Digitale Veganer? Realistischer ist es, dass wir auf Diät gehen

Die Zahl der digitalen Veganer nimmt scheinbar zu, Digitale Veganer sind diejenigen, die ohne Lösungen der Technologieriesen Amazon, Apple, Facebook, Google und Microsoft leben wollen. Sie nutzen Technologie, aber eben nicht Lösungen von „bösen“ Anbietern. Eine große Herausforderung, wie Kashmir Hill in ihrem Selbstversuch feststellen musste. Manchmal fühlte sie sich amputiert, als ob ein Körperteil fehlt. Und es ist extrem schwierig, denn die Technologien besagter Unternehmen sind überall, oft kaum sichtbar im Hintergrund.

Man glaubt, die „richtige“ und „saubere“ Lösung zu nutzen und dann stellt man fest, dass der Open Source-Messenger Signal oder auch die oft empfohlene Suchmaschine DuckDuckGo auf Amazon Web Services laufen. Oder aber im eigenen Auto läuft für uns kaum sichtbar Software von Microsoft oder Google. Gute Beispiele, wie schwer es ist, besagte Riesen zu bemerken und zu vermeiden.

Und die ganz strikten, digitalen Veganer in Europa wollen oft auch keine Software und Lösungen nutzen, die aus den USA stammen oder dort laufen: „Signals Server stehen in den USA = No GO!“ So lautete eine Antwort auf meinen Beitrag zur Nutzung von Signal. US-Unternehmen unterlägen amerikanischem Recht und Gerichte könnten die Anbieter zwingen, Schlüssel und Daten herauszugeben. Die Schatten von FBI, NSA, CIA und Co. werden vielleicht sogar zu Recht heraufbeschworen.

Digitale Veganer verteidigen und promoten Alternativen, doch sie haben oft den Geruch der Kommandozeilen-Befehle und schwieriger Bedienung. Das beste Beispiel ist Linux versus Windows am Arbeitsplatzrechner oder aber auch die Diskussion, ob man Libre Office oder Microsoft Office nehmen soll. Und was sind die leicht nutzbaren Alternativen, wenn es kein iPhone und kein Android-Smartphone sein soll?

Die Widerstände vieler Nutzer/innen sind groß, denn man ist die Lösungen besagter Riesen gewohnt, aus der Schule von klein an. Microsoft-Software bereits in der Schule ist ein gutes Beispiel. Oder wenn sich das eigene Kind schon in zartem Alter an Alexa gewöhnt, ist eine Entwöhnung im Nachhinein schwierig. Es ist ja so bequem und gewohnt.

Oft gibt es scheinbar keine Alternativen: „All meine Freunde sind auf Facebook und WhatsApp.“ Deshalb werden Nachteile in Kauf genommen, nicht wahrgenommen oder klein geredet. „Ich habe doch nichts zu verbergen“. Wie oft hört man diesen Satz selbst von intelligenten, aufgeklärten Bürger/innen? Die Datenkraken und Monopolisten haben (oft geschlossene) Ökosysteme geschaffen, aus denen normale Anwender/innen nur schwer ausbrechen können oder wollen. Oder sie operieren wie geschrieben unbemerkt im Hintergrund.

Doch das Misstrauen nimmt derzeit gerade auch in den USA zu, wo lange Jahre eher Ignoranz in punkto Datenschutz herrschte. Plötzlich werden unter dem Hashtag Techlash aber mögliche Wahlmanipulationen genauso diskutiert wie die Vermarktung der persönlichen Daten der Surfer/innen. Es wird spannend sein, zu beobachten, wohin dies gerade in den USA führen wird.

Doch seien wir realistisch. Zu digitalen Veganern wird die Mehrheit der Bevölkerung nicht werden. Wir alle werden wohl gar nicht komplett vegan leben können, denn besagte Unternehmen sind unterdessen nahezu unvermeidbar geworden. Jedoch glaube ich, dass wir stattdessen eine digitale Diät anstreben sollten. Was heißt das? Wir vermeiden die Lösungen von Amazon, Facebook, Google und Microsoft, wo wir es können. Und wir machen auch Kompromisse, denn in den USA gehostete Lösungen wie Signal oder DuckDuckGo sind immer noch besser als ein WhatsApp oder ein Facebook Messenger respektive Google.

Schon dies erfordert viel bewusstes Handeln, um das eigene digitale Ich zu ändern. Doch es geht, wenn man sich bewusst für gangbare Alternativen entscheidet, bei denen man eben keine großen Verluste an Bequemlichkeit wahrnimmt. Und es fordert viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit, um auch diejenigen nach und nach aufzuklären, die nicht täglich in der Welt der modernen IT und Digitalisierung daheim sind. Mir sind aber immer mehr Anwender/-innen lieber, die in digitaler Diät leben, denn eine vernachlässigbare Zahl digitaler Veganer.

P.S. Zum Ende noch ein persönliches Outing: Wir leben privat in einer Apple-dominierten Welt. Diesen Kompromiss sind wir eingegangen. Da sind wir bequem.

(Stefan Pfeiffer)


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2 Antworten zu „Digitale Veganer? Realistischer ist es, dass wir auf Diät gehen”.

  1. […] Wie und ob ich die „Big Five“ vermeiden kann, habe ich in diesem Artikel behandelt: Digitale Veganer? Realistischer ist es, dass wir auf Diät gehen […]

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  2. […] weitgehend beherrschenden Konzerne Amazon, Facebook, Google und Microsoft berichtet und zu einer digitalen Diät aufgerufen. Fünf, Moment, da fehlt doch einer. Stimmt. Apple habe ich noch nicht […]

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