verfolgt hat, vom smarten Lautsprecher, der in jeder Wohnung steht und vor allem mithört und mit protokolliert über die Eye Tracking-Software, die kontrolliert wohin denn die Augen eines Menschen unsittlicherweise wandern, bis zur App, die Freunde bewertet und ihnen ihm Endeffekt einen Score zuweist: Sind es wirkliche Freunde oder tun sie nur so? Wie viele Punkte haben sie denn?

Parallel dazu habe ich die ChatGPT und YouChat ausprobiert und auch hier stoße ich auf Mechanismen, die in Every vorkommen. Ein Chatbot, der automatisch auf E-Mails antwortet, ohne dass man die Nachrichten lesen muss. Terminanfragen werden automatisch koordiniert, E-Mails klassifiziert und priorisiert, tägliche Routineaufgaben so abgenommen und erleichtert. Ein Heilsversprechen, das auch rund um ChatGPT verkündet wird.

Doch in Every werden auch Social Media-Nachrichten von Freunden und Bekannten automatisch ge-like-t, Smilies and Emojis automatisiert an Eltern und Freunde geschickt, der Geburtstagsgruß wird in voraus eilender Freundlichkeit und Schleimigkeit am Abend vorher versendet. Und so werden die zwiespältigen Nutzungsmöglichkeiten solcher Tools klar, einerseits das nützliche Helferlein, andererseits der „falsche Fuffziger“, der Menschlichkeit heuchelt und vorspielt.

Every ist manchmal sehr langatmig, das Ende für den Romantiker unbefriedigend, manche Charaktere könnten stringenter herausgearbeitet sein, aber es ist auch ein Buch, das man gerade jetzt sehr gut lesen kann und vielleicht sogar sollte – oder wie ChatGPT es zusammenfasst:

Eggers schafft es, in „Every“ komplexe Themen wie Datenschutz, Privatsphäre und Überwachung auf eine fesselnde und leicht verständliche Weise zu behandeln. Der Roman bietet eine Fülle von Diskussionspunkten für jeden, der sich mit den Auswirkungen der Technologie auf unsere Gesellschaft auseinandersetzen möchte.

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