
In der aktuellen digitalen Landschaft, die von wenigen mächtigen Tech-Konzernen dominiert wird, ist es unerlässlich, über Alternativen und deren Möglichkeiten zu sprechen. Die Initiative #SaveSocial hat sich genau das zur Aufgabe gemacht: Sie will das freie Internet zurückerobern und eine demokratischere Online-Kommunikation fördern. Lars und ich sprechen bei #9vor9 über die Initiative und deren Chancen.
Die Initiative wird von einem breiten Bündnis aus Künstlerinnen, Autorinnen, Journalistinnen, Unternehmerinnen sowie Verbänden getragen. Zu den Unterstützern gehören bekannte Gesichter der Netzszene wie Markus Beckedahl, Eckart von Hirschhausen sowie Ellen Heinrichs, der Deutsche Journalistenverband (Chapeau!) oder Greenpeace. Die Liste ist hier einsehbar und wird sicher immer länger. Die Initiative fordert einen grundlegenden Wandel. Es geht darum, die Monopolstellung der großen Tech-Plattformen einzuschränken und gleichzeitig die Entwicklung dezentraler Netzwerke wie dem Fediverse zu fördern.
#SaveSocial fordert einen grundlegenden Wandel. Es gehe darum, die Monopolstellung der großen Tech-Plattformen einzuschränken und gleichzeitig die Entwicklung dezentraler Netzwerke wie dem Fediverse zu fördern. Ein Zitat von Marc-Uwe Kling bringt es auf den Punkt: „Das Internet ist die größte Meinungsbörse der Menschheitsgeschichte. Wenn wir es nicht endlich dem Zugriff der digitalen Oligarchen entreißen, wird unsere Demokratie nicht mehr funktionieren können.“
Die Kernforderungen von #SaveSocial
Die Initiative #SaveSocial hat zehn konkrete Forderungen aufgestellt, um ihre Ziele zu erreichen. Im Zentrum steht die Stärkung alternativer, offener Plattformen. Öffentliche Institutionen wie Behörden, Universitäten, Forschungseinrichtungen, Bibliotheken, aber auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Politik sollen verpflichtet sein, ihre Inhalte auf diesen Plattformen zu publizieren. Durch qualitativ hochwertige Inhalte will man so die Plattformen attraktiv machen. Die Initiative fordert Investitionen in Medienbildung.
Große Tech-Konzerne sollen reguliert werden, bestimmte Marktanteile nicht überschreiten dürfen und sie sollen gewährleisten, dass Inhalte untereinander interoperabel sind, sprich, man soll auf die Inhalte offen zugreifen können. Auch von einer Digitalsteuer für Tech-Konzerne ist die Rede. Herrn Musk, Herrn Zuckerberg und deren Freunden werden diese Aussagen bestimmt gefallen. Die Forderungen gehen noch weiter und sind im Detail hier bei der Petition der Initiative nachzulesen.
Das Fediverse als mögliche Basis
Explizit wird von der Initiative das sogenannte Fediverse als mögliche Basis für dezentralisierte, miteinander verbundene soziale Netzwerke und Plattformen genannt, die sich über die ActivityPub-Schnittstelle austauschen. Marc-Uwe Kling erklärt das hier in seinem Video mit der E-Mail-Analogie sehr schön. Auch ich habe darüber schon geschrieben.
Das Fediverse ist das Fundament von Plattformen wie Mastodon, Friendica, PeerTube und vielen anderen, die sich durch ihre dezentrale Struktur, die Nutzung offener Standards und das Fehlen zentralisierter Kontrolle auszeichnen. Am bekanntesten ist sicherlich die Twitter-Alternative Mastodon, deren „Besitzer“ gerade angekündigt haben, ihre Organisationsstruktur zu ändern und ihre zentralen Assets an eine neue, gemeinnützige Organisation in Europa zu übertragen. Sicherlich eine im Kontext von #SaveSocial sehr interessante Entwicklung.
In unserem Gespräch über #SaveSocial bei #9vor9 habe ich eine eher skeptische Haltung eingenommen und die Frage aufgeworfen, „wie man aus dieser Blase herauskommt“. Wir, Lars und ich, und die meisten Unterstützer der Initiative bewegen uns in einem Umfeld von Leuten, die sich für soziale Medien tiefer interessieren und schon länger damit beschäftigen. Es sind oft die Leute, die man eh kennt, mit denen man sich gegenseitig auf die Schulter klopft. Das Fediverse ist derzeit vor allem etwas für Nerds jeglicher Couleur.
Wie kriegen wir die Baby Boomer Sandra und Frank und „die Jungen“ ins Fediverse?
Im Fediverse und auf Mastodon sind nicht die Babyboomer und Best Ager, Sandra und Frank, Inge und Ingrid, Otto und Sieglinde, die sich, wenn überhaupt, dann auf Facebook bewegen, weil dort Inhalte aus der Nachbarschaft oder Spezialthemen locker flockig leicht zu finden sind. Es sind nicht „die Jungen“, die sich eher auf TikTok, Insta und YouTube und dort von rechten Spinnern und Verschwörungstheoretikern bespielt werden.
Technisch könnte das Fediverse vieles von dem bieten, was Jüngere und Ältere auf Facebook oder Instagram gewohnt sind. Es gibt mit PeerTube das YouTube des Fediverse, Pixelfed das alternative Instagram. Klar, man müsste an vielen Stellen an der Benutzerfreundlichkeit und der Usability schrauben, doch das ist nicht die eigentliche Kernfrage. Die eigentliche Herausforderung ist die riesige etablierte Nutzerbasis der großen Tech-Plattformen und somit deren Einfluss auf den digitalen Diskurs. Auf Facebook, nicht auf der Fediverse-Alternative Friendica, sind nun mal die Nachbarn.
Ich will keinen Essig in den Wein gießen. Ich persönlich finde die Initiative #SaveSocial toll, und genau wie Lars habe ich auch die Petition umgehend unterschrieben. Ich werde die Initiative aktiv weiter unterstützen. Doch die gerade aufgeworfene Frage ist (neben anderen Aspekten) die zentrale Herausforderung. Wenn es nicht gelingt, normale Nutzerinnen und Nutzer vom Vorteil des Fediverse zu überzeugen, werden wir alle, vielleicht auch demokratische Grundrechte, scheitern und die Tech-Oligarchen weiter absahnen.
Erfolgskriterien: Interessante Inhalte, kein Hass und nutzerfreundliche Tools
Wie kann das geschehen? Nur indem wir einerseits die technischen Einstiegshürden gegen Null senken, die Bedienung der Tools drastisch vereinfachen, andererseits vor allem gute Inhalte verschiedenster Art im Fediverse publizieren und dort Special-Interest-Communities aufbauen. Das muss von der Stadtteil-Community über die Gartenfreunde bis zu den Themen der jungen Generation reichen.
Deshalb ist die Forderung, dass Politik, Behörden, Universitäten, Forschungseinrichtungen, Bibliotheken, aber auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk verpflichtet werden sollen, alle Inhalte ausnahmslos zumindest auch im Fediverse zur Verfügung zu stellen, so wichtig. Ohne gute, vielleicht sogar exklusive Inhalte und eine gute Moderation, die rigoros gegen Hass, Fake News und Lügen vorgeht, wird es nichts werden. Ohne interessante, tolerante Leute, Influencer und Thought Leader wird es nichts werden.
Die Liste der Unterstützerinnen und Unterstützer von #SaveSocial ist beeindruckend. Doch es fehlen eben die großen Medienhäuser, Verlage oder der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Die haben alle den Schuss noch nicht gehört und ihre Chancen nicht erkannt. Es fehlen Parteien, die sich zu einer solchen Initiative bekennen und bewusst ein Gegengewicht zur TikTok-AfD setzen.
#SaveSocial und das Fediverse haben noch einen langen Weg vor sich, um eine breitere Masse zu erreichen. Sie sind ein wichtiger Schritt, um eine gerechtere und demokratischere digitale Welt zu schaffen. Nur muss es endlich richtig losgehen. Öffentlich-Rechtliche, Unis, Forschung und viele andere müssen jetzt dort aktiv werden und Inhalte zur Verfügung stellen, Diskussion und Austausch anbieten und fördern. Wir haben angesichts von Musk und Konsortien keine Zeit mehr zu verlieren. Aufgeben gilt nicht.
Mitmachen bei #SoSollWeb und #Blogfragen
Ich möchte auf zwei weitere Aktionen aufmerksam machen. Annette Schwindt hat zu einer „nennen wir es Blogparade“ #SoSollWeb aufgerufen. Der Name ist Programm. Hier findet ihr weitere Informationen von Annette. Ich habe noch nicht, werde aber hoffentlich mit einem Beitrag mitmachen. Ist ja noch Zeit bis zum 31. März.
Und ich freue mich, dass gefühlt wieder mehr Leben in die sogenannte Blogosphäre kommt. Dazu hat beispielsweise Thomas Gigold mit seinem UberBlogr-Ring beigetragen. Dazu trägt auch Herr Tommi mit seinen #Blogfragen bei. Hier geht es zu seinem Aufruf. Da habe ich schon mitgemacht.


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