Fastenzeit: Von Aschermittwoch an nur noch maximal fünf E-Mails pro Tag schreiben? Oder brauchen wir einen ganz anderen Ansatz?

Die E-Mail ist ein Symbol für Aufschieberitis und Unverbindlichkeit. … Bloß niemanden überrumpeln, bloß nicht gleich die Dinge klären, die sich in vielen Fällen rasch besprechen ließen.

über Kommunikation im Büro – Schafft die E-Mail ab! – Karriere – Süddeutsche.de

So schreibt Felicitas Wilke in der Süddeutschen Zeitung. Sie fordert dazu auf, öfters mal das Telefon zu nehmen, um Dinge direkt zu klären, statt E-Mail-Pingpong zu spielen. Sie ruft pünktlich zum Aschermittwoch zum Fasten auf. Man solle versuchen, nur noch maximal fünf E-Mails pro Tag zu schreiben. Auch Josh Bersin sieht das Paradigma von E-Mail als gebrochen an. Die besten Mitarbeiter würden – so seine Studien . am schnellsten auf E-Mails antworten, was zu Stress führt.

Das Thema lässt mich nicht los, in der persönlichen Nutzung, aber auch hier im Blog: E-Mail, Fluch oder Segen. Immer wieder habe ich dazu aufgefordert, dass für viele Dinge, die per E-Mail verteilt und in Silos gespeichert werden, besser Werkzeuge zur Zusammenarbeit benutzt werden sollten. Im besonderen bin ich ein Freund sogenannter Enterprise Social Networks (ESN) wie IBM Connections, die mit vielfältigen Funktionalitäten die Kollaboration im Unternehmen und auch über Unternehmensgrenzen hinweg unterstützen. Communities sind dabei ein zentraler Bestandteil, in denen sich Mitarbeiter rollen- oder projektbezogen zusammenschließen, Informationen austauschen und Ideen entwickeln.

Doch fast scheint es, dass die internen Unternehmensnetzwerke schon wieder aus der Mode kommen. Jetzt sind Messenger in der Mode. jeder kennt (leider) WhatsApp in der privaten Nutzung oder aber Slack oder Microsoft Teams im Unternehmen. Sie werden in vielen Artikeln hoch gehandelt. Sie seien übersichtlicher, schreibt Felicitas Wilke. Oder Josh Bersin postuliert, dass diese Werkzeuge nun wirklich die Art, wie wir arbeiten, ändern.

Doch noch sind die Zahl der Messenger-Anwender bei allen Steigerungsraten noch immer weit von der Zahl der E-Mail-Anwender entfernt. Und unterschätzen wir nicht die Macht der Gewohnheit. Ja, durch die private Nutzung von Messengern mag sich auch in Unternehmen sukzessive das Kommunikationsverhalten ändern, aber noch sind wir nicht dort.

Und es gibt durchaus auch die ersten kritischen Stimmen und Erfahrungen mit den neuen Kommunikationswerkzeugen. Auch Messenger können meiner Erfahrung nach schnell unübersichtlich werden, wenn man in vielen Kanälen und Workspaces aktiv ist. Und sie sind ein neuer Kanal, den ich auch checken muss. Der von Josh Bersin angesprochene Stress mit E-Mail kann durch Messenger durchaus genauso verursacht, vielleicht sogar potenziert werden.

Wir haben heute viele Plätze und Werkzeuge, mit denen wir zusammenarbeiten und kommunizieren: Telefon, Videokonferenzen, Dokumentenablagen, Wikis, Communities, Messenger, Projektmanagement-Tools, E-Mail, externe soziale Netzwerke. Fast jedes dieser Werkzeuge hat auch eine Benachrichtigungsfunktion, einen „Posteingang“ oder aber sendet eine Benachrichtung per E-Mail. Wir haben offenbar zu viele Tools.

Vor allem fehlt uns noch immer ein gemeinsames Verständnis zwischen Mitarbeitern und in Unternehmen, welches Werkzeug und welchen Kanal wir für welche Kommunikation und Zusammenarbeit wie nutzen. Daran haben die Messenger auch nichts geändert. Das Chaos ist weiter perfekt. Der/die eine „messengen“, der/die zweiten rufen an und der/die dritten kommentieren im internen sozialen Netzwerk. Und E-Mail ist noch immer der geringste gemeinsame Nenner und wird – so meine Prognose – auch in nächster Zukunft weiter dominieren.

Gerade auch bei mir bleibt der Wunsch nach einem besseren Verständnis und Übereinkommen der Beteiligten darüber, welches Tool wann angebracht ist und wie benutzt werden sollte. Und auf der anderen Seite vermisse ich einen integrativen Nachrichteneingang, der Traum von der universellen Inbox, besser einer integrierten Arbeitsumgebung, in der verschiedene Dienste von E-Mail über Messenger bis zum Teilen von Dokumenten smart integriert sind und zusammen laufen.

Vielleicht träume ich von der eierlegenden Wollmilchsau, aber ich finde noch immer diese Demo von HCL faszinierend. Ja, es ist derzeit Demoware, Slideware, doch unabhängig von manchem Highend-Feature (wie dem Erkennen der Stimmung des Gegenübers oder automatische Übersetzung), das erst einmal gar nicht nötig wäre, würde ich mir eine solche Umgebung durchaus wünschen.

Noch ein Nachtrag: Wir dürfen auf keinen Fall die Einfachheit und den Komfort von und das Verständnis für Anwendungen vergessen. Mein beliebtestes Beispiel ist weiterhin die Dokumentenablage und -verwaltung. Seit wirklich Jahrzehnten gibt es Versionierung: Ich habe einen Datensatz hinter dem beliebig viele Versionen eines Dokuments hängen können. Doch stattdessen werden immer noch von der Mehrheit der Anwender neue Dokumente mit sprechenden Dateinamen wie „Präsentation_v2_von_Ines.odp“ erstellt. Wir haben es nicht geschafft, die Vorteile einer sauberen Versionsführung zu vermitteln. Oder aber unsere Software ist noch immer viel zu kompliziert zu bedienen und fordert zu viele von den Anwendern.

(Stefan Pfeiffer)

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