Threads und das Activity Pub-Protokoll: Meilenstein für soziale Netzwerke? #9vor9

Horst Schlemmer hätte den Namen geliebt, Marcel Reich-Ranicki ebenso: Threads, der Name des „neuen“ sozialen Netzwerks des Meta-Konzerns lädt dazu ein, nicht nur das englische Tea-Age zu üben, auch das DieEs am Ende stellt seine Ansprüche – wie Ihr auch in unserer Aufnahme hört.

Wir sprechen bei über den neuesten heißen Scheiß, eben Threads, die Twitter-X-Bluesky-Alternative vom lieben Mark Zuckerberg. Aber ist der Scheiß noch heiß oder ist er vielleicht schon kalter Kaffee?

Weltweit ist Threads schon länger am Start, in Europa wurde es aber jetzt erst geöffnet, weil wohl bestimmte Voraussetzungen im Datenschutz berücksichtigt werden mussten. Meine persönlichen Erfahrungen mit Threads sind und waren nicht gerade berauschend. Nachdem ich ein neues Konto angelegt hatte, war es sehr auffällig, dass in meiner Timeline Bilder vieler junger Frauen auftauchten und es lebhafte Diskussionen rund um „Mausis“ gab – deshalb auch das Studio- und Titelbild mit Minnie Maus dieser Folge. Grund dafür kann sicherlich Instagram sein, auf dessen Benutzerverwaltung Threads aufbaut. So können Beiträge hin und her fließen und tun das offensichtlich auch.

Heftige Kritik, aber Politiker, Journalisten, Influencer sind da …

Das könnte auch ein Grund sein, vermutet Lars, warum viele Politikerinnen und Politiker sowie Journalistinnen und Journalisten ziemlich schnell bei Threads am Start waren. Ich habe da etwas andere Befürchtungen. Mir scheinen die sogenannten Social Media-Berater besonders der Parteien eine starke Rolle zu spielen und mal wieder eine neue Sau durchs Dorf treiben zu wollen.

Deutliche Kritik an Threads hagelte es im Beitrag von Matthias Schwarzer: „Man nehme das Inspirations­gequatsche von LinkedIn, mische es mit Twitter-Mobbing, Reaction-Youtube, geklauten Inhalten von Tiktok und der Oberflächlichkeit von Instagram und fasse all das zu einem Threads-Post zusammen – fertig ist das Potpourri des Schreckens“, so eine seiner Aussagen.

Sicherlich sehen das viele anders, auch Lars. Doch scheint der erste Hype rund um Threads etwas abgekühlt zu sein, wie auch eine aktuelle Umfrage von Klaus Eck zeigt. Offensichtlich verteilen sich die Anwenderinnen und Anwender nun auf mehrere soziale Netzwerke, von Threads über Unverbesserliche, die auf X bleiben, zu Bluesky, Mastodon und LinkedIn. Ich selbst ziehe derzeit wenig Nutzen aus Threads und bewege mich mehr auf Mastodon … in der eigenen Blase. Dazu bei Gelegenheit mehr.

Und diese könnte auch die Zukunft der sozialen Netzwerke sein, weg von einem dominanten Netz (das es auch bisher so nie gab) hin zu mehreren Netzen. Ob dabei eines dieser Netze die alte Rolle von X/Twitter als News- und Kommentierungsplattform übernehmen kann, ist komplett offen, eher fraglich. Meine persönliche Meinung: Leider nutzen noch immer zu viele Politikerinnen und Politiker, statt dieses radikalisierte Netzwerk zu verlassen.

Rund um Threads gibt es jedoch Hoffnung: Instagram hat angekündigt, dass Threads das Activity Pub-Protokoll des Fediverse unterstützen wird. Instagram-Präsident Adam Mosseri ist so beispielsweise schon über Klienten wie Mastodon zu lesen. Die Unterstützung des Activity Pub-Protokolls soll bis Ende schrittweise ausgebaut werden. Nach WordPress oder Flipboard kündigt nun also ein weiterer bemerkenswerter Player an, das Fediverse und sein Protokoll zu nutzen. Sehr gut.

Dieser Support ist – wenn er vernünftig umgesetzt wird – sehr hoch zu bewerten, denn dann können Threads-Anwenderinnen und Anwender mit Usern auf Mastodon und anderen Activity Pub unterstützenden Klienten und Plattformen Nachrichten austauschen und hoffentlich auch kommentieren. Es könnte einen Meilenstein für soziale Netzwerke sein, die sich eben nicht mehr nur im eigenen Netzwerk bewegen, sondern übergreifend kommunizieren können.

Activity Pub: Standard-Protokoll statt abgeschottete Insel

Ich vergleiche Activity Pub immer gerne mit dem SMTP-Protokoll für E-Mail. Dadurch können Outlook- und Gmail-Nutzerinnen und -Nutzer Nachrichten an Mailbox.org- oder T-Online-Anwenderinnen und Anwendern und vice versa senden, für uns alle seit Jahren eine Selbstverständlichkeit. Genauso einfach sollte mit Activity Pub der Austausch zwischen Threads, Mastodon, Flipboard und anderen Klienten und Plattformen sein. Dies wäre der entscheidende Schritt zu einem protokoll-basierten Social Networking, unabhängig von monopolartigen Plattformkonzernen und Insellösungen. Kommt es dazu, könnte 2024 wirklich das Jahr des Fediverse werden, wie Sascha Pallenberg geschrieben hat.

Natürlich gibt es auch Kritik an der Ankündigung. So wollen einige Mastodon-/Fediverse-Instanzen und Plattformen die Kommunikation mit Threads unterbinden, damit die dortigen fragwürdigen Inhalte eben nicht bei ihren Anwenderinnen und Anwendern landen. Ich halte eine generelle Blockade aber für problematisch. Stattdessen könnten die Betreiber den Usern die Möglichkeit geben, mit einem Klick den Austausch mit Threads (oder anderen Plattformen) zu sperren. Diese Macht gehört meiner Ansicht nach genau in die Hand derjenigen, die die Netze benutzen, und nicht in die Hand der Hoster und Betreiber.

Unternehmen: Erst mal abwarten und beobachten

Doch nochmals zurück zu Threads: Ich stimme dem Tenor von Marcel Weiss in der FAZ zu. Besonders Unternehmen, Behörden, aber auch privaten Anwenderinnen und Anwendern würde ich im Moment raten, Threads zu beobachten, bereit zu sein, sich zu engagieren, aber erst einmal abzuwarten, wohin sich der Zug bewegt. Es hat sich gerade in den vergangenen Monaten gezeigt, dass man unabhängig davon, was manche Agentur empfiehlt, nicht auf jedes neue Tool, auf jedes neue Pferd aufspringen muss. Manch einer der Gäule wird nur zu schnell zu Tode geritten.

Die Hintergrund- und Titelgrafiken für diesen Blogbeitrag wurden wieder einmal mit der GenAI Ideogram.ai erzeugt. Die zuerst eingeblendete Grafik zeigt einen stilisierten Mark Zuckerberg in der Mitte. Links sieht man Mini Maus, rechts einen frustrierten Elon Murks. Unten habe ich noch eine zweite Grafik eingebunden: den lächelneden Mark Zuckerberg mit Minni Maus an seiner Seite. Es leben die Mausis!


Posted

in

by

Comments

Eine Antwort zu „Threads und das Activity Pub-Protokoll: Meilenstein für soziale Netzwerke? #9vor9”.

  1. Instagram führt das Ranking der Social Media-Nutzung mit 35 Prozent vor Facebook mit 33 Prozent an. Dann kommt eine Weile nichts.TikTok (15 Prozent) und Snapchat (13 Prozent) liegen deutlich dahinter. Ansonsten taucht nix auf, was in Richtung von netzöffentlicher Meinungsbildung geht. Die Zahlen der ARD-ZDF-Studie sind für mich immer die Goldwährung für Kommunikationsstrategien.

    Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Regelmäßig informiert bleiben?
StefanPfeiffer.Blog

Jetzt abonnieren, um informiert zu bleiben und alle Beiträge im Zugriff zu haben.

Fortfahren