Erschaffe ein Bild, das die Macht von Tech-Oligarchen wie Pavel Durow und Elon Musk symbolisiert. Zentral im Bild ist ein digitaler Globus, der von riesigen Händen umschlossen wird, die diese Welt kontrollieren. Jede Hand hält Symbole ihrer Unternehmen (Telegram und X), und im Hintergrund erscheinen düstere Schattenfiguren, die auf die undurchsichtige Natur ihrer Geschäfte hinweisen

Durow & Konsorten: Sie dürfen nicht über den Gesetzen stehen

In dieser Folge des Podcasts diskutieren Lars und ich die jüngsten Entwicklungen rund um den Messenger-Dienst Telegram und dessen Gründer und CEO Pavel Durow. Der Anlass für das Gespräch ist die kürzlich erfolgte Festnahme Durovs bei seiner Ankunft in Paris.

Telegram wird von vielen als weit mehr als nur ein Messenger-Dienst eingeordnet. Laut Experten wie Markus Beckedahl fungiert Telegram eher als Social-Media-Plattform, da Nutzer öffentliche Kanäle und Gruppen mit bis zu 200.000 Mitgliedern erstellen und darüber „1 to many“kommunizieren können. Dies unterscheidet Telegram von vielen klassischen Messengern. Die Vorwürfe lauten schon lange, dass diese Möglichkeit wird oft von radikalen Gruppen, einschließlich rechtsradikalen und islamistischen Gruppierungen, für die Verbreitung von Propaganda genutzt. Beispielsweise hat das ZDF Mitte 2020 ein Online-Special mit dem Titel „Undercover im Nazi-Chat – Wie sich Rechtsextreme bei Telegram vernetzen“ veröffentlicht.

Telegram is another level: it has been the key hub for ISIS for a decade. It tolerates CSAM*. Its ignored reasonable LE engagement for YEARS. It’s not “light” content moderation; it’s a different approach entirely. 

Brian Fishman, Meta’s former anti-terrorism chief on Threads

Behörden handelten auf Basis des französischen Strafrechts

Ein zentraler Kritikpunkt ist der mangelnde Einsatz von Telegram gegen illegale Inhalte wie Kinderpornografie, Hassrede und andere kriminelle Aktivitäten. Die französischen Behörden werfen Telegram vor, nicht genügend gegen solche Inhalte auf der Plattform vorzugehen. Dies führte zu Durows Festnahme, die laut französischer Behörden und der EU nicht im Zusammenhang mit dem Digital Services Act (DSA) steht, sondern auf Basis französischer Gesetze erfolgt ist. Er ist erst einmal bis heute in Untersuchungshaft. Die Vorwürfe reichen von der Prävention von Gewalt gegen Minderjährige bis hin zu Betrug, Drogenhandel, Cybermobbing, organisierter Kriminalität,Terrorismusförderung und Teilen pädophiler Inhalte: „Dort werden Missbrauchsdarstellungen von Minderjährigen offen verbreitet, Drogen angeboten, mutmaßlich werden sogar Terroranschläge geplant.

Während Durow in einem Interview von fast einer Milliarde Nutzern weltweit sprach, gibt Telegram offiziell an, weniger als 45 Millionen Nutzer in der EU zu haben, vielleicht um nicht unter den Digital Services Act der EU zu fallen. Telegram hat in einem eigenen Statement geschrieben die Vorwürfe der EU als „absurd“ bezeichnet. Der Messenger halte sich an den Digital Services Act (DSA). Nicht nur diese Diskrepanz wirft Fragen zur Glaubwürdigkeit der Plattform auf.

Ich habe illegale Inhalte auf Telegram gefunden. Wie kann ich diese löschen lassen? Die Einzel- und Gruppenchats sind Privatsache der jeweiligen Nutzer. Wir bearbeiten keine diesbezüglichen Anfragen.

Telegram FAQ

Schon lange ist Telegrams Umgang mit illegalen Inhalten ein zentraler Vorwurf an das Unternehmen mit Sitz in Dubai. Die Plattform verweigert seit langem weitgehend die Moderation von Inhalten und begründet dies mit dem Schutz der Privatsphäre ihrer Nutzer. Mangelnde Transparenz einhergehend mit dem Verleugnen von Schuld hat dazu geführt, dass Telegram oft mit der Verbreitung von rechtsradikalen und islamistischen Inhalten in Verbindung gebracht wird.

Machtkampf zwischen einigen reichern Männern und den Rechtsstaaten

Nicht nur wir ziehen Parallelen zwischen Pavel Durow und anderen Tech-Milliardären wie Elon Musk. Zentrale globale Kommunikationsstrukturen werden von einzelnen, sehr reichen Personen kontrolliert werden, die ihre eigenen, bisweilen demokratiegefährdenden Werte und Vorstellungen in die Plattformen einfließen lassen. Markus Beckedahl bringt es auf den Punkt:

Ich halte Pawel Durow für vergleichbar vertrauenswürdig wie Elon Musk. Beide vereint, dass es sich hier um sehr reiche Personen handelt, die alleine eine globale und relevante Kommunikationsinfrastruktur kontrollieren, die nach ihren Werten funktioniert. Dabei wird intransparent agiert und im Zweifelsfall dürften eigene Geschäftsinteressen oder persönliche politische Einstellungen Entscheidungen über die Verwaltung der Plattform massiv beeinflussen.

Wie Telegram im Hintergrund mit wem dealt, bleibt bisher im Dunklen – correctiv.org

Dass ein Elon Musk dann noch einem Pavel Durow beispringt und unter dem Hashtag #FreePavel dessen Freilassung fordert, verwundert nicht. Hat Musk etwa Angst, bei einer Reise nach Frankreich oder Europa mit ähnlichen Vorwürfen festgenommen zu werden?

In dieses Horn stoßen viele Kommentatoren, so auch Gunnar Sohn:

Durow mag als Gründer von Telegram begonnen haben, aber was er geschaffen hat, ist weniger ein Hort der Freiheit als vielmehr ein Wildwestland, in dem die Gesetze von Moral und Anstand längst außer Kraft gesetzt sind. Hier kann alles passieren, alles gesagt werden, ohne dass es Konsequenzen gibt.

Pawel Durow: Vom Freiheitshelden zum Symbol für die moralische Verkommenheit der Tech-Elite  – ichsagmal.com

Gunnar reiht Durow in die Reihe anderer Tech-Oligarchen ein, die ihre Macht skrupellos und bedenkenlos nutzen. Diesen Milliardären und Plattformbetreibern muss endlich klar gemacht werden, dass sie nicht über den Gesetzen stehen. Das ist bisher offensichtlich noch nicht geschehen.

Sie stehen nicht über den Gesetzen und tragen die Verantwortung für Inhalte ihrer Plattformen

Die Verhaftung Durows könnte ein positives Zeichen dafür sein, dass Regierungen endlich ernsthaft gegen Telegram vorgehen wollen, um den rechtlichen Rahmen durchzusetzen. Allerdings bleibt abzuwarten, ob dies ein nachhaltiger Schritt ist oder ob der Fall in den kommenden Tagen wieder in Vergessenheit gerät. Auch wird es sicherlich mit entscheidend sein, ob die EU den Digital Services Act und die damit verbundenen Strafen in den kommenden Wochen und Monaten durchsetzen kann. Einige Verfahren laufen ja derzeit. Wir würden uns freuen, wenn endlich, eigentlich viel zu spät konsequent gegen Hasse, Hetze, Cyberkriminalität und viele anderer Auswüchse vorgegangen würde und die Konzerne und deren Besitzer in ihre Schranken verwiesen würden.

Für uns unbestritten ist, dass Plattformen wie Telegram oder auch X und die anderen Hass, Hetze und Kriminalität unterbinden müssen. Entsprechende Beiträge müssen umgehend gelöscht, gegebenenfalls gemeldet werden. Da gibt es kein wenn und aber. Doch wie weitgehend sollen die Befugnisse der Behörden sein, auf diesen Plattformen „mitzuhören“, um potentielle Attentate oder kriminelle Verschwörungen zu identifizieren und zu verhindern. Was ist mit der Privatsphäre der Nutzerinnen und Nutzer, die Telegram ja ganz massiv vorschiebt, um Inhalte nicht entfernen zu müssen? Wie effektiv kann eine solche Überwachung sein? Wie viel Überwachung sollte erlaubt werden? Hier ist die Antwort oder sind die Antworten sicherlich wesentlich schwieriger.

In dieser Podcast-Folge haben wir versucht, die komplexen Herausforderungen, die mit der Regulierung und Überwachung von großen Messaging- und Social-Media-Plattformen verbunden sind, insbesondere wenn diese von einzelnen, mächtigen Individuen kontrolliert werden. Das Thema wird uns ganz sicher weiter beschäftigen.

Nachtrag vom 29.8.2024: Der Telegram-Gründer Pawel Durow wurde nach seiner Festnahme und Befragung in Frankreich unter Auflagen freigelassen. Die Pariser Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein, unter anderem wegen mangelnder Zusammenarbeit mit Behörden bei Kriminalitätsermittlungen und Beihilfe zu Straftaten. Durow kam gegen eine Kaution von 5 Millionen Euro frei, muss aber unter Justizaufsicht in Frankreich bleiben.

* CSAM = Child Sexual Abuse Material

** LE Enaggement = Law Enforcement Engagement

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