Die Ereignisse rund um den Newsletter-Dienst Substack sind diesmal Thema von #9vor9, unserem Video-/Podcast mit Lars Basche und mir. Anlass ist die schon seit geraumer Zeit hitzig geführte Diskussion darüber, dass Substack auch Rechtsradikalen und Neonazis erlaubt, die Plattform zur Verbreitung ihrer Inhalte zu nutzen. Die Autoren einiger bekannter Newsletter haben nun die Plattform verlassen, nachdem das Substack-Management mit dem Argument „Free Speech“ und Meinungsfreiheit weder die Nazi-Inhalte kontrollieren und moderieren, noch diese von der Plattform verbannen wollte.
Was bisher geschah
Die Kontroverse um Subtext begann im November letzten Jahres, als ein Artikel in The Atlantic aufdeckte, dass die Plattform Neonazi-Inhalte verbreitete. „Substack has a Nazi Problem„, so der Titel. Die Journalisten hatten aufgedeckt, dass einige Newsletter von bekannten Neonazis veröffentlicht wurden. Diese Enthüllung löste heftige Diskussionen aus und führte zu offenen Briefen von Autoren und Journalisten, die eine Änderung der Content-Moderation forderten.
Ende Dezember reagierte das Management von Substack auf die Kritik, betonte jedoch die Bedeutung der Meinungsfreiheit und lehnte eine Zensur ab. Der Mitbegründer, Hamish McKenzie, veröffentlichte eine Note auf der Plattform, in der er erklärte, dass sie zwar keine Nazis unterstützen, aber dennoch der Ansicht sind, dass Meinungsfreiheit erlaubt sein sollte. Er argumentierte, dass eine Zensur oder Kontrolle von Inhalten das eigentliche Problem nicht löse, sondern möglicherweise verschlimmere.
Diese Antwort von Substack löste weitere Kontroversen aus und führte dazu, dass einige namhafte Autoren ihre Zusammenarbeit mit der Plattform beendeten und zu anderen Anbietern wechselten. Unter ihnen war auch der bekannte Autor Casey Newton, dessen Abonnementbasis bereits 170.000 Leser umfasste. Subtext löschte zwar einige dieser Newsletter, änderte jedoch seine grundlegende Position nicht.
Parallelen zu Elon Musk und X: Radikale dürfen verbreiten, was sie wollen
Vieles erinnert fatal an Elon Musks X, der dort ja auch rechtsradikale und Neo Nazi-Accounts mit dem Argument der Meinungsfreiheit wieder freigeschaltet hat. Die Diskussionen um Substack und auch X werfen Fragen zur Meinungsfreiheit und Content-Moderation in den USA im Vergleich zu Deutschland auf. In den USA wird die Meinungsfreiheit oft als grundlegendes Recht auf Free Speech angesehen, während in Deutschland und Europa Regulierungen existieren, die Einfluss auf die Präsentation umstrittener Inhalte nehmen. Der gerade von der EU verabschiedete Digital Services Act ist das aktuellste Beispiel, wie in Europa Inhalte moderiert werden sollen.
Unsere Meinung: Verbieten oder zumindest streng moderieren
Verbieten oder zumindest streng moderieren. So lässt sich wohl am besten das Thema aus unserer Perspektive beschreiben. Substack wollte nicht verbieten, geschweige den moderieren. Ganz ähnlich positioniert sich auch Elon Musk. Die Brücke ist dann ganz schnell zur aktuellen Diskussion in Deutschland geschlagen, inwiefern man rechtsradikalen Vertretern der AfD gerade auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Plattform geben sollte. Müssen oder sollten die so häufig zu Gesprächsrunden und Interviews eingeladen werden?
Auch hier prallen die Argumente aufeinander. Die Partei sei immerhin gewählt worden und im Sinne einer breiten und umfassenden Berichterstattung müsse man sie eben auch zu Wort kommen lassen. Daneben wird immer wieder – gerade auch von der Politik, von FDP oder auch CDU/CSU – postuliert, dass man die Sprecher der Rechtsradikalen in den Gesprächen inhaltlich entlarven könne und werde. Dies scheint aber in den vergangenen Jahren nicht wirklich gelungen zu sein.
Neonazis, Rechtsradikalen, Verfassungsfeinden keine Plattform bieten
Eine andere Politik gegenüber Rechtsextremisten wird in Luxemburg und Südbelgien gefahren. Dort bieten die Medien Extremistinnen und Extremisten kein Forum und man konnte dort bisher einen Rechtsruck verhindern: „Menschen, die rassistischen, demokratiefeindlichen Gruppen nahestehen, bekommen keine Plattform; Einladungen zu Live-Interviews und Talkshows sind tabu“, schreibt Miriam Petzold in ihrem lesenswerten Beitrag auf GoodImpact. Man rede zwar mit rechtsradikalen Politikerinnen und Politikern, übertrage aber nie direkt deren Reden. Diese würden von Reporterinnen und Reportern zusammengefasst und eingeordnet.
Ich stimme Miriam Petzold in weiten Teilen zu. Journalistinnen und Journalisten gerade auch im ÖRR haben eine Verantwortung gegenüber unserer Demokratie. Hier sollten strenge Prinzipien herrschen. Einen Gauland hätte man nach dessen Fliegenschiss-Aussage nicht wieder zu TV-Gesprächen einladen dürfen. Wer den Nationalsozialismus relativiert, Menschen entgegen der Prinzipien unseres Grundgesetzes deportieren oder unsere Demokratie abschaffen will, kann im besonderen nicht mehr im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auftreten. Dies sind notwendige Prinzipien, die jetzt diskutiert und entschieden werden müssen. Und ja, wir müssen diese Diskussion auch auf die sozialen Medien ausweiten, die Prinzipien beherzigen und die Möglichkeiten des Digital Services Acts konsequent nutzen und umsetzen.
Nicht zu viel Toleranz für Intolerante, so zitiert Miriam Petzold den Philosophen Karl Popper. Lernen wir aus der Geschichte. Noch ist es nicht zu spät.
„Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“
Karl Popper: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, 1945
129 – Über Substack und den Kampf gegen Rechts, in den USA und in Deutschland – #9vor9 – Die Digitalthemen der Woche
Die Titelgrafik wurde mit Ideogram.ai und folgendem Prompt erstellt: Erstelle eine ansprechende Titelgrafik, die die Bedeutung journalistischer Verantwortung bei der Moderation von Inhalten und dem Umgang mit rechtsradikalen Ansichten hervorhebt. 5. Illustration von Menschen, die verschiedene Meinungen und Ideen repräsentieren. Verwende verschiedene Symbole wie Bücher, Mikrofone und Puzzleteile, um die Vielschichtigkeit der Diskussion darzustellen. Ergänze den Hintergrund mit einem stilisierten Zeitungs- oder Bildschirmmuster, um den journalistischen Kontext zu betonen.
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