„Deutschland, bitte liefern!“ Motividee: Eine riesige Amazon-Versandbox in den Farben Schwarz-Rot-Gold wird von Drohnen über ein digitales Berlin geflogen. Auf der Box steht: „Modernisierungsagenda – Zustellung ausstehend“. Unten auf den Straßen: Bürger warten mit Formularen in der Hand. Prompt: A cinematic digital artwork showing a giant Amazon delivery box colored black-red-gold flying over Berlin carried by drones. On the box label: “Modernisierungsagenda – Zustellung ausstehend”. Below, citizens wait with paperwork and laptops, looking up. Style: dystopian satire, high contrast, dramatic clouds.

Ein Träumchen: Deutsche Verwaltung so einfach wie bei Amazon #9vor9

„So wie man es bei Amazon bestellen kann, wollen sie auch bei der Verwaltung oder bei den Behörden bestellen,“ das sagt Lars Basche in unserem Podcast zum Thema Angebote der digitalen Verwaltung, und ich muss (leider*) zustimmen. seit Langem. Wenn wir bei Amazon oder anderen Plattformen mit wenigen Klicks einkaufen können, erwarten Bürgerinnen und Bürger mit einer gewissen Berechtigung, dass sich Online-Behördengänge ebenso einfach und komfortabel erledigen lassen.

Davon sind wir heute leider noch weit entfernt. Der neue E-Government MONITOR 2025 der Initiative D21 zeigt deutlich: Zwischen den Erwartungen der Menschen und der tatsächlichen digitalen Leistungsfähigkeit des Staates klafft eine tiefe Lücke.

Der Befund: Vertrauen bröckelt, Erwartungen steigen

Die Ergebnisse sind ernüchternd: Nur 33 % vertrauen dem Staat noch – ein Rückgang von 38 % im Jahr 2022. Mehr noch: Für 51 % der Bürger sind mangelhafte oder fehlende digitale Angebote ein direkter Grund, an der Modernität und Leistungsfähigkeit des Staates zu zweifeln. Über 50 % erleben den Kontakt mit Behörden als „anstrengend“. Nur 15 % sehen ihre Erwartungen an eine moderne digitale Verwaltung erfüllt.

Bürgerinnen und Bürger, die von digitalen Angeboten frustriert sind, scheinen bereit zu sein, sich voll und ganz auf die Digitalisierung einzulassen, wenn eine zentrale Bedingung erfüllt ist: eine schnellere Bearbeitung ihrer Anträge (47 %). Der Wunsch nach Effizienz überwiegt die aktuelle Enttäuschung. 61 % wünschen sich, staatliche Angebote schneller und einfacher auffindbar zu machen. 66 % wollen, dass Leistungen so einfach nutzbar sind wie bei privaten Unternehmen – hier schließt sich der Kreis zu Amazon.

Die Modernisierungsagenda

Das ist die Stimmungslage, der sich die neue Bundesregierung und auch der neue Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung, Carsten Wildberger, gegenübersieht. Er hat jetzt seine Modernisierungsagenda vorgestellt, laut Regierung ist es ein „Befreiungsschlag“. Bis Ende der Legislaturperiode sollen die Bürokratiekosten um 25 Prozent sinken – immerhin 16 Milliarden Euro Einsparung, theoretisch.

Was steht noch auf der To-Do-Liste? 23 Hebelprojekte, viele Schlagworte. Das Once-Only-Prinzip soll verhindern, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Daten bei jedem Amt und Antrag neu eingeben müssen, eine Forderung, die auch die Befragten des E-Government Monitors gestellt haben. Weitere Hebelprojekte, die Wildberger am 1. Oktober 2025 vorgestellt hat, sind – Deutschland einig Autoland – eine zentrale Fahrzeugzulassung beim Kraftfahrt-Bundesamt, eine Unternehmensgründung binnen 24 Stunden statt monatelanger Prozesse oder Direktauszahlungen vom Bund an Bürger (z. B. für Klimageld).

Das sind einige der Projekte, die unter besonderer Beobachtung stehen, denn mit ihnen kommen die „Endanwender“, die Bürgerinnen und Bürger, direkt in Kontakt. Es sind die Projekte, an denen sich Wildberger vor allem in der breiteren Öffentlichkeit wird messen lassen müssen, denn Änderungen in den oben genannten Bereichen werden direkt ankommen. Wie so oft gilt: „Klingt gut, aber wollen wir mal sehen.“ Vertrauen entsteht erst, wenn Ergebnisse wirklich im Alltag spürbar sind.

Der Föderalismus- und Zuständigkeitsfrust

Bleibt die Dauerbremse: Wer ist denn nun eigentlich wofür zuständig? Das beginnt – trotz Digitalministerium – auf Bundesebene zwischen den Ministerien und verschärft sich dann durch den typischen deutschen Föderalismus, der Fortschritte in der Digitalisierung durchaus blockiert, zumindest erschwert hat. Die Koordination von 16 Ländern und 11.000 Kommunen führt zum berüchtigten IT-Wildwuchs und zu „parallelen Eigenentwicklungen“, wie der Bundesrechnungshof moniert. Ich höre schon den Söder-Markus, unterstützt von seiner Doro, dass die Bayern in Bayern sowieso alles besser verstehen. Gerade dieses Feld bleibt spannend.

Künstliche Intelligenz als Heilmittel für Verwaltung und Gerichte

Doch auch an anderen Stellen, seitens anderer Interessenvertreter, gibt es bereits Widerstand. Denn neben Einsparungen bei der Bürokratie will die Regierung auch den Personalbestand der Bundesverwaltung um acht Prozent reduzieren. Und es überrascht nicht: Der Beamtenbund nennt das „unverantwortlich“: Es fehlen ohnehin 600.000 Stellen, und wie soll denn dann Verwaltung funktionieren?

Doch in der Verwaltung gehen die Babyboomer bald reihenweise in Rente und die offenen Stellen lassen sich wohl schlichtweg nicht mehr besetzen – selbst mit viel gutem Willen und politischer Sonntagsrhetorik. Von der Finanzierung weiterer Stellen gar nicht zu reden. Da wird der Aufschrei über Personalabbau zur typischen Verteidigung der eigenen Interessen und Erbhöfe, auch wenn die Realität anklopft.

Wo keine Menschen mehr zu finden sind, muss da wohl das neue Allheilmittel namens Künstliche Intelligenz ran – ob das nun allen gefällt oder nicht. Übrigens setzen auch viele Befragten des E-Government Monitors auf KI. Aber Vorsicht, technologische Wunder dauern bekanntlich länger als eine PowerPoint-Präsentation, und der „Schwund in den Ämtern“ lässt sich nicht einfach mit Algorithmen wegoptimieren. KI kann zwar Prozesse effizienter machen und dringend benötigte Expertise ersetzen, aber ohne echte digitale Infrastruktur und Anpackmentalität bleibt das alles nur die Hoffnung auf den großen Neustart, der sehnsüchtig erwartet wird.

Und was passiert in den Rechenzentren und Serverräumen?

Da haben wir also all diese Herausforderungen; Bürger sollen Verbesserungen im Alltag spüren, und angesichts weniger Beamter soll „die KI“ einspringen. Aber auch so im Hintergrund, in den Serverräumen und Rechenzentren, muss einiges passieren. Auch dort sind Vorhaben in der Modernisierungsagenda genannt, wie beispielsweise der Deutschland-Stack, eine einheitliche IT-Infrastruktur für die deutsche Verwaltung als Baukasten.

Die Grundkomponenten dieses „Stacks“ sollen schon innerhalb von zwölf Monaten implementiert werden, heißt es vollmundig in der Agenda. Klingt nach großem Wurf, ist aber ein Ritt durch eine föderale Landschaft, in der jeder seine Sonderlocken pflegt: Die Hoffnung ist, dass der Stack den Wildwuchs der Eigenentwicklungen und Insellösungen endlich eindämmt.

Auch hier toben Grabenkämpfe. Da sind diejenigen, die mehr digitale Souveränität wollen, und die anderen, die weiterhin Microsoft und anderen US-Konzernen hinterherlaufen. Ein Aufbruch zu mehr Unabhängigkeit dürfte trotz Mastodon-Kontos des Digitalministeriums eine Herausforderung sein, trotz einiger Leuchtturmprojekte und zart gedeihender Pflänzchen wie des Umstiegs des Landes Schleswig-Holstein auf Open Source oder den ersten Erfolgen des ZenDIS mit OpenDesk als Alternative zu Microsoft Office. Das sind wichtige Leuchttürme. Aber die Bürgerinnen und Bürger interessiert am Ende nicht, ob im Hintergrund Server ausgetauscht wurden – sie wollen spürbare Verbesserungen.

Es muss schnell für Bürger fühlbar geliefert werden

Doch so vielversprechend die Pläne auch klingen, sie treffen auf eine Wand aus tiefem Misstrauen und Skepsis, die sich aus jahrelangen enttäuschten Erwartungen speist. Experten und Beobachter fürchten, dass es bei einer reinen Ankündigungspolitik bleiben könnte – eine Sorge, die durch unzählige gescheiterte IT-Projekte der Vergangenheit genährt wird. Die Grundstimmung lässt sich mit einem Satz zusammenfassen: Wir glauben es erst, wenn wir es sehen.

Diese Haltung bringt Lutz Goebel vom Nationalen Normenkontrollrat (NKR) prägnant auf den Punkt: Papier ist geduldig, und es liegt am Bundeskanzler sowie am Vizekanzler, die gesamte Regierungsmannschaft auf die Ziele einzuschwören. Jetzt zählt die Umsetzung.

Die Regierung selbst hat den Maßstab für ihren Erfolg formuliert, den Digitalminister Wildberger in seinem Vorwort zur Studie so zusammenfasst: „Was zählt, ist Wirkung: weniger Aufwand, mehr Klarheit, spürbare Erleichterung.“ An diesem Versprechen und an einer transparenten, offenen Kommunikation der Themen wird sie gemessen werden. Oder wie Lars es auf den Punkt brachte: „Die Menschen wollen, dass jetzt geliefert wird.“ Und genau das ist der Maßstab: Erst wenn die digitale Verwaltung so einfach wird wie (ich beiße in die Tastatur) Amazon – klar, schnell und zuverlässig – gewinnt der Staat das Vertrauen seiner Bürgerinnen und Bürger zurück.

* Das „leider“ steht dort, weil ich es schlimm finde, dass wir es nicht schaffen, uns unabhängiger von Amazon zu machen. Ich versuche immer wieder und meistens, bei deutschen Anbietern online zu bestellen. Doch leider muss ich eben feststellen, dass Bestellprozess, Lieferung und auch Reklamation bei Amazon einfacher, schneller und unkomplizierter funktionieren. Ich wünsche mir wirklich, es wird anders.

Modernisierungsagenda & eGovernment-Monitor: Vertrauen in Staat und Verwaltung und digitale Realität #9vor9 – Die Digitalthemen der Woche

Die Bundesregierung verpasst Deutschland die nächste Agenda, diesmal zum Thema Staatsmodernisierung. Aber hilft sie wirklich, das Vertrauen in Staat und Verwaltung zurückzugewinnen? In dieser Episode von 9vor9 sprechen wir über den neuen eGovernment-Monitor der Initiative D21, die Ergebnisse zum Vertrauen in die Verwaltung und über die Pläne von Digitalminister Carsten Wildberger. Wie realistisch sind Versprechen wie die 24-Stunden-Unternehmensgründung, das Once-only-Prinzip oder eine zentrale digitale Fahrzeugzulassung? Und welche Rolle können künstliche Intelligenz und Bürokratieabbau tatsächlich spielen, wenn es um echte Digitalisierung geht? Darüber hinaus: 1. Warum Bürgerinnen und Bürger der Verwaltung so wenig vertrauen 2. Welche Fortschritte die Modernisierungsagenda wirklich bringt 3. Ob KI der Verwaltung helfen oder schaden wird 4. Und warum es ohne Transparenz keinen digitalen Fortschritt gibt

Das 60-Sekundenvideo zum Blogbeitrag – veröffentlicht auf YouTube, TikTok und Instagram

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