Schon lange hatten wir das Thema auf der Pfanne, aber bisher ist immer etwas dazwischen gekommen: Wie konsumieren und nutzen die Deutschen Nachrichten. Das wird im renommierten Reuters Digital News Report regelmäßig bei fast 100.000 Befragten weltweit abgefragt. Das Leibnitz-Institut für Medienforschung ist für die deutsche Teilstudie zuständig. Einige Ergebnisse des Reports besprechen Lars und ich mit Unterstützung von Kater Pünktchen bei #9vor9.
Ein Aspekt hat es immer wieder auch in die Schlagzeilen geschafft hat: das Internet überholt Fernsehen als wichtigste Quelle für Nachrichten. Eigentlich geht diese Überschrift jedoch etwas am Thema vorbei. Besser fragt man, wie viele Nutzerinnen und Nutzer schauen linear „live“ Nachrichten im Fernsehen und wie viele tun das non-linear, dann wann sie Lust haben im Internet.
Und hier findet sicherlich eine Verschiebung statt, aber auch non-linear nutzen die meisten die Angebote traditioneller Anbieter aus TV, Radio und Print, also statt die Tagesschau um 20:00 Uhr live im Fernsehen also die Tagesschau-App wann immer man Lust hat. „42 Prozent bezeichnen das Internet als ihre Hauptnachrichtenquelle, dicht gefolgt von linear ausgestrahlten Fernsehsendungen mit 41 Prozent.“
15 Minuten Tagesschau versus 30 Sekunden TikTok-Video
Doch ganz offensichtlich gibt es gerade bei den Jüngeren eine deutliche Verschiebung hin zum Nachrichtenkonsum über soziale Medien wie Instagram, YouTube und TikTok, über die sie Nachrichteninhalte empfangen. Dort schauen sie sich mindestens einmal pro Woche wenige Minuten lange oder kürzere Nachrichtenvideos an. Oder anders und zugespitzt formuliert: 15 Minuten Tagesschau versus 30 Sekunden TikTok-Video.
Die Ergebnisse des Reuters-Reports werden vom Pilot Radar mit Fokus Nachrichten bestätigt. Traditionelle Medien bleiben vor allem bei den Älteren beliebt. 65 Prozent der 18-29-Jährigen nutzen häufiger Online-Kanäle und Social Media wie YouTube und TikTok für Nachrichten und stehen vor der Herausforderung einer Balance zwischen journalistischer Sorgfalt, Aktualität und ‚Snackability‘ des Contents. Wie viel Informationen und Inhalt bekommt man in 30 bis 90 Sekunden hinein?
Und welchen Informationen kann man vertrauen? Das generelle Interesse an Nachrichten ist wieder etwas hoch gegangen, aber nur 43 % der Befragten vertrauen den Medien generell, der niedrigste Wert seit 2015. Am meisten Vertrauen genießen traditionelle öffentlich-rechtliche Nachrichtenangebote wie die Tagesschau und regionale Zeitungen.
Vertrauen angesichts von Fake News und alternativer Fakten
Vertrauen ist angesichts derer, die alternativen Fakten aus dem Hut zaubern und dabei Plattformen wie X oder auch TikTok und andere Plattformen nutzen aus unserer Sicht eines der wichtigsten Themen heute und in den kommenden Monaten und Jahren. Welchen Quellen kann man vertrauen? Vor allem aber, wie prüft man, dass man einer Nachrichtenplattform vertrauen kann. Wie kann man als Nutzerin und Nutzer Fakten überprüfen, Fake News oder KI-generierte, fehl führende Inhalte und Propaganda-Bots erkennen?
Die Tatsache, dass die Mehrzahl der Politikerinnen und Politiker und die Mehrheit der Journalistenblase immer noch X nutzt, ist dabei nicht gerade vertrauensfördernd und zeugt in hohem Maße vom Verantwortungslosigkeit besagter Akteure. Wie kann man angesichts der von Elon Murks betriebenen Radikalisierung von X diese Plattform noch immer nutzen? Dass gerade rechtsradikale Player wie die AfD ganz offensichtlich durch die Algorithmen von TikTok bevorzugt werden, macht ebenso nachdenklich, wenn man bedenkt, wie viele Junge auf TikTok und ähnlichen Plattformen unterwegs sind und deren Meinung von solchen „Nachrichtenquellen“ doch maßgeblich mit bestimmt wird.
Welche Perspektiven fehlen den deutschen Nachrichtenkonsumenten?
Diese Entwicklungen machen besorgt. Viele haben Schwierigkeiten Fake News oder Desinformation von von echten Nachrichten und Fakten zu unterscheiden. Lars und ich haben durchaus Fragezeichen in den Augen, wenn
66 % der erwachsenen Internetnutzer in Deutschland erwarten, dass die Nachrichtenmedien vielfältige Perspektiven zu aktuellen Themen bieten. Nur 43 Prozent sind der Meinung, dass dies gut umgesetzt wird. Welche Perspektiven fehlen den Befragten in einem Land, in dem noch immer vielen inklusive der AfD mit ihren rechten Parolen ein Platz in der Berichterstattung gegeben wird? Das würde uns schon sehr interessieren.



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