TikTok können wir nicht ignorieren #9vor9

Alter weißhaariger Mann und junger dynamischer Medienschaffender sprechen bei über TikTok. So könnte man unseren Pod- und Videocast teasern, den wir am 5. Dezember aufgenommen haben. Da aber Lars aber auch nicht mehr ganz so frisch ist, stellt sich natürlich die Frage, ob er zum Thema wirklich kompetent ist. Muss er sein, denn im Gegensatz zu mir ist er Papa und sollte er informiert und aussagekräftig Auskunft geben können. Hier ist unsere Aufnahme:

Da haben wir uns ein Thema ausgesucht. Natürlich haben wir beide diverse Artikel gelesen, die wir in Folge verlinken werden, aber wir sind auch in den Selbstversuch gegangen. Papa Lars ist schon länger auf TikTok. Katzenpapa Stefan ist erst jetzt mal länger in die App gegangen.

Braunce Sauce auch auf TikTok

Und ich war zugegebenermaßen ziemlich schockiert: Unmittelbar nach der Anmeldung über meinen Google-Account wurde mir in TikTok braune Sauce vorgespielt. Braune Sauce? Videos der AfD, die ganz offensichtlich sehr aktiv auf TikTok unterwegs ist, um vor allem junge Leute abzuholen. Die typische Länge von 60 bis 90 Sekunden kommt natürlich den rechten Neppern, Schleppern und Bauernfängern voll entgegen, die gerne komplexe Sachverhalte in plakative, scheinbar einleuchtende kurze Aussagen rausschreien.

So war ich erst einmal damit beschäftigt, Konten zu blockieren, um mir den Mist nicht ansehen zu müssen. Lars hat wohl zu Beginn seiner TikTok-Reise ähnliche Erfahrungen gemacht, ist aber jetzt deutlich entspannter, denn der Algorithmus von TikTok hat unterdessen Lars kennengelernt und spielt jetzt wohl eher selten braune Sauce und ähnliche Clips ein. Aber halten wir fest. Rattenfänger und „Demokratiefreunde“ unterschiedlichster Couleur sind auf TikTok unterwegs.

„Extremistische Inhalte werden viel zu wenig und viel zu spät gelöscht“

Das konnte und kann man auch angesichts vieler Fake News und Deep Fakes zeigen, die nach den Morden der Hamas an unschuldigen Zivilisten über vermeintliche israelische Greueltaten erschienen sind. Knappe zehn Tage nach dem Überfall vom 7. Oktober hat man mehr als 500.000 Videos gelöscht und 8000 Live-Übertragungen gestoppt, so lässt TikTok ausrichten. Die Zahl dürfte heute deutlich höher liegen. Es muss schneller und konsequenter gehandelt werden, denn:

Im Radikalisierungsprozess können Social Media eine wichtige Rolle spielen. Extremistische Inhalte werden viel zu wenig und viel zu spät gelöscht. Gegenerzählungen und aufklärerische Videos sind gefragt

Daniela Pisoiu – Der Standard vom 27.11.2023

Fakten: Die Jungen sind und bleiben auf TikTok

Hier nun einige Fakten und Zahlen rund um TikTok, die ich aus dem Bericht von Greta Brosig auf Digimind entnehme.

Vor allem junge Leute zwischen 18 und 24 Jahren waren 2022 mit rund 65 % der User vertreten. Der Anteil der 25-34 Jährigen lag bei ca. 30 %. Die Älteren waren eher selten vertreten sind. Auf keiner anderen Plattform verbrachten 2022 Deutsche so viel Zeit wie auf TikTok. Rund 20 Millionen Nutzern verbrachten durchschnittlich etwa 23,6 Stunden pro Monat auf der App, ein Anstieg von 22% im Vergleich zum Vorjahr. Im Vergleich dazu lagen die Verweildauer auf WhatsApp bei 11,4 Stunden, auf Instagram bei 8,5 Stunden und auf Facebook bei 11 Stunden. Zur Medienutzung von Jugendlichen sei auch nochmals auf die aktuelle JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) verwiesen, die seit 1998 jährlich erscheint.

TikTok ist und bleibt relevant und wird auch nicht (so schnell) verschwinden. Die Plattform hat ihre eigene Gestaltungsästhetik entwickelt und ist von kurzen, dynamischen Videos geprägt. Schnelle Schnitte, Text- und Grafikeinblendungen, Musik und eine ständiger Wechsel, eine ständige Dynamik prägen TikTok, ein Format, das nicht unbedingt den Geschmack von älteren Nutzer wie mich trifft.

Doch „die Jungen“ sind dort und lassen sich vor allem unterhalten, nutzen die Plattform aber auch zur Recherche. Sie googeln nicht mehr. Sie suchen immer mehr über TikTok oder YouTube. Social Search wird dieses Phänomen genannt, das Google nicht gefallen dürfte.

Etablierte Medienmarken auf TikTok

Etablierten Medienmarken bleibt nichts anderes übrig, als auf den Boom von TikTok zu reagieren, um zu versuchen, die jüngere Zielgruppe zu erreichen. Deshalb sind nicht nur nahe liegende Formate wie die heute show auf TikTok, sondern auch Informationskanäle wie die Tagesschau oder Qualitätsmedien wie die FAZ.

Traditionelle Medien müssen wohl dort sein, um relevant zu bleiben und ein jüngeres Publikum anzusprechen. Dabei bleibt die Anpassung an die Ästhetik und schnelle Informationsvermittlung von TikTok eine Herausforderung. Doch klassische Medien haben es schwer: „TikTok statt Tagesschau: Journalismus erreicht immer weniger junge Menschen“ betitelt heise online eine Bericht über. eine aktuelle Studie. Wer sich über die Motivation der FAZ, auf TikTok präsent zu sein, informieren will, dem seien die Podcasts zum Start auf der Plattform sowie ein Jahr danach empfohlen.

Wie Fake News auf TikTok begegnen?

Natürlich zeigen emotional aufgeladene Videos auf TikTok oft nur einen Ausschnitt der Realität, führen zu verzerrten Meinungsbildern und heizen die Stimmung auf. Die Frage, inwieweit TikTok maßgeblich dazu beiträgt, Jugendliche zu radikalisieren, steht im Raum und auch die Rolle von China, das durch TikTok Einfluss auf Meinungen weltweit nehmen könnte, darf hinterfragt werden. Doch würde ein Verbot der Plattform wirklich helfen? „Wir können den Infokrieg gewinnen“, kommentiert Morten Freidel in der FAZ. Aber wie?

Dem Informationskrieg auf TikTok kann wohl nur mit klassischer Aufklärung in daheim und vor allem in Schulen begegnet werden. Eltern und Schulen haben eine große Verantwortung, ihre Kinder im Umgang mit TikTok zu begleiten und Medienkompetenz zu vermitteln, eben auf notwendige Faktenchecks und vertrauenswürdige Quellen zu verweisen. Gerade auch Lehrerinnen und Lehrer müssen sich mit dem Thema weiterbilden und kompetent auseinandersetzen.

125 – Über TikTok und die Suche nach Informationen #9vor9 – Die Digitalthemen der Woche

Auf dem Weg, eine jüngere Zielgruppe zu erschließen, sprechen wir diese Woche über TikTok und darüber, wie diese jungen Menschen in Deutschland die Plattform nutzen und welche Rolle TikTok bei der Suche nach Informationen spielt. Ist TikTok nur eine weitere Social-Media-Plattform? Wie steht's mit der Qualität von Informationen auf der Plattform? Wie können die traditionellen Medien TikTok nutzen? Wir sprechen drüber.

Die Lars-Challenge: Erstelle bis kommenden Dienstag ein TikTok-Video unserer Diskussion

Wir werden uns weiter mit TikTok beschäftigen müssen. Auch wir bei . Und deshalb habe ich Lars auch eine Challenge gestellt. Er soll bis kommende Woche aus unserer Sendung zu TikTok ein 90-Sekunden-Video mit den knackigsten Aussagen und schnellen Schnitten erstellen. Vielleicht gibt es eine Super-KI, die automatisch ein Video zusammen schneidet? Mal schauen, ob er es schafft. Und dann können wir gerne darüber sprechen, ob auch unser Format auf TikTok sein sollte.

Heiter bis gar nicht so komisch

Eine kleine Auswahl, was mir alles so auf TikTok zugespielt wurde. Zu krasse braune Sauce habe ich bewusst nicht fotografiert.

Auch diesmal wurde das Titelbild mit einer KI (ideogram.ai) erstellt. Der Prompt war sehr generisch. Die KI sollte ein Bild zu TikTok erstellen. Und ja, das Logo ist natürlich nicht realistisch.


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Comments

Eine Antwort zu „TikTok können wir nicht ignorieren #9vor9”.

  1. Peter

    Da wäre mal eine tiefergehende Recherche gut:
    «denn der Algorithmus von TikTok hat unterdessen Lars kennengelernt und spielt jetzt wohl eher selten braune Sauce und ähnliche Clips ein.»
    Was ist denn dann bitte der Algorithmus, der neue User bedient? Warum kommen da diese Clips zunächst? Woher holt sich TikTok die Trigger für diese?

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