Dieser Tage haben wir bei #9vor9 mit den Analysten Axel Oppermann über die Marktmacht von Microsoft in Deutschland und Europa gesprochen. Nur gestreift haben wir dabei das Thema Microsoft Copilot, die Künstliche Intelligenz von Microsoft, die praktisch in jedem Microsoft-Produkt auftaucht und kaum wegzuklicken ist. Das gefällt ganz sicher nicht jedem. Volker Weber fragt angesichts dieses Vorgehens provokant: „Ist denn Microsoft besoffen?“
Copilot ganz konkret im Alltagseinsatz im Unternehmen
Wie im Podcast gesagt: Ich nutze Microsoft 365 Copilot in meinem Berufsalltag. Und ich ziehe daraus individuellen Nutzen, den ich so schnell nicht missen möchte. Ich kann endlich auf komfortable Weise Informationen finden, die in unzähligen Teams-Chats, E-Mail-Verläufen und SharePoint-Ordnern verstreut sind. Copilot hilft mir, dieses gesamte Unternehmens-Know-how zu erschließen.
Dabei nutzt die KI den Microsoft Graph, eine zentrale Schnittstelle, die alle Unternehmensdatenpunkte innerhalb der M365-Umgebung miteinander verbindet. Wenn ich heute eine Zusammenfassung brauche oder eine Antwort entwerfe, muss ich nicht mehr mühsam in verschiedenen Datentöpfen suchen; die KI liefert personalisierte und präzise Ergebnisse. Für mich persönlich ist das in gewisser Weise die späte Einlösung des Versprechens vom Wissensmanagement oder funktionierender Enterprise Search.
Der Vollständigkeit halber möchte ich erwähnen, dass einige Analysten dies auch als Risiko ansehen. Eine der größten, aber am wenigsten diskutierten Gefahren von Copilot sei das „Oversharing“-Problem. Die KI aggregiert Daten aus dem gesamten Microsoft-365-Universum eines Unternehmens – E-Mails, Chats, Dokumente und Kalendereinträge. Wenn die Zugriffsberechtigungen in diesem System nicht perfekt gepflegt sind, kann Copilot sensible Informationen wie Gehaltsdaten, geistiges Eigentum oder vertrauliche Strategiepapiere unbeabsichtigt Nutzern zugänglich machen, die diese niemals sehen dürften.
Die Ernsthaftigkeit dieses Risikos wird durch Fakten untermauert: Schätzungen zufolge sind über 15 % der geschäftskritischen Dateien in Unternehmen durch fehlerhafte Berechtigungen gefährdet. Ich kann die Bedenken nachvollziehen, denke aber, dass der Verzicht auf die Vorteile einer funktionierenden Enterprise Search nicht unterschätzt werden sollten.
Nützlicher Assistent im Alltag
Zurück zu meinen Erfahrungen: Es hilft in der täglichen Arbeit, aber würde ich es einen echten Produktivitäts-Booster nennen? Und spart es mir wirklich 9 Stunden pro Monat, wie es von Microsoft gesponserte Studien sagen? Ok. Natürlich kommen noch vielfältige andere Dinge in meinem Alltag hinzu, wo ich auf die KI zurückgreife. Sie formuliert meine E-Mails so um, dass sie den oft subtileren, weniger konfrontativen US-amerikanischen Umgangston treffen. Mit purer deutscher Direktheit eckt man im internationalen Konzernumfeld schnell an, und hier leistet das Tool wertvolle Dienste als diplomatischer Puffer, quasi kulturelle „Glättung“ meiner Kommunikation.
Darüber hinaus übernimmt Copilot die klassischen Fleiß- und Routinearbeiten: Transkripte erstellen, Meetings zusammenfassen und daraus handlungsrelevante To-Do-Listen ableiten. Auch für die inhaltliche Recherche ist Copilot mein Werkzeug der Wahl – primär aus Compliance-Gründen. Er ist die vom Unternehmen freigegebene KI, die sicherstellt, dass unser internes Wissen und sensible Daten geschützt bleiben, während der Zugriff auf andere LLMs zurecht eingeschränkt ist. Es kommen noch eine Reihe anderer Einsatzszenarien hinzu.
Was jedoch bezeichnend finde: Derzeit endet der Nutzen meist an meinem eigenen Schreibtisch. Copilot ist momentan ein reines „Personal Productivity Tool“, das den Einzelnen entlastet, aber noch nicht wirklich Synergien im Team hebt. Vielleicht ist das der nächste Schritt, erfordert aber dann eine wirkliche Transformation der Arbeitsweise und der Prozesse, was in Unternehmen erfahrungsgemäß nicht gerade einfach fällt. Diese persönliche Beobachtung deckt sich übrigens mit Forschungsergebnissen von … Microsoft Research.
Die strategische Macht des Lock-ins
Angesichts dieser Schilderung und der tiefen Integration in Word, Excel und Outlook: Ist Microsoft 365 damit schlicht in Unternehmen gesetzt? Funktional gesehen ist die Antwort wohl derzeit ein Ja. Microsoft liefert derzeit im Office-Umfeld die wohl ausgereifteste KI-Integration. Die Strategie von Microsoft ist klar: Das Ziel ist die Monetarisierung der Basis und die Erzeugung eines faktischen Lock-ins in das gesamte Ökosystem. Microsoft agiert als digitaler Versorgungsdienstleister.
Der Haken: Juristische und geopolitische Risiken
Doch die beschriebene Funktionalität hat einen hohen Preis – und das nicht nur finanziell ($30 USD/EUR pro Nutzer und Monat zusätzlich). Es ist in diesen Zeiten eine strategische Grundsatzfrage, die sich die öffentliche Verwaltung, aber auch Unternehmen stellen müssen. Die Nutzung von Microsoft Copilot geht mit erheblichen Risiken in Bezug auf die Datenhoheit einher. Die Datenkontrolle ist eingeschränkt, da stets das Risiko des Durchgriffs durch die US-Gerichtsbarkeit (insbesondere den CLOUD Act) besteht. Dieses Risiko ist nicht abstrakt; so wurden bereits E-Mail-Konten von Richtern des Internationalen Gerichtshofs auf Anweisung der US-Administration abgeklemmt. Zudem gilt die DSGVO-Compliance als, sagen wir, problematisch.
Die europäische Alternative: Souveränität vor Speed
Doch gibt es überhaupt Alternativen für europäische Unternehmen und Verwaltungen, wenn sie Künstliche Intelligenz nutzen wollen? In der funktionalen Breite und Tiefe muss man das wohl derzeit verneinen. Zwar sind eine Reihe von Office-Paketen wie openDesk (Deutschland) oder La Suite Numérique (Frankreich) und weitere Lösungen verfügbar, jedoch steckt die KI-Funktionalität dieser Produkte noch in den Kinderschuhen.
Aber mir scheint die Schlacht um die Ausstattung der Büroarbeitsplätze noch nicht gänzlich verloren. Im Bereich KI ist wohl Mistral AI der europäische KI-Herausforderer. Das französische KI-Start-up wird als Europas großer Hoffnungsträger gehandelt. Mit ihrer Lösung Le Chat Enterprise fordern sie Copilot direkt heraus. Mistral AI bietet DSGVO-Konformität und legt Wert auf Sicherheit und tiefgreifende Anpassbarkeit für europäische, datensensible Facharbeit. Der entscheidende Vorteil: Der Nextcloud AI Assistant kann beispielsweise vollständig lokal auf dem eigenen Server betrieben werden, um Datenabfluss an Dritte zu verhindern.
Mistral AI und andere europäische Anbieter setzen mit ihrer Strategie auf digitale Souveränität. Das Ziel ist es, Unabhängigkeit vor allem von den USA zu gewährleisten und eine juristische sowie technische Firewall zu schaffen. Die Priorität liegt auf Datenschutz und Kontrolle, auch wenn dies aktuell eine geringere KI-Funktionalität bedeutet.
Funktion vs. Kontrolle
Die Wahl ist ein hartes Abwägen: Auf der einen Seite steht das hochentwickelte, sofort einsatzbereite Werkzeug (Copilot), das individuelle Routinearbeiten erleichtern und erledigen kann. Auf der anderen Seite steht die Stärkung der europäischen IT-Industrie und der Aufbau einer eigenen, gesicherten Infrastruktur (europäische Lösungen), die zwar momentan in der Breite weniger KI-Tiefgang bietet, dafür aber maximale Unabhängigkeit und Rechtssicherheit gewährleistet.
Die kommenden Monate werden extrem wichtig für mögliche europäische Alternativangebote. Es braucht Integrationen von Mistral AI in die bekannten, auf Open Source basierenden Office-Pakete wie LibreOffice oder eben auch OpenDesk. Mistral AI baut gezielt Partnerschaften mit europäischen Infrastruktur- und Software-Anbietern (z. B. SAP, Deutsche Telekom/T-Systems, ASML) sowie mit großen europäischen Unternehmen (Banken und Konzernen), um Modelle in Europa betreibbar, integrierbar und regeltauglich zu machen. Diese Allianzen sind sowohl technisch (Hosting, Integration) als auch strategisch (Kapital, Co-Development) bedeutend.
Es braucht Marketing und Willen für europäische Lösungen
Doch braucht es angesichts der enormen Lobby- und Marketing-Power von Microsoft zusätzlich dringend Marketing und Unterstützung durch die europäischen Regierungen und die EU. Mistral AI und Le Chat sind bei Weitem noch nicht so bekannt, wie sie es sein müssten, um im Markt größere Resonanz zu erzielen. Der Wille, europäische Alternativen zu schaffen, muss öffentlich deutlich sichtbar sein. Daran mangelt es leider aus meiner Sicht. Microsoft schläft mit seiner Öffentlichkeitsarbeit und seinem Lobbyismus bestimmt nicht.
Der private Copilot?
Zum Abschluss noch der Blick auf meine persönliche Arbeitsumgebung (außerhalb meiner Arbeit in der Kommunikationsabteilung von Kyndryl). Meine, unsere Rechner sind Microsoft-frei. Ich komme privat gut ohne Outlook, Word, Excel, PowerPoint und Teams aus. Logischerweise habe ich so auch keinen Copilot im Einsatz.
In Apple Mail, das ich auf dem Mac und iPhone nutze, sind nur die derzeit verfügbaren Funktionen von Apple Intelligence aktiv. In LibreOffice ist keine KI aktiv. Ehrlicherweise nutze ich LibreOffice auch vergleichsweise selten, da ich privat kaum Tabellen oder Präsentationen erstelle. Texte schreibe ich meistens direkt in Mail oder aber hier in WordPress. Doch wende ich Large Language Models und KI sehr intensiv an. Perplexity ist meine AI-gestützte Antwortmaschine – mit allen Schwächen und Halluzinationen, die ich hier im Blog oft ausgebreitet habe.
Bewusst nutze ich auch immer wieder ChatGPT, Google Gemini und … Le Chat von Mistral AI. Letzteres Werkzeug werde ich mir in den kommenden Monaten intensiver anschauen. Der erste Eindruck ist durchweg positiv. Nicht vergessen sollte ich, dass ich inzwischen mit Google Gemini Audio- und Videodateien transkribiere. Hinzu kommen Werkzeuge zur Bild- und Videoerstellung. Darüber aber mehr in einem separaten Beitrag.
Unbedingt erwähnen möchte ich Google’s NotebookLM, das Lars und ich oft zur Vorbereitung unserer Podcasts einsetzen. Wir füttern das Tool mit unseren Quellen, lassen NotebookLM die Funktionen anreichern und illustrieren. Für uns ist es ein hervorragendes Werkzeug, das die Erstellung von Podcasts ungemein erleichtert. Unten findet ihr einige Beispiele, was mir NotebookLM basierend auf meinen Quellen und Recherchen als Output geliefert hat. Ich finde es bemerkenswert.
Das von NotebookLM erstellte Video zum Thema
Die von NotebookLM erstellte Präsentation
Auszug aus dem MindMap von NotebookLM



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