
Wie oft habe ich den Spruch „Ich habe doch nichts zu verbergen“ von Bekannten und Freunden gehört, wenn ich sie mal wieder davon überzeugen wollte, den Messenger Signal statt WhatsApp zu benutzen, vorsichtig auf Facebook, Instagram und TikTok zu sein. Zu selten hat es geklappt, mein Gegenüber zu überzeugen.
Da haben auch all die Skandale von Cambridge Analytica 2018 bis zum heutigen Tag nicht viel genutzt. Die Praktiken der Konzerne sind seit Jahren bekannt. Hier werden beispielsweise die derzeit bekannten Datenskandale rund um Facebook dokumentiert. Doch um was geht es: um Datenhandel.
Deine Daten sind ihr Gold: Deine Vorlieben, dein Klickverhalten, deine Interessen – all das wird gesammelt, analysiert und verkauft. Dein Online-Verhalten ist der Treibstoff, der diese Maschinerie am Laufen hält.
Die Dummheit siegt: Wie rechtsextreme Propaganda uns alle verblödet – Mimikama DIREKT
Unsere Klicks werden monetarisiert. Unsere Daten werden verkauft. Reiner Zufall, dass wir plötzlich auf Instagram Werbung zu einem Produkt bekommen, das wir nur in einem privaten Chat auf WhatsApp erwähnt haben.
Alles nicht so schlimm. Denn wir haben ja nichts zu verbergen.
„Wir füttern die Monster – mit unseren Daten, Klicks und Mitgliedschaften“
Durch Künstliche Intelligenz ist es noch schlimmer geworden. Die Algorithmen werden so programmiert, dass wir emotionalisierende Inhalte sehen, dass wir Puls bekommen, uns aufregen, denn das bringt Klicks, Klicks bringen Daten, Daten bringen Kohle. „Wir füttern die Monster – mit unseren Daten, Klicks und Mitgliedschaften“, so lautet eine Zwischenüberschrift in einem sehr lesenswerten Artikel „Die Dummheit siegt: Wie rechtsextreme Propaganda uns alle verblödet“ von Mimikama Direkt.


Wir haben uns quasi schon daran gewöhnt, dass die Klicks in den sozialen Medien gesammelt und ausgewertet werden, dass unsere Browser alles verfolgen und dokumentieren, was wir online tun. Cookie-Banner nerven halt nur, Cookies löschen, warum? Und was sind eigentlich Cookies?
Ich habe doch eh nichts zu …
Alles Panne bei VW und Elon sitzt mit im Auto
Doch die Datensammelwut und die Datenschutzvergehen gehen deutlich über unseren Computer hinaus. Zahllose Berichte über die Datenpanne bei Volkswagen gingen kürzlich durch die Medien. Allein das Wort: Datenpanne. 15 Millionen Datenpunkte zu Fahrzeugen, über 600.000 Daten zu VW-Kunden, teils inklusive E-Mail, Geburtsdatum und Anschrift, und 9,5 TByte Ereignisdaten, darin enthalten Geokoordinaten, waren im Netz frei zugänglich. heise kommentiert hier mit der Zwischenüberschrift „Bordellbesuche rekonstruierbar“.
Wenige Tage später: Ein Tesla-Cybertruck explodiert in Las Vegas vor einem Trump-Hotel. Tesla konnte innerhalb weniger Stunden die komplette Reiseroute des Fahrers von Denver nach Las Vegas nachverfolgen. Die Daten stammten sowohl von Ladestationen als auch von der Bordsoftware. Elon Musk sitzt quasi in jedem Tesla mit an Bord und schaut zu, wo man denn so hinfährt und was man so treibt. Vielen ist das erst durch diesen Vorfall bewusst geworden. Die Rechte, die sich Tesla in den AGB einräumen lässt, sind laut Datenschutzexperten „ohne erkennbare Grenzen“.
Aber Elon ist ja ein guter Buddy, total normal. Vor dem habe ich sicher nichts zu verbergen.
Wenn die Wetter Online-App Nutzerdaten weitergibt und. …
Dieser Tage gab es einen weiteren „Höhepunkt“ aus der Reihe „Ich habe ja nichts zu verbergen“. Ein aufschlussreicher Datensatz kam über einen US-amerikanischen Händler zu netzpolitik.org und kooperierende Medien in Europa und den USA. Diese Databroker-Files offenbaren das Ausmaß der globalen Smartphone-Überwachung durch Datenhändler. Die Analyse von 380 Millionen Standortdaten aus 137 Ländern zeigt, dass rund 40.000 verschiedene Handy-Apps Nutzerdaten an Datenhändler weitergeben.
Unter den betroffenen Apps befinden sich auch die in Deutschland beliebte Wetter Online App, Focus Online und verschiedene Dating-Apps. Die Daten sind teilweise so präzise, dass sich auch hier detaillierte Bewegungsprofile erstellen lassen. Dieser gigantische Datensatz war übrigens nur eine Probe „für umme“, um die potenziellen Kunden abzufüttern. Gerne hätte der Händler mehr Daten für harte Dollars verkauft.
Schon im Sommer 2024 hatte Netzpolitik.org einen anderen Datensatz untersucht, den sie von einem Berliner Datenhändler bekommen hatten. Es geht bei den Daten nicht nur um Werbung. Standortdaten aus scheinbar harmlosen Smartphone-Apps können zu einer ernsthaften Bedrohung für die persönliche Sicherheit werden und detaillierte Einblicke in das Privatleben von Menschen gewähren.
In den falschen Händen werden sie zu einem gefährlichen Werkzeug: Stalker können ihre Opfer präzise verfolgen, indem sie deren regelmäßige Aufenthaltsorte, Arbeitszeiten und täglichen Routinen auswerten. Für Menschen in sicherheitsrelevanten Positionen – etwa bei Behörden, Militär oder Geheimdiensten – entstehen erhebliche Erpressungsrisiken.
Aber ich bin ja nicht beim Geheimdienst, also habe ich auch nichts zu verbergen. Und im Rotlichtmilieu treibe ich mich auch nicht rum.
Datenhändler (Data Broker) sammeln, aggregieren und verkaufen persönliche Daten von Milliarden Menschen weltweit. Diese Informationen beziehen sie aus verschiedensten Quellen: direkt von Apps, durch Web-Scraping öffentlicher Aufzeichnungen, durch Zukauf von Drittanbietern oder durch das Real-Time-Bidding-System der Online-Werbung. Wer mehr Details zu diesem Fall erfahren will, dem sei der verlinkte Beitrag ausdrücklich empfohlen.
Das kann man am eigenen Handy einstellen
netzpolitk.org hat hier übrigens aufgeschrieben, was man tun kann, um zumindest mehr Datenschutz auf seinem iPhone oder Android-Gerät sicherzustellen. Eine einfach umzusetzende Maßnahme ist, die sogenannte Mobile Advertising ID abzuschalten. Das ist schnell gemacht. Außerdem kann man Apps den sogenannten Standort-Zugriff entziehen und dies nur den Anwendungen, beispielsweise Navigations-Apps, erlauben, die wirklich den Standort brauchen. Unten die entsprechenden Einstellungen für Apple-Geräte. Im netzpolitik.org-Artikel wird das auch für Android erklärt.

Keine Kontrolle über die eigenen Daten
„Unsere Recherche zeigt: Nutzer*innen haben keine Kontrolle über ihre Daten,“ schreiben die Autorinnen und Autoren von netzpolitik.org. Immerhin haben sie es mit dem beschriebenen Fall und der Tagesschau geschafft. Vielleicht hat das ja doch bei dem ein oder anderen einen Denkanstoß gegeben.
Datenschutz ist mühsam beziehungsweise wird bewusst mühsam gemacht, wie wir alle täglich erfahren, wenn die Cookie-Zustimmungs-Popup-Fenster schon wieder aufpoppen. Es nervt einfach, und genau deshalb klickt man einfach weg. Und die Bedrohungen sind an vielen Stellen: wie erwähnt am Computer, im Browser im Internet, in den sozialen Medien, wo kräftig Daten gesammelt werden; wie oben erwähnt im vernetzten Auto, in populären Apps auf den Smartphones, wie wir gerade erfahren haben, daheim, wo die Alexas dieser Welt ihre Ohren vermutlich weit offen halten. Die Liste ist bei weitem nicht vollständig.
Man kann (und muss) selbst etwas tun
Trotzdem. Man kann selbst etwas tun. Für viele Browser sind Erweiterungen verfügbar, die Tracking eindämmen oder blockieren. Aber hier muss man sich die Mühe machen, einen vertrauenswürdigen Anbieter oder Browser (wie Firefox) zu finden. Da bleiben dann doch viele bei Chrome, auch wenn Google nicht gerade zu den Datenschutzfreunden gehört.
Ja, es ist auch für jemanden, der sich nicht ständig mit Technologie und IT beschäftigt, herausfordernd. Trotzdem sollte man nicht aufgeben und sich gegebenenfalls Hilfe holen. Den Satz „Ich habe doch nichts zu verbergen“ kann ich auf jeden Fall nicht mehr hören und erst gar nicht akzeptieren. Doch wahrscheinlich muss bei vielen erst einmal etwas passieren; man muss auf eine Phishing-Mail oder einen gefährlichen Link hereinfallen, damit man beim Thema sensibler wird.
You can leave your hat on … Wir machen uns all naggisch

Der Weg von Streitkultur, digitaler Gewalt in sozialen Medien, darum geht es in Teil 2 meiner Wochenschau.





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