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ARD und ZDF: Mehr als nur eine Alternative zu Disney+ und Netflix werden

9vor9 breit

In unserem Pod- und Videocast am 13. Februar 2024 haben wir das Thema Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks und die Notwendigkeit seiner Transformation fortgeführt. Vergangene Woche hatten wir uns auf den Umgang der öffentlich-rechtlichen Sender mit der AfD und rechtsextremen Gruppen konzentriert, ein Thema, dass ich dann auch nochmals in einem separaten Blogbeitrag weitergeführt habe. Diesmal ging es um Einwürfe aus der Politik, aus dem Fediverse, die Bedrohung durch einen möglichen AfD-Ministerpräsidenten, den Rundfunkbeitrag und die Vorschläge des Zukunftsrats.

Natürlich nimmt „die Politik“ immer wieder Einfluss auf den Status und die Zukunft des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Besonders populär und populistisch sind natürlich Forderungen, wie sie Markus Söder geäußert hat. Sein „Reformkonzept“ sieht vor allem Sparmaßnahmen vor, unter anderem durch die Streichung von Landesanstalten, Sendern (Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk) und Rundfunkorchestern, anstatt die Gebühren zu erhöhen. Eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags lehnt er ab.

Reform des ÖRR unausweichlich

Die Diskussion über die 8 öffentlich-rechtlichen Fernseh- und 74 Radioprogrammen, ihrer Onlineauftritte und der Angebote in den sozialen Netzwerken steht auf jeden Fall an. Im Hintergrund schwelt das Risiko, dass der Wahl eines AfD-Ministerpräsidenten, dieser den Staatsvertrag für den MDR kündigen könnte – mit allen mögliche Unwägbarkeiten. Bis Herbst soll ein neuer Staatsvertrag erarbeitet werden. Unstrittig ist, dass ARD und ZDF reformiert werden müssen, beispielsweise mehr auf regional relevante Berichterstattung Wert gelegt werden soll. Der Teufel liegt dabei jedoch wie immer im Detail, darin wo und wie gespart und reformiert wird.

Plattform wie Disney+ oder Netflix schaffen

So wird von der Rundfunkkommission beispielsweise angeregt, die Mediatheken zusammen zu führen und über 100 Apps der Öffentlich-Rechtlichen zu konsolidieren und eine gemeinsame Plattform zusammen mit dem Deutschlandfunk zu schaffen. SWR-Intendant und ARD-Vorsitzender Kai Gniffke spricht von der Gründung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft von ARD, ZDF und Deutschlandradio vor, die für das digitale Streaming und digitale Medienplattformen zuständig sein sollte, um die Präsenz und Durchsetzungsfähigkeit in der digitalen Medienlandschaft zu stärken. Er vergleicht diese neu zu erstellende Plattform mit Netflix oder Disney+.

Dialog und Diskussion über ARD- und ZDF-Beiträge gibt es nur auf YouTube

Doch wie reformfreudig und innovativ die verschiedenen Player ist dieser Vorschlag wirklich? Leonard Dobusch sieht den Vorschlag von Gniffke kritisch, da der zu kurz gesprungen sei. Disney+ und Netflix sollten nicht das Vorbild sein. Vielmehr ginge es darum, sich viel stärker auf den Diskurs und die demokratische Meinungsbildung zu konzentrieren und moderierte Räume für Debatten zu schaffen, statt nur über plattes Streaming nachzudenken.

Öffentlich-Rechtliche senden (meist) nur, sie geben online in ihren Mediatheken keinen Platz für Dialog und Diskussion. Dazu muss man auf externe, kommerzielle Plattformen wie beispielsweise YouTube gehen. Eigentlich ein Hohn. Von Dobusch steht schon lange im Raum, die Mediatheken beziehungsweise eine möglicherweise kommende einheitliche Plattform der Öffentlich-Rechtlichen mit dem Fediverse zu koppeln, um so eine (zu moderierende) Dialog- und Diskussionsplattform zu schaffen. Klingt aus meiner Sicht sinnvoll, scheint aber bei den Verantwortlichen noch nicht angekommen, die doch stark in der traditionellen Denke verhaftet sind und glauben, auf dem richtigen Weg zu sein. Sind sie nicht. .

Wie erreicht der ÖRR wieder junge Leute? Wie gewinnt an wieder mehr Vertrauen?

Dabei müssten die Öffentlich-Rechtlichen endlich viel stärker agieren, um nicht weiter an Glaubwürdigkeit und Relevanz gerade bei den jungen Leuten verlieren und weiter zu einem Rentnerkanal zu verkommen, auf dem eh nur Krimis gesendet werden. 70 Prozent der Menschen vertrauen laut einer Studie noch der politischen Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien. Vor drei Jahren waren es noch 78 Prozent. 58 Prozent der Befragten in Ostdeutschland halten politische Nachrichten der Öffentlich-Rechtlichen für glaubwürdig, in Westdeutschland sind es 70 Prozent. Die Öffentlich-Rechtlichen genießen dabei im Vergleich zu privaten Anbietern immer noch das höhere Vertrauen. Und: Die Zuschauer von ARD und ZDF haben derzeit ein Durchschnittsalter von 64 bzw. 65 Jahren – Tendenz steigend.

Wie erreicht man also wieder mehr das jüngere Publikum? Allein durch eine neue Plattform mit Diskussionsfunktion ist das natürlich nicht gewährleistet. Und auf TikTok oder Instagram haben es die Öffentlich-Rechtlichen schwer, gegen die rechtsradikalen Lautsprecher mit ihren Halbwahrheiten und ihrer organisierten Propaganda zu bestehen. Da mag der ARD-Vorsitzende Gniffke noch so stolz auf 4,8 Millionen Instagram-Follower sein. Sie können nicht gegen die im eigenen Social Media War Room geplanten und systematisch betriebenen Kampagnen der AfD konkurrieren. Diese Art von Propaganda ist auch nicht ihre Aufgabe.

Die Social Media-Kanäle müssen durch den ÖRR bespielt werden, doch braucht es dafür die richtigen Formate und Personen, aber auch alternative digitale Plattformen, die junge Leute anziehen. Wie genau das aussehen kann und wie man eine junge Zielgruppe erreicht, bedarf sicherlich weiterer intensiver Diskussionen und Anstrengungen. Sie sind nicht nur das künftige Publikum. Sie sind auch die, die hoffentlich unsere Demokratie weiter verteidigen.

Druck von allen Seiten

Die Öffentlich-Rechtlichen sind nicht nur unter dem Druck, sparen und optimieren zu müssen – und da hilft die Einführung eines SAP Systems nur sehr bedingt. Auch die etablierten Parteien nehmen Einfluss. Und der ÖRR wird auch von Rechtsextremen und der AfD als Feind bekämpft, auch wenn Afd’ler andererseits die Plattform gerne ausnutzen.

Auch von den Verlagen wie der FAZ kommt heftige Kritik, dass man durch die gigantische Textproduktion der Sender der Presse das Wasser abgrabe. Sie bemängeln, dass die Öffentlich-Rechtliche mit ihren Angeboten im Netz wie tageschau.de oder ZDFheute und der generellen Präsenz im Revier der privaten Verlag wildern. Beispielsweise ARD und ZDF böten dort kostenlos umfassende text-, bild- und videobasierte Informationen und würden so einer FAZ und anderen Publikationen unlauter Wettbewerb machen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist noch immer einer der Grundpfeiler unserer Demokratie. Ja in einer Zeit, in der Fake News und Desinformationen zunehmen, ist der ÖRR wichtiger denn je. Noch setzen viele – auch ich – auf das Informationsangebot von ARD, ZDF oder Deutschlandfunk und auf viele verbliebene exzellente Journalistinnen und Journalisten, die das ernst nehmen, was der der sächsische Medienminister Oliver Schenk (CDU) so formuliert: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss immer wieder die Nadel sein, die Filterblasen zum Platzen bringt“.

Wirkliche Reform wird schwierig

Aber angesichts der Kritik, mit der die Sender von verschiedenen Seiten konfrontiert sind – seien es politische Parteien, unabhängige Presse oder die Gesellschaft allgemein – , ist die Neuausrichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entscheidend, um weitere ein breites Publikum, insbesondere auch junge Leute, zu erreichen, und der Aufgabe als vierte Gewalt in unserem demokratischen System gerecht zu werden. Dazu muss man öffentlich-rechtliche Beharrungsvermögen überwinden und sich von alten Denkweisen und Erbhöfen lösen und reformieren wollen. Es wird schwierig.

131: Die Zukunft des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks #9vor9 – Die Digitalthemen der Woche

Auch diese Woche geht es bei 9vor9 um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Nachdem wir uns beim letzten Mal das Verhältnis zwischen ÖRR und afd angeguckt haben, geht es diese Woche um Reformen, um die Gegenwart und Zukunft von ARD, ZDF und Deutschlandradio: Was will Markus Söder? Welche Maßnahmen schlägt der so genannte Zukunftsrat vor? Wie steht der ÖRR selber zu Reformen im eigenen Haus. Es ist ein dickes Brett und wir versuchen, wenigstens ein paar Löcher hineinzubohren.

Die Titelgrafik wurde mit folgendem Prompt mit der KI Ideogram.ai erstellt: create a painting in the style of Dali of a TV studio the public television stations in Germany with logos of ARD and ZDF, with cameras, microphones and lighting and journalists, conceptual art

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