Wochenschau

Gewalt und Hass als Demokraten gemeinsam entgegen treten

Wochenschau links breit

Warum die Grünen so gehasst werden“ – das ist die Überschrift auf Seite 1 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (€) vom 3. März 2024 – eine in weiten Teilen eher mittelmäßige Analyse, bei der nur die Überschrift wirklich auffällt. Die Schwäbische und der Südwestfunk berichten darüber, dass ein Grüner Kommunalpolitiker am am Dienstag in Amtzell niedergeschlagen und beleidigt wurde.

Den Vorwurf, zu moralisch zu sein, können sich viele Parteien und Politiker nicht machen. Auszug aus dem Artikel der FAS

Die Grenzen sind überschritten und Polizei und Justiz müssen konsequent und rigoros gegen verbalen Hass, Gewalt und Tätlichkeiten vorgehen. Zudem vermisse ich bei allen inhaltlich unterschiedlichen Positionen die klaren Statements der anderen Parteien, dass so etwas nicht geht, angefangen von den Galgen während der Bauernproteste über die Blockade in Biberach bis zur Gewaltat in Amtzell. Doch da agieren die Herren Söder und Merz einfach opportunistisch und lassen jedes Rückgrat, jede Solidarität zwischen Demokraten vermissen.

„Man darf über Politik streiten, auch hart in der Sache. Aber Einschüchterung und Gewalt sind kein Mittel der politischen Auseinandersetzung und dürfen von Demokratinnen und Demokraten niemals geduldet werden.“

Lena Schwelling, Landesvorsitzende der Grünen Baden-Württemberg zitiert nach Tagesschau.de

Hass und Gewalt gehören bekämpft und geächtet. Punkt.

Dabei sollte klar sein, dass Hass und sogar Gewalt gefährlich für unsere Demokratie sind und dazu führen, dass sich gerade auch junge Leute nicht mehr trauen, ihre Meinung zu äußeren oder sich gar politisch zu engagieren. Wir haben unter anderem bei #9vor9 darüber gesprochen. Hass und Gewalt gehören bekämpft und geächtet. Punkt.

Aggressive Hup- und Schreikonzerte, Sachbeschädigungen und persönliche Bedrohungen, zum Beispiel in Form von Brandanschlägen: Politiker*innen sind in diesen Tagen einigem ausgesetzt. Das ist keine Diskussionskultur – das ist Gewalt.

Der Campact-Blog mit einer aktuellen Karikatur zum Nachdenken ein. Thema: Die neuerliche Tendenz zu Gewalt in Diskussionen.
Quelle: RABE – toonpool.com

Heike Vowinkel behandelt in einem lesenswerten Beitrag auf T-Online immer weiter zunehmende Gewalt gerade auch gegen Kommunalpolitiker, übrigens nicht nur der Grünen, die aber wohl vor allem im Fokus stehen. Ihre Forderung:

„Es ist höchste Zeit, dass wir alle unseren Kommunalpolitikern den Rücken stärken, ihnen zeigen, dass es nicht selbstverständlich ist, was sie in ihrer Freizeit für uns tun. Und vor allem: Dass sie nicht allein sind, wenn sie angefeindet werden – in den sozialen Medien oder auf der Straße. Vielleicht merkt der eine oder die andere von uns dann ja auch: Es lohnt sich, Politik im Kleinen zu machen.“

Heike Vowinkel auf t-online.de

Mit diesem Zitat ist die Brücke zu Social Media, dem „Erfolg“ der AfD auf Social Media und die Wirkungsweise von Algorithmen und Bot-Farmen geschlagen.

Der Erfolg der AfD auf Social Media: Eine Frage von Strategie und Algorithmen

Die AfD hat die Macht der Social Media, speziell TikTok, erkannt und nutzt sie gezielt, so Carla Siepmann auf netzpolitk.org. Auf TikTok findet man eine Menge von Ausschnitten aus AfD-Reden, die mit ansprechenden Effekten, Sounds und Stickern versehen sind. Laut Politologe Johannes Hillje strukturieren die AfD-Abgeordneten ihre Reden bewusst so, dass prägnante 60- bis 90-sekündige Zitate daraus gewonnen und auf der Plattform geteilt werden können, eine Taktik, die vor allem auf Jugendliche abzielt.

Und dies zielt auch in Richtung Europawahl, bei der Anfang Juni erstmals auch 16- und 17-Jährige wählen dürfen. Dass die AfD auf TikTok sehr erfolgreich war, lässt sich auf die Charakteristik der Algorithmen zurückführen, die extremes Engagement fördern: je krasser die Inhalte, desto mehr Aufmerksamkeit. Besonders junge Männer werden von solchen Inhalten angesprochen, schreibt Stephanie Höppner von der Deutschen Welle in ihrem Beitrag. Es bleibt ungewiss, ob die anderen Parteien diese Strategie noch aufholen können.

Nicht zu übersehen ist auch das Interesse der Plattformbetreiber an dieser politischen Aktivität, wie Don Dahlmann und Sascha Pallenberg in ihrem Beitrag sezieren. Die Plattformen profitieren enorm von hohen Engagementraten und der erhöhten Aufmerksamkeit, die durch mehr Kommentare, Likes und Reposts erzeugt wird. Denselben Zweck erfüllen auch die sogenannten Bot-Farmen, die, sofern sie keine gesetzeswidrigen Inhalte erzeugen, von den Plattformen toleriert werden. Sie steigern die Engagementraten weiter und erhöhen damit die Gewinne aus geschalteter Werbung.

Der Kern dieser Dynamik ist der auf maximales Engagement ausgerichtete Algorithmus, der am Ende den Werbekunden beweist, dass ein hoher Preis pro Werbung gerechtfertigt ist. Es bleibt offen, wie sich diese Entwicklungen auf die politische Landschaft auswirken werden – nicht nur in Deutschland, sondern global. Mit diesem Thema werden wir uns in Kürze auch bei befassen: Die Social Media-Plattformen und die kommenden Wahlen. Meta hat ja schon Maßnahmen gegen Fake News und KI-generierte Inhalte angekündigt.

Desinformation als Bedrohung der Demokratie!?

Solche Fake News und Desinformationen im Internet betrachten 81% der deutschen Bevölkerung als erhebliche Bedrohung für die Demokratie, so eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Diese Falschinformationen werden besonders in Zusammenhang mit kontroversen und sensiblen Themen wie Einwanderung, Gesundheit, Krieg und Klimakrise wahrgenommen.

Mit den jüngsten Fortschritten in der Künstlichen Intelligenz (KI) wird die Debatte über die Verbreitung solcher Desinformation weiter angefacht. Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, das Erstellen und Verbreiten von falschen oder irreführenden Informationen zu automatisieren und in großem Maßstab umzusetzen. Netzexperte Christian Schiffer vom Bayerischen Rundfunk geht davon aus, dass KI die Erstellung von Desinformation praktisch kostenlos machen wird. Diese Kostensenkung würde es ermöglichen, Desinformation in jeglicher Form – ob als Text, Bilder oder Videos – zu erstellen und zu verbreiten.

Allerdings gibt es auch die Sichtweise, dass nur eine sehr kleine Minderheit aktiv und bewusst nach Fake News sucht und diese konsumiert. „Wir wissen inzwischen, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger sehr wenig Fake News sehen. … Die öffentliche Vorstellung, dass Bürgerinnen und Bürger im Netz unschuldig herumsurfend über Fake News stolpern und dadurch in die Irre geführt werden, können wir in den Daten eigentlich überhaupt nicht feststellen“, so der Medienwissenschaftler Christian Hoffmann laut MDR Altpapier.

Desinformation und Fake News: Alles nicht so schlimm?

Dies widerspricht der öffentlichen Vorstellung, dass ahnungslose Internetnutzer zufällig auf Fake News stoßen und dadurch fehlgeleitet werden. Vielmehr sieht es so aus, dass Nutzer, die relativ intensiv Fake News konsumieren, diese sogar gezielt suchen, um ihr Weltbild zu bestärken und zu bestätigen. Dies scheint auch eine Studie von Forschern der University of Michigan zu bestätigen, die sich in den USA X/Twitter angesehen haben. Zum Thema Klimawandel haben sich demnach dort weitgehend getrennte X-Gemeinschaften gebildet. So seien sogenannte Echokammern entstanden, in denen sich gegenseitig verstärkende einseitige Ansichten und Meinungsäußerungen zirkulierten.

Ich habe meine Zweifel und möchte die Gefahr von Fake News und Desinformationen nicht verharmlosen. Gerade die junge Generation ist im Fadenkreuz der AfD, die bewusst Plattformen wie TikTok nutzt, um mit Halbwahrheiten und Verdrehungen junge Leute zu gewinnen. Dabei werden schon jetzt alle Mechanismen genutzt, um „auf Reichweite“ zu kommen. Die sensations-, klick- und werbelüsternen Algorithmen tragen ihren Teil dazu bei. Genau deshalb müssen wir konsequent gegen Desinformationen und Fake News vorgehen, durch Aus- und Weiterbildung, aber auch mit den Ermittlungsbehörden.

Die Titelgrafik wurde mit ideogram.ai mit dem Prompt Create a photo in black and white of a TV studio in the retro style of the 1950s with the title „Wochenschau“ in the background und dem Magic Prompt A captivating black and white photograph of a 1950s retro TV studio, with vintage equipment and a bold, cursive „Wochenschau“ title in the background. The room is filled with large cameras, microphones, and a control booth in the distance. The atmosphere is a blend of nostalgia and excitement, evoking the essence of a bygone era in broadcasting history erstellt.

Comments

Eine Antwort zu „Gewalt und Hass als Demokraten gemeinsam entgegen treten”.

  1. Danke! Ein großartiger und umfassender Artikel zum Thema! Ich grüble oft darüber, wie es zu diesem extremen Anstieg an Hass und Gewalt gekommen ist. Oft scheinen das ja „ganz normale Bürger“ zu sein, zumindest in ihrem gewöhnlichen Leben. Setzt vielleicht auch unsere zunehmend überbürokratisierte Welt jede Menge Anlässe, sich aufzuregen, sodass ein bereits hoher Agressionslevel eskaliert, wenn „Schuldige“ angeboten werden? (Das ist natürlich nur ein kleiner Aspekt in einem vielschichtigen, komplexen Thema!)

    Like

Kommentar verfassen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Regelmäßig informiert bleiben?
StefanPfeiffer.Blog

Jetzt abonnieren, um informiert zu bleiben und alle Beiträge im Zugriff zu haben.

Fortfahren